Drahtlos Laden: Qi-Ladestationen machen Ladekabel überflüssig

Martin Reitbauer 25. June 2015 2 Kommentar(e)

Der Micro-USB-Standard hat Ladekabel und -geräte für Smartphones vereinheitlicht. Doch die Stecker sind fummelig. Was, wenn man das Gerät zum Laden einfach hinlegen könnte?

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Es gibt wohl kaum jemanden, der sich die unübersichtliche Vielfalt von Ladesteckern und -buchsen der frühen 2000er-Jahre zurück wünscht. Mit Schaudern erinnert man sich an das Gewirr von Rund- und Flachsteckern, derer man auch mit Adapter-Sets kaum Herr wurde. Der EU-Kommission ist es zu verdanken, dass Handyhersteller bei Smartphones auf den Mikro-USB-Standard festgenagelt wurden. Damit hatte das Chaos ein Ende, doch die neue Norm brachte eigene Probleme: Die Stecker sind asymmetrisch und daher nicht verdrehsicher, im Dunkeln hat der Nutzer beim Anstecken eine Erfolgschance von 50%. Außerdem leiern die Buchsen zum Teil schnell aus und müssen teuer getauscht werden. Der neue Standard USB Typ C scharrt zwar schon in den Startlöchern und bringt symmetrische Stecker – ob diese aber auch ­haltbarer werden, bleibt abzuwarten.

Den Drahtlos-Ladestandard „Qi“ (dessen Name sich von der mystischen chinesischen ­Lebensenergie ableitet und folglich „Tschi“ ausgesprochen wird) plagen keine dieser Probleme. Die Lade-Pads oder Ladematten arbeiten kontaktlos mit Induktion. Im Gehäuse sitzt eine flächig gewickelte Spule aus feinem Kupferdraht sowie und eine kleine Leiterplatte, im Rückdeckel des Qi-kompatiblen Smartphones oder Tablets ein ähnlich aufgebautes Gegenstück als Empfänger. Das Gerät wird einfach auf der Station abgelegt um den Ladevorgang zu starten. Das Füllen des Akkus dauert auf diese Weise zwar deutlich länger als per Kabel (und braucht leider auch mehr Energie), dafür entfällt die Fummelei mit dem Stecker und der Verschleiß der Ladebuchse. Einen deutlichen Schub für den Qi-Standard bedeutete die Entscheidung Googles, sie in seine Nexus-Geräte zu verbauen.

Seither verbauen auch andere Hersteller wie LG Induktionsspulen in ihre Flaggschiff-Geräte. Manche bieten die Nachrüstung über Zubehör an: Samsung etwa stattet die Geräte der S- und ­Note-Reihe seit einiger Zeit mit rückseitigen Ladekontakten für Qi-kompatible Akkudeckel aus. Per Universaladapter (siehe oben) lassen sich die Geräte von praktisch allen Herstellern nachrüsten.

Ãœber die Entwicklung des Qi-Industriestandards wacht das „Wireless Power Consortium“, dem unter anderem die Hersteller Samsung, LG und Nokia bzw. Microsoft angehören. Qi ist nicht der einzige Standard beim drahtlosen Laden – die sogenannte „Power Matters Alliance“ unter der Führung des US-Konzern Starbucks (der entsprechende Ladestationen auch schon in die Möbel seiner Coffee-Shops verbaut), will den Konkurrenz-Standard „PMA“ etablieren. Namhafte Unterstützer in der Smartphone-Welt gibt es bislang nicht. Im Hintergrund ist aber ein langwieriger Streit um die dominante Norm zu befürchten. Man kann nur hoffen, dass der Konsument dabei nicht auf der Strecke bleibt.

Smartphones mit integriertem Qi

Von Googles Nexus-Reihe abgesehen, gibt es im Android-Bereich keinen Hersteller, der durchgängig alle Smartphones mit der Qi-Funktion ausstattet. Hier ist (horribile dictu!) Microsoft/Nokia mit den Lumia-Geräten schon weiter. Eine Übersicht:

Samsung

Etliche Smartphones von Samsung können nach einem Tausch der Rückabdeckung oder dem Einlegen einer Empfänger-Karte mit Qi geladen werden.

