Android L

Android L ist in Sachen Design und Funktionen der größte Sprung in der bewegten Geschichte von Android. Ähnlich wie bei Apples iOS gibt es erstmals eine Vorschau-Version, ehe im Herbst die finale Version folgt. Wir haben uns die Entwicklerversion von Android L installiert und zeigen dir in diesem Artikel die wichtigsten Neuerungen.

Auf dem wichtigsten Android-Event des Jahres, der Google-Entwicklerkonferenz Google I/O in San Francisco, wurde die neueste Android-Version mit dem Codenamen L präsentiert. Flächendeckend ausgerollt wurde das Update noch nicht, da Google in Form dieser Vorschau-Version den Entwicklern von Android-Apps genügend Zeit geben will, um ihre Kreationen fit für den finalen Release im Herbst zu machen.

Unter welcher Versionsnummer Android L erscheinen wird, ist noch nicht bekannt. Aufgrund der Masse an Neuerungen und größeren Veränderungen gehen wir aber stark davon aus, dass wir es hier mit Android 5.0 zu tun haben. Was sofort ins Auge sticht, ist eine stark überarbeitete Design-Sprache, genannt „Material Design“. Damit verbunden ist das wohl ambitionierteste Vorhaben in der Geschichte von Google. Denn wenn es nach den Jungs und Mädels aus Mountain View, Kalifornien geht, sollen schon bald nicht nur das Android-Betriebssystem und die zugehörigen Apps im minimalistischen, auf virtuellen Karten basierenden „Material Design“ erstrahlen, sondern das Netz als Ganzes. Denn die entsprechenden Design-Richtlinien sind auch für Webseiten, Smartwatch-Apps, TV-Geräte und Infotainment-Systeme von Google gültig.

Den Anfang macht aber Android L. Es zeigt, wie sich Google „Material Design“ vorstellt. Wir haben uns die Preview-Version kurzerhand installiert und zeigen Ihnen im Detail die coolsten Neuerungen.

Die Neuerungen von Android L im Überblick

Material Design: Frischer Anstrich, neue Animation

Android L verfügt über ein radikal neues Design, das nicht nur für Android-Smartphones und Tablets ausgelegt ist, sondern auch auf Notebooks und Desktop gut funktioniert. Ziel ist eine konsistente Oberfläche für Smartphones, Tablets, Desktop und darüber hinaus. Android L besitzt eine kartenbasierte Oberfläche über alle Plattformen hinweg. Der Fokus in Sachen Design liegt bei animierten Touch-Feedback und neuen Animationen zwischen einzelnen Bildschirmen in Apps. Inhalte werden dabei in mehreren Ebenen dargestellt. Das von Google vorgestellte Framework ist auf allen Plattformen extrem einfach anzupassen. Das Ganze wird in die auf der Google I/O 2013 vorgestellten Entwicklungsbibliothek “Polymer” integriert. Design-Richtlinien gibt es für alle Plattformen und Geräteklassen.

„Material Design“ bietet neue Animationen, 3D-Ansichten mit Echtzeit-Schatten und grafischem Feedback bei Touch-Interaktionen. Die Multitasking-Ansicht wurde ebenfalls stark überarbeitet, so basiert diese nun auch auf einem Karten-Layout und zeigt fast bildschirmfüllende Vorschaubilder an. Als Beispiel wurde die Telefon-App gezeigt, die eine stark überarbeitete Oberfläche bietet.

Verschmelzung aller Plattformen

Google will seine enorm beliebten Dienste wie GMail, Google Maps oder Youtube in Sachen Benutzeroberfläche vereinheitlichen. Dieses Vorhaben wird intern als “Quantum Paper” geführt, in diesem soll es einheitliche UI-Frameworks, Designelemente und Richtlinien geben, die über den Webbrowser am Desktop oder Notebook über iOS und Android weitgehend gleich aussehen. Weitgehend deshalb, weil es nicht darum geht, eine zu hundert Prozent gleiche Benutzeroberfläche zu liefern, sondern Google will einheitliche Bausteine bereitstellen, mit denen Google-Apps auf allen Plattformen auf die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden können.

