Musik-Streaming-Dienste unter der Lupe

Dub Inc, Iron Maiden oder Béla Fleck: Musiker und Bands, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Was sie verbindet? Die Präsenz auf der einen oder anderen ­Streaming-Plattform.

Musikstreaming-Dienste sind unter and­erem aus einer Gegen­bewegung zu Apples ­iTun­es Store entstanden. Eine gewagte Aussage, die sich aber als wahr ­entpuppen soll. Doch Streaming ist nicht gleich ­Streaming. Um Unterschiede ­zwischen Klangqualität, Anzahl und Genres zu ermitteln, nahmen wir die Amazon Music-Variationen, Apple Music, Deezer, Spotify und Tidal unter die Lupe. Die Kategorien Gestaltung, Bedienbarkeit Übersichtlichkeit spielen eine ­Nebenrolle. Als Referenzlied für das Genre Heavy Metal wählten wir „The Wicker Man“ (Iron Maiden), für Bluegrass „A Moment So Close“ der unbekannteren Gruppe „Béla Fleck & The Flecktons“, für Hip-Hop „California“ (Delinquent Habits) und für Reggae „Fils De“ von der französischen Band „Dub Inc“.

Die Dienste wurden auf einem Honor 8­­ Pro und einem iPhone 6 (Apple Music) getestet. Um die Klangqualität bestmöglich zu beurteilen, verwendeten wir einen kabelgebundenen Bose Quiet Comfort 35 Kopfhörer.

Was ist eigentlich streaming?

Anfang der 1990er Jahre hielt das Internet weltweit in vielen Haushalten Einzug. In den darauffolgenden Jahren vernetzten sich die Menschen, sendeten jedoch nicht nur E-Mails sondern tauschten auch Musik aus. Eine der bekanntesten Plattformen für letzteren Zweck war Napster. Anno 1999 gründeten die Amerikaner Shawn Fannig, John Fannig und Sean Parker den kostenlosen Basar für MP3-Dateien.

Zwei Jahre später musste die Tauschbörse jedoch ihren Betrieb einstellen. Dem ging eine Klage von Lars Ulrich, seinesgleichen Schlagzeuger der Metal-Band Metallica, voraus. Hintergrund: Er habe eine Demoversion des noch unveröffentlichten Liedes „I Disappear“ (der Song sollte später zum Soundtrack von Mission: Impossible 2 gehören) im Radio gehört. Nach einiger Recherche stellte er fest, dass nicht nur diese Version, sondern das gesamte Material der Gruppe über Napster illegalerweise verbreitet wurde.

In den nachfolgenden Jahren packte Apple die Gelegenheit beim Schopf, und baute die Bibliothek des etwa zur gleichen Zeit erschienenen iTunes Stores weiter aus.

Im Hintergrund brodelte jedoch etwas: Programmierer und Unternehmen zerbrachen sich darüber die Köpfe, wie neue Musik präsentiert und gehört werden könne, ohne die Lieder herunterladen und am Computer speichern zu müssen. Das Internetradio und damit der Vorreiter der Goldgrube „Streaming“ war geboren. Nach und nach wurden die Algorithmen von Plattformen wie Pandora und Last.fm derartig erweitert, dass der persönliche Musikgeschmack durch das „Liken“ eines Liedes oder einer Gruppe erkannt wurde. In weiterer Folge wurden Nutzern Musik­stücke vorgestellt.

Mit der Einführung des ­iPhones 2007 war es möglich, die Dienste erstmals auch mobil zu nutzen. 2008 wurde dann Spotify vorgestellt. Der Rest ist Geschichte.

Apple Music

Bereits Anfang der 2000er hatte Apple die Chance, den Dienst zu realisieren. 15 Jahre später war es dann so weit. 

Klangqualität: Im Gegensatz zu den ­anderen Kandidaten gibt Apple nicht preis, in welcher Qualität die Songs gestreamt werden. Gerüchte besagen, dass die Lieder eine Bitrate von 256 Kilobit pro Sekunde besitzen. Dieser Wert liegt unter dem der Konkurrenten.