LG

Der koreanische Hersteller LG stattet seine Flaggschiff-Geräte ab Werk mit Qi aus. Davon abgesehen wird der Standard aber kaum unterstützt.

Nexus

Bei Googles Nexus-Reihe ist die Qi-Unterstützung Programm. Sogar die 7-Zoll-Tablets sind mit der Funktion ausgestattet. Nexus 9 und 10 sind dafür zu groß.

Qi nachrüsten

Ist ein Smartphone nicht Qi-kompatibel, lässt sich die Funktion in vielen Fällen nachrüsten. Sehr einfach geht das bei der Galaxy S- und Note-Reihe von Samsung, bei denen lediglich der Akkudeckel gegen einen mit Qi-Empfänger getauscht oder ein Adapter eingelegt wird. Für andere Geräte gibt es Universal-Adapter mit Flachkabel, die an die micro-USB-Buchse gesteckt und hinter einem Case versteckt werden.

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So sieht der Qi-Akkudeckel für das Samsung Galaxy S5 aus. Die Induktionsspule ist diskret versteckt, Messingkontakte leiten den Strom an das Gerät.

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Ein typischer Universaladapter. Der Stecker verschwindet gänzlich im micro-USB-Port, das flexible Flachkabel und die Spule  kommen hinter die Akku-Abdeckung oder zwischen Gerät und Case.

Wie schnell lädt Qi?

Die Stromübertragung per Induktion ist nicht so effizient wie die über Steckverbindungen. Der Ladevorgang per Qi dauert daher deutlich länger und braucht mehr Energie. Überraschend: die Verwendung von Handy-Cases (die ja den Abstand zwischen den Ladespulen erhöhen) machte in unseren Messungen keinen Unterschied.

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Ladezeiten LG G3, von 4 % auf 100 %

  • Mit Kabel: 110 Minuten
  • Drahtlos: 248 Minuten
  • Drahtlos (mit Case): 251 Minuten

Im Schnitt dauerte das drahtlose Laden in unseren Tests (LG G3, verschiedene Qi-Stationen), mehr als doppelt so lang wie per Kabel.

Stromverbrauch

  • Mit Kabel: 0,02 kWh
  • Drahtlos: 0,035 kWh
  • Drahtlos (mit Case): 0,035 kWh

Der Stromverbrauch fiel beim drahtlosen Laden in unseren Messungen etwa doppelt so hoch aus wie mit Kabel – die Bequemlichkeit hat ihren Preis.

Aufsetzen und leicht andrücken – schon  hält das  Smartphone. Spezialbeschichtung und Magneten sorgen für die Haftung.

Air Dock: Aufsetzen und leicht andrücken – schon
hält das Smartphone. Spezialbeschichtung und Magnete sorgen für die Haftung.

Drahtlos im Auto

Niemand fummelt gerne im Auto … mit Kabeln und Steckern. Das „Air Dock“  – ein CrowdFunding-Projekt aus den USA, das nun den Sprung nach Europa wagt – schlägt gleich lästige zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen haftet das Smartphone magnetisch an der Halterung, umständliches Arretieren ist nicht nötig. Zum zweiten entfällt das Anstecken, da das Air Dock das Handy per Qi lädt. Mittels eines verbauten NFC-Chips lassen sich am Smartphone Ereignisse (wie etwa der Start des Auto-Modus) auslösen. Das Dock ist unter anderem mit Googles Nexus-Geräten und Samsung Galaxy S 3-5 kompatibel. Bei manchen Phones muss ein magnetischer Sticker angebracht werden.

