Wir sprachen mit dem Zukunftsforscher Tristan Horx über künstliche Intelligenz, die Kommunikation in 20 Jahren und dem Smartphone der Zukunft.
androidmag: Herr Horx, laufen wir in 20 Jahren noch mit einem „Hardware“-Teil in der Hand herum?
Tristan Horx: In 20 Jahren ist es durchaus wahrscheinlich, dass wir nach wie vor haptische Geräte bei uns tragen. Obwohl: Beachtet man das Verhalten und die Interaktion vieler User mit ihren Smartphones, ist man manchmal nicht sicher, ob das Gerät bereits mit der Hand verschmolzen ist. Da wäre es manchmal schon noch praktischer, man hätte einen mikroskopischen Chip in der Hand, der als Schlüssel, Kreditkarte und Ausweis fungiert – das würde Sinn machen. Wie man das mit Smartphones und dem Wunsch oder auch Widerstreben, immer und überall erreichbar zu sein halten würde, muss man sich ansehen, wenn es soweit ist.
androidmag: Wie sieht die Kommunikation untereinander in 20 Jahren aus? Telefonieren wir da noch im klassischen Sinne oder bestimmt Videotelefonie unser Leben?
Horx: Heutzutage gibt es ja hypothetisch bereits die Möglichkeit alle Telefonate zu Video-Konferenzen zu machen – allerdings machen wir das überraschend wenig. Das liegt daran, dass wir es eben genießen am Telefon nicht immer gesehen zu werden oder uns mit der Komplexität der Mimik und Umgebung unseres Gesprächspartners auseinandersetzen zu müssen. Ein großer Teil der Kommunikation wie Körpersprache und Co. ist uns evolutionär bedingt nicht immer akut bewusst. Gerade deswegen kann es auch mal eine angenehme Abwechslung sein, einfach eine Text-Nachricht zu verschicken. Wenn wir uns auf das tatsächlich Zwischenmenschliche einlassen wollen, ist uns die “face-to-face” Kommunikation viel wichtiger und persönlicher, das ist von jungen bis zu älteren Generationen gleich.
androidmag: Sprachassistenten drängen immer mehr in die Wohnungen und Häuser der Bürger. Auch wenn in der Gegenwart schon Telefongespräche über Sprachassistenten möglich sind, wie kann sich diese Technologie künftig entwickeln? Sind Gespräche auch über den gesamten Raum verteilt möglich?
Horx: Auf technischer Seite ist es sicher bald möglich, ohne Headset im ganzen Raum zu telefonieren – das finde ich persönlich aber weniger spannend. Wirklich interessant in Bezug auf Sprachassistenz sind für mich Fragen der Translation. Viele Konflikte unserer Zeit könnten wesentlich einfacher gelöst werden, könnten wir ohne aufwändige Übersetzung oder Dolmetscher/innen miteinander reden. Deshalb hat Spracherkennungs-Software eine riesige Chance die Menschheit miteinander zu verbinden – und das ist immerhin die grundlegende Funktion der Digitalisierung.
androidmag: In den letzten Jahren wurden vermehrt Konzepte vorgestellt, die den Smartphone-Bildschirm auf den Unterarm projizieren. Allgemeiner gefragt: Rechnen Sie damit, dass wir künftig Projektionen auf der Haut oder via Brille/Kontaktlinsen erleben werden?