Auswahl : Apple bewirbt seinen Streaming-Dienst mit 45 Millionen Liedern und ist damit konkreter als die getesteten Mitstreiter. Darunter sind auch Songs von Geheimtipps wie „Schmutzki“ aus Deutschland.

Spezielle Auswahl: „Schmutzki“, Reggae-Musiker aus Saint-Étienne oder eine Bluegrass-Combo aus Nashville, Tennessee: Auch Bands und Genres für einen kleinen Teil der Hörerschaft sind in der in der gut sortierten Mediathek von Apple Music zu finden.

Gestaltung: Einigen Apple-Jüngern könnte die Nutzung des Dienstes Rätsel aufgeben. Grund ist der Umstand, dass er in iTunes eingebettet ist. Außerdem ist die Bedienung umständlich, eine Apple ID wird benötigt.

Songs: 45 Millionen Titel | Basistarif: 9,99 Euro p.M. | Bitrate: k.A.  | Hier zur App

Tidal

Der Streaming-Dienst von Rapper Jay-Z ist frei von Werbung und verspricht Lieder in bester Klang­qualität

Klangqualität: Tidal hält sein Versprechen. In der HiFi-Variante können Sie aus den Qualitäten „HiFi“, „Hoch“ und „Normal“ wählen. Mit der erstgenannten Einstellung werden die Songs mit 1.411 kbit/s gestreamt. Minimale Komprimierung und wenig Klangverlust also. Großartig!

Auswahl: Tidal wirbt mit mehr als 40 Millionen Liedern. Das bedeutet nicht zwingend, dass die Bibliothek auch gut sortiert ist. Neben dem streambaren Maiden-Material wird kein Song der bekannten Delinquent Habits angeboten.

Spezielle Auswahl: Etwaige Liebhaber der Bluegrass- Gruppe „Béla Fleck & Flecktons“ sowie der französischen Reggae- und Dub-Formation „Dub Inc“ kommen hingegen voll auf ihre Kosten. Die Lieder dieser Künstler können in brillanter Auflösung gestreamt werden.

Gestaltung: Die Benutzeroberfläche von Tidal ist übersichtlich und verständlich. Ohne Schnickschnack, ohne verschachtelte Menüeinträge. Etwas störend ist, dass die Einstellungen nicht von überall aus aufgerufen werden können.

Songs: 40+ Millionen Titel | Basistarif: 9,99 Euro p.M. / HiFi: 19,99 Euro p.M. | Bitrate: bis zu 1.411 kbit/s  | Hier zur App 

Amazon Music

Nicht zu verwechseln mit Prime Music, wurde der Dienst im August 2007 veröffentlicht. 

Klangqualität: Streamen Sie Lieder ohne WLAN, haben Sie die Wahl zwischen „Höchste Qualität“, „Ausgeglichen“, „Schnellste Wiedergabe“ und „Automatisch“. Die Bitrate beträgt durchschnittlich 256 kbit/s, wodurch das Lied von Iron Maiden sehr flach klingt.

Auswahl: Bei Amazon können Sie zwischen Prime Music (vier Mio. Songs), Amazon Music Unlimited, Unlimited für Echo und Unlimited für Familien wählen. Neben Musik können Sie Spiele der deutschen Nationalelf streamen.

Spezielle Auswahl: Liebhaber von unbekannteren Bands könnten von der Auswahl der Amazon-Dienste enttäuscht werden. Die Plattformen haben keine Lieder von „Béla Fleck and the Flecktons“ im Programm. Es kommt außerdem vor, dass manche nur Lieder den Kunden der Unlimited-Angebote zugänglich sind.

Gestaltung: Mit Ausnahme von „Amazon Music für Echo“, sind die übersichtlichen Benutzeroberflächen gleich aufgebaut. Pluspunkt gegenüber den Konkurrenten: Die Songtexte mancher Lieder können eingeblendet werden.

Songs: 40+ Millionen Titel | Basistarif: ab 3,99 Euro p.M. / Prime: 7,99 Euro p.M. (79 Euro p.J.)  | Bitrate: bis zu 256 kbit/s | Hier zur App

Pluspunkt für Fußballbegeisterte: Einen besonderen Service bietet Amazon den deutschen Nutzern der Music Unlimited-Varianten und teilweise der Prime-Variante. Für Fußballbegeisterte werden nämlich alle Spiele der ersten und zweiten Bundesliga sowie alle Spiele der Nationalelf in den europäischen Wettbewerben akustisch übertragen.