Qi-Ladestation im Vergleich

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XCSource Qi Stromladepad

Qi-Ladepads in dieser oder ähnlicher Bauform werden bei Amazon und Co. unter einer Reihe von Marken- und Produktnamen vertrieben. Erhältlich sind sie zum Teil für unter 10 Euro. Die Ober- und Unterseite ziert ein Ring aus Gummi, damit am Tisch nichts verrutscht. An der Vorderseite ist eine farbige LED angebracht, die beim Laden leuchtet. Für den Nachttisch eignet sich das Gerät also nur dann, wenn man sich nicht an der Lichtkulisse stört. Freilich kann man die LED auch kurzerhand abkleben. Ein größeres Problem ist die begrenzte Fläche der Induktions-Spule. Das Smartphone muss sehr exakt auf dem Ladepad positioniert werden, damit der Ladevorgang startet – alles andere als einfach, denn bei vielen Geräten ist die Position der Spule nicht mittig. Ein Google Nexus 5 und Nexus 4 lud im Test problemlos, ein LG G3 weigerte sich jedoch, zu laden.

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Qumox Drahtlos Qi Ladegerät

Auch diese Bauform wird unter vielen Namen vertrieben. Die Fläche der Spule ist hier wesentlich größer als bei dem kleinformatigen Kollegen in der Spalte links – es reicht also, das Smartphone mittig auf das Pad zu legen. Der Ladevorgang wird mit einer blauen LED angezeigt, die unter dem Polycarbonat-Gehäuse sitzt. Ist das Smartphone oder Tablet voll aufgeladen, schaltet die LED auf grün (und das nicht allzu hell – das Ladegerät eignet sich also durchaus fürs dunkle Schlafgemach.) Das Produkt wird mit einem micro-USB-Kabel ohne Netzadapter geliefert. Im Test mit einem LG G3 ergaben sich Probleme mit der Erhaltungsladung: Das Gerät lud zwar klaglos bis auf 100%, hielt die Ladung in den Stunden danach jedoch nicht – die Elektronik hatte nach dem Erreichen der vollen Ladung wohl abgeschaltet. Mit dem Nexus 5 und 4 machte sich dieses Problem aber nicht bemerkbar.

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Google Nexus-Ladegerät

Das Ladepad mit dem sachlichen Namen „Kabelloses Nexus-Ladegerät“ wurde für das Google Nexus 5 und Nexus 7 entwickelt und ist direkt von Google im Play Store erhältlich. Der Preis liegt mit knapp 40 Euro deutlich höher als bei den No-Name-Kollegen, dafür erhält man aber ein Gerät in ansprechendem Design und mit Netzadapter im Lieferumfang. Die Unterseite ist mit einer Haftschicht versehen, damit das Pad beim Auflegen und Abnehmen des Smartphones nicht verrutscht. Mit 60 mm x 60 mm ist die „Ladefläche“ zwar sehr klein, die richtige Positionierung fällt aber zumindest bei Nexus-Geräten dennoch leicht: Im Gehäuse verbaute Magneten (und Gegenstücke im Nexus) halten das Gerät an der richtigen Stelle. Das kabellose Nexus-Ladegerät ist eines der wenigen, die ohne LED auskommen. Wer beim nächtlichen Laden gerne auf eine Lichtkulisse verzichtet, weiß das zu schätzen.

Preis: 39,99 Euro

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Nokia DT-903

Der Qi-Standard ist plattformunabhängig. Android-Nutzer können also ohne Berührungsängste Hardware von der Windows-Phone-Schmiede Nokia (bzw. dessen neuen Eigentümer Microsoft) kaufen. Dieser setzt die Qi-Technik bei seinen Lumia-Smartphones beinahe durchgängig ein und stellt auch die passenden Ladestationen bereit. Das hier vorgestellte DT-903 kommt mit einem fixen USB-Kabel und ohne Ladeadapter. Die Farbgebung ist Lumia-typisch grell orange, grell grün oder schlicht weiß. Legt man das Smartphone darauf, leuchtet ein Kranz von farbigen LEDs an der Unterseite. Der dadurch entstehende Schwebeeffekt ist  beeindruckend, disqualifiziert das DT-903 aber fürs nächtliche Laden im Schlafzimmer. Nettes Extra: Ein NFC-Chip, mit dem sich am Smartphone Ereignisse (Lautlos-Modus etc.) triggern lassen. Sowohl Nexus 4 und 5 als auch ein LG G3 luden im Test klaglos.

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