Horx: Man kann davon ausgehen, dass es in Zukunft weitere und auch andere Interfaces geben wird, mit denen wir die Interaktion mit dem Internet haben – mehr, als nur das klassische Smartphone. Welche davon Sinn machen, gilt es herauszufinden. Technologien können wahnsinnig innovativ sein und trotzdem noch nicht für den Alltag taugen. Erst durch die Akzeptanz der technischen Entwicklungen und der Integration in den Alltag der Menschen, bekommen Innovationen dann tatsächlich ihren Sinn und ihre Daseinsberechtigung. Außerdem muss immer die Möglichkeit gewahrt werden, offline zu gehen, das ist immens wichtig. Auch wenn der Zeitgeist oft anders interpretiert wird, ist schon längst auch wieder ein Gegentrend zu „immer online“ zu erkennen. Der skandinavische Trend “Hygge” ist beispielsweise stark im Wachsen und bringt Familien dazu, gemeinsame Zeit ganz ohne Technik, analog zu verbringen. Technologie soll uns zum Beispiel durch Zeitersparnis in der Arbeit dazu verhelfen, unsere zwischenmenschliche Erfahrung zu verstärken, statt sie zu nullifizieren.
androidmag: Aus heutiger Sicht können wir uns nur schwer vorstellen, dass das Smartphone, das auch oftmals als Statussymbol angesehen wird, aus der Gesellschaft verschwindet. Können Sie sich das vorstellen?
Horx: Solche Ansichten können sich häufig und rasch ändern. In den 1960/70ern hätte man beispielsweise über das Auto gesagt, es sei unersetzlich – tatsächlich merken wir aber bereits jetzt wieder, dass (vor allem von der jüngeren Generation) das Auto nicht mehr als so wichtig, und oft nicht mehr als Statussymbol wahrgenommen wird. Meist führen erst Knappheiten zu solchen Entwicklungen – Autos und Smartphones haben jedoch gemein, dass sie in fast allen Gesellschaftsschichten angekommen sind und verlieren durch diese Ubiquität vielleicht auch daher etwas an Prestige-Kraft. Es werden sich aber ohnehin einfach stetig neue Devices und Interfaces finden, die dann wieder einen Aufschwung bringen.
androidmag: Bisher beschränkt sich die künstliche Intelligenz in erster Linie auf Spiele und Kamera des Telefons. Wie wird sich dieses Betätigungsfeld in den nächsten Jahren weiterentwickeln?
Horx: Die KI am Smartphone ist eine rein unterstützende und keine ersetzende Kraft. Quasi ein persönlicher Assistent, der unsere Muster erkennt, von ihnen lernt, sich an unser Verhalten anpasst und uns dadurch im Alltag zur Seite steht und Hilfe anbietet, wenn wir sie brauchen. Das Technologieunternehmen Huawei, als ein Beispiel genommen, ist mit der neuen Mate20-Serie ein Vorreiter auf diesem Gebiet. In den Zeiten der zunehmenden Individualisierung ist ein intelligentes Smartphone sehr praktisch in Bezug auf “Selbst-Optimierung”. Da die Künstliche Intelligenz Verhaltensmuster erkennen kann, die jedem einzelnen niemals auffallen würden, kann sie einen großen Beitrag in der effizienten Gestaltung unseres Alltages spielen.
androidmag: Stichwort Künstliche Intelligenz: Sehen Sie, bei allen Vorteilen die von dieser Technologie zu erwarten sind, auch Risiken für die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt?
Horx: Ganz grundlegend führt soziokulturelle Evolution der Menschheit immer zum Schwund diverser Arbeitsbereiche. Deswegen arbeiten nicht mehr 50% der Menschen im Agrarbereich und mittlerweile auch nicht mehr der Großteil in Fabriken – wie es alles einmal der Fall war. Jobschwund als solches ist eine ganz normale und übliche Entwicklung am Weg zu einer komplexeren Zukunft. Allerdings brauchen wir natürlich Lösungen für diese anstehenden demographischen oder beruflichen Änderungen. Hier helfen Gedankenexperimente wie beispielsweise das bedingungslose Grundeinkommen. Man muss überlegen: Was ist Arbeit eigentlich? Kann gesellschaftlicher Beitrag immer nur monetär zu entlohnen sein oder kann erfüllende Arbeit auch ohne diese kapitalistischen Gesetze definiert werden und funktionieren?
androidmag: Danke für das Interview.