Deezer

Anno 2007 wurde der französische Streaming-Dienst gegründet, er zählt etwa zehn Millionen aktive ­Nutzer.

Klangqualität: Deezer gibt die Lieder wahlweise mit 320 kbit/s („Verbessert“), 128 kbit/s („Ausgeglichen“, kein WLAN bzw. „Kompakt“) und 64 kbit/s („Basic“) wieder. Im „Verbessert“-Modus sind die beiden Lieder „The Wicker Man“ und „California“ ein echter Genuss.

Auswahl: Etwa 43 Millionen Titel können derzeit über Deezer gestreamt werden. Etwaige Doppeleinträge in der grundsätzlich gut sortierten Mediathek sind nicht vorhanden. Somit ist eine Verwirrung der Nutzer ausgeschlossen.

Spezielle Auswahl: Von „Béla Fleck and The Flecktons“ sind keine Lieder vorhanden. Zudem bietet der Dienst keine einheitliche Übersicht über die Werke der Band „Delinquent Habits“. Lediglich Singles werden angezeigt. Von Dub Inc sind sämtliche Alben verfügbar.

Gestaltung: Deezer erlaubt den Nutzern, gleichzeitig mehrere Songs zu einer Playlist hinzuzufügen. Zudem verzeiht der Dienst Rechtschreibfehler bei der Suche. Auch Uploads fehlender Lieder sind möglich.

Songs: 43 Millionen Titel | Basistarif: Kostenlos / „Elite“-Variante: 19,99 Euro p.M. | Bitrate: bis zu 320 kbit/s | Hier zur App

Spotify

Bereits 2008 eingeführt, genießt die Plattform einen großen Bekanntheitsgrad. Doch wie gut ist der Dienst wirklich? 

Klangqualität: Der Dienst bietet die ­Qualitäten „Normal“, „Hoch“ und „Extrem“. Die Bitrate beträgt maximal 320 kbit/s. Die unterschiedlichen Komprimierungen machen sich beim Song „The Wicker Man“ bemerkbar. Je geringer die Qualität, umso lauter das Rauschen im Hintergrund.

Auswahl: Mit etwas mehr als 30 Millionen Liedern hat Spotify im Vergleich zu den anderen Anbietern das Nachsehen. Die Musik-Bibliothek ist aber gepflegt. Im Gegensatz zu Spotify bietet Tidal manche Alben in verschiedenen Versionen an.

Spezielle Auswahl: Neben den Liedern Iron Maiden und Delinquent Habits hat Spotify auch die von Dub Inc auf Anhieb gefunden. Auch das wunderbare und zum Träumen einladende Stück „A Moment So Close“ spuckte Spotify direkt nach der Sucheingabe aus.

Gestaltung: Am Startbildschirm haben Sie immer einen Überblick darüber, welche Lieder und Playlists Sie zuletzt gehört haben und welche Alben kürzlich erschienen sind. Außerdem können Sie eine einheitliche Lautstärke festlegen.

Songs: 30+ Millionen Titel | Basistarif: Kostenlos / Premium: 9,99 Euro p.M. | Bitrate: bis zu 320 kbit/s | Hier zur App 

Fazit

Die Frage, ob es unter den getesteten Streaming-Diensten einen eindeutigen Gewinner gibt, lässt sich nicht beantworten. Der Grund dafür ist einfach: Es kommt darauf an, was der Nutzer möchte. Beginnen wir mit Tidal. Diejenigen, die ihre Lieblingssongs in hoher Auflösung streamen möchten, sind mit diesem Dienst bestens beraten. Den Preis von 19,99 Euro monatlich für die Spitzenversion finden wir aufgrund des Angebotes gerechtfertigt.

Sollten Sie sich nicht zwingend zu den Klangfetischisten zählen, empfehlen wir Ihnen die kostenpflichtige Version von Deezer. Vor allem im Vergleich zu Spotify waren unter anderem die bessere Klangqualität der gestreamten Lieder und das Mehr an Titeln für diese Entscheidung ausschlaggebend.