Analyse: Warum ein Nokia Lumia Google Edition für Nokia keine gute Idee wäre

Ein Nokia mit Android ist für viele ein absoluter Wunschtraum. Und ebenso viele Menschen sehen in Android auch den lang ersehnten Rettungsring für den strauchelnden Handy-Hersteller. Dass das ein Trugschluss ist, zeigt die Analyse.

Ein Nokia Lumia Google Edition existiert aktuell nur in den Träumen kreativer Mockup-Designer. Bildquelle: digitaltrends.com

Symbian, Asha, MeeGo, Meltemi – in den vergangenen Jahren hat Nokia seine Hoffnungen in viele verschiedene Betriebssysteme gesteckt, um dem Erfolg von iOS und Android etwas entgegenzusetzen. Die Früchte waren bislang bescheiden: MeeGo und Meltemi wurden eingestampft, Symbian in Rente geschickt und Asha soll das Ruder bei kostengünstigen Handys für Entwicklungsländer herumreißen.

Seit Apple 2007  mit dem iPhone eine neue Ära bei Smartphones eingeläutet hat, versucht Nokia, wieder zur Konkurrenz aufzuschließen und an den Erfolg alter Tage anzuknüpfen. Aktuell setzt der finnische Traditionshersteller auf Windows Phone. Das allerdings eher schlecht als recht, wenn man sich die Verkaufszahlen anschaut.

Wieso also, fragen sich viele Beobachter, setzt Nokia nicht einfach auf Android?

Für die Befürworter dieser, in meinen Augen Scheinlösung, ist die Sache ganz einfach: Android kommt, einem weißen Ritter gleich, dahergeritten und befreit die holde Maid namens Nokia aus ihren Nöten. Ende der Geschichte. Dabei wird nur allzu leicht vergessen, dass die Probleme Nokias auch mit Android nicht von heute auf morgen verschwinden würden.

Denn spielen wir einen Wechsel Nokias von Windows Phone auf Android mal in der Theorie durch: Nokia verabschiedet sich von Microsofts Betriebssystem und wechselt zu Android. Und dann? Ist Nokia mit einem Wechsel auf Android automatisch in die Top 3 der Android-Hersteller aufgestiegen? Verkaufen sich die Lumias mit Android auf einmal doppelt oder dreimal so gut? Das ist alles nur pure Spekulation der Befürworter eines solchen Wechsels. Wirklich sicher ist dabei nur eines: Mit einem Wechsel auf Android würde Nokia das Alleinstellungsmerkmal verlieren, der einzig nennenswerte Hersteller von Smartphones mit Windows Phone zu sein. Unter Android wäre man nämlich nur ein Hersteller –  unter Dutzend anderen.

Ein Wechsel auf Android käme für Nokia zur jetzigen Zeit einem Selbstmord gleich.

Die Frage lautet also, wie sich Nokia im Falle eines Wechsels aus der Masse hervortun könnte?

Die Entwicklung einer eigenen Hersteller-Oberfläche für Android kostet Zeit und Geld. Beides ist im finnischen Espoo, dem Hauptquartier von Nokia, Mangelware. Zwar sind die Kameras bei den aktuellen Nokia-Flaggschiffen immer ein Highlight. Aber auch Android hat hier schon mächtig aufgeholt, man denke z.B. an die Kamera im Sony Xperia Z, die mit 13 Megapixeln, Exmos RS-Sensor und HDR auftrumpfen kann. Und bei aller Liebe für Kamera-Enthusiasten, aber Smartphones wie das kürzlich vorgestellte Nokia Lumia 1020 sind Nischenprodukte. Für Profis, ja, selbst für Hobby-Fotografen wird eine echte Kamera immer die erste Wahl bleiben. Und die überwiegende Mehrheit der Menschen wird ihren Smartphone-Kauf nicht von einer 41 Megapixel Kamera abhängig machen. Ein Lumia 1020 mit Android könnte also allerhöchstens eine kleine, sehr spezielle Gruppe glücklich machen und nicht zu einem großen Verkaufserfolg werden. .

Dann gäbe es noch die Möglichkeit, über Design und die Verarbeitung aus der Masse herauszustechen. Design ist aber Geschmackssache und nicht jeder mag das Aussehen der aktuellen Lumias, ich bin z.B. kein Fan davon. Bleibt noch die hohe Verarbeitungsqualität der Lumias, auch dieses Argument wird von den Befürwortern eines Wechsels immer angeführt. Und in der Tat, die Verarbeitungsqualität bei Nokia ist wirklich erstklassig. Aber seien wir mal ehrlich: die Zeiten, wo das Android-Lager mit Smartphones aus billigem Plastik auf sich aufmerksam gemacht hat, sind lange vorbei.

Oder glaubt jemand ernsthaft, ein HTC One, LG Optimus G  oder Sony Xperia Z  muss sich, von der Verarbeitungsqualität her, vor einem Nokia Lumia 920 verstecken?

Nokias einzige Möglichkeit, schnell ins Android-Lager zu wechseln, wäre eine Google-Edition. Einfach ein aktuelles Lumia nehmen, Windows Phone durch Android ersetzen, und fertig. Das würde vielen sicherlich gefallen, doch ich zweifele stark am Erfolg eines solchen Geräts. Man kann zu Hersteller-Oberflächen geteilte Meinungen haben, doch Vanilla-Android hat für die breite Masse einfach nicht die Attraktivität von TouchWiz, Sense und Co. Sie geben den Herstellern einerseits ein Individualisierungs- und Wiedererkennungsmerkmal, andererseits erweitern sie Android um nützliche Zusatzfunktionen.  Nokia bräuchte auch eine eigene Hersteller-Oberfläche, um aus der Masse von Samsung, HTC, LG, Huawei, Motorola usw. irgendwie hervorzuheben.

Und dann ist da noch Microsoft.

Nokia CEO Stephen Elop, pikanterweise ein ehemaliger Manager aus Redmond, hat längst zugegeben, dass Microsoft Nokia finanziell unterstützt. Die Unterstützung, so Elop, liege im Bereich von Milliarden. Auch echtes Geld ist geflossen, obwohl bisher nicht bekannt ist, wie hoch genau die Summe war. Microsoft umarmt Nokia sehr eng – und das nicht uneigennützig. Es dürfte fraglich sein, ob Microsoft Nokia weiter im bisherigen Ausmaß unterstützen würde, wenn der Hersteller auf einmal eine Multi-Plattform-Strategie fahren und auch Android-Smartphones auf den Markt bringen würde.

Nein, der Android-Zug ist für Nokia bis auf weiteres abgefahren. Ich kann die Befürworter verstehen, die sich ein Nokia mit Android wünschen. Doch für Nokia selbst käme ein Wechsel zur jetzigen Zeit einem Selbstmord gleich. Nokia muss, zusammen mit Windows Phone, langsam auf die Erfolgsspur zurückkommen. Erst wenn sie etwas Licht am Ende des Tunnels sehen, sich ihre Verkaufs- und Geschäftszahlen gebessert haben und damit auch weniger abhängig von Microsoft sind, können sie auch Android in Betracht ziehen.

Denn außer ein paar Nostalgikern, die noch immer in Erinnerungen an ihr erstes Nokia-Handy schwärmen, wartet niemand auf Nokia. Ein Wechsel auch auf Android ist für die Finnen mit einem langem und harten Kampf an die Spitze verbunden. Dazu hat der Konzern weder die Zeit noch die finanziellen Mittel.

Das Schicksal Nokias hängt bis auf weiteres also an Windows Phone.