Die technologische Basis ist die Entwicklungsbibliothek Polymer, mit der sich von einfachen HTML-Elementen wie Buttons bis zu ganzen Applikationen Inhalte erstellen lassen. Diese lassen sich plattformübergreifend von Web bis Mobile integrieren. Material Design wird auch im Web-Browser realisiert, etwa in der Google-Suche am Smartphone. Auch dort gibt es die gleichen, sehenswerten Animationen (mit 60 Frames pro Sekunde) und die generelle Optik im Web sieht genau so aus wie in Apps mit Material Design. Besonders cool: Bei Suchanfragen auf dem Smartphone oder Tablet kann bei Android L auf Apps verlinkt werden. Das war bislang nur bei einzelnen Apps möglich, jetzt gibt es die API in Google Play Services für alle Entwickler.

Benachrichtigungen am Sperrbildschirm

Die Benachrichtigungen auf dem Sperrbildschirm werden in einem minimalistischen Karten-Design dargestellt. Durch einen Doppeltipp auf eine Karte lässt sich die korrespondierende App direkt öffnen. Manche Apps bieten aber auch interaktive Buttons, mit denen Funktionen ausgeführt werden können.

Der Homescreen

Auffälligste Neuerung sind die neuen virtuellen Navigations-Tasten am unteren Bildschirmrand. Die Funktionen, die diese auslösen (Zurück, Home und Multitasking), sind aber gleich wie bisher. Wie bei Android 4.4 KitKat präsentieren sich die Icons in modernem Flat-Design.

Personalisierte, dynamische Entsperrmethoden

Ein sehr cooles Feature, mit dem das Smartphone mit speziellen Absicherungen beim Entsperren ausgestattet werden kann. Diese können beispielsweise ortsgebunden sein: Ist der Anwender also zu Hause in seinem WLAN eingeloggt, wird kein Entsperr-Code abgefragt (ähnlich wie es beispielsweise auch bei Tasker möglich ist). Ähnlich verhält es sich bei verbundenen Bluetooth-Geräten, die mit dem Smartphone verbunden sind. Tragen Sie beispielsweise eine Android Wear-Smartwatch und ist diese mit dem Smartphone verbunden, wird dies erkannt und das Entsperrmuster ausgeblendet.

Performance-Schub und Akku-Verlängerung

Google führt wenig überraschend „ART“ als neue Laufzeitumgebung ein und verfrachtet das angestaubte Pendant „Dalvik“ in die Mottenkiste. Die Vorteile von „ART“ sind vielfältig:  es ist Cross-Plattformkompatibel mit Prozessoren auf ARM-, x86- und MIPS-Basis, zudem bietet es einen starken Performance-Zuwachs im Vergleich zur bisherigen Runtime Dalvik (siehe Grafik). Unter dem Codenamen „Project Volta“ wurde bei Android L zudem ordentlich an der Akku-Laufzeit geschraubt. Tatsächlich zeigte sich in ersten Praxis-Tests, dass bei einem Nexus 5 mit installierten Android L ein Akkulaufzeit-Plus von 36 Prozent gegenüber Android 4.4 KitKat feststellbar ist.

Spiele-Grafik auf Konsolen-Niveau

Für Aufsehen sorgte eine kurze Grafikdemo von Epic Games, die die grafischen Möglichkeiten von Android Ls neuem „Android Extension Pack“ zeigte. Damit gelang es Epic eigenen Angaben zufolge, die Unreal Engine 4 in nur drei Wochen von einem High-End-PC mit Direct X11-Schnittstelle auf Android L mit einem Nvidia Tegra K1-Chip zu portieren. In Kombination mit entsprechend potenter Hardware dürfte es also bereits Ende des Jahres sehr eindrucksvolle Games mit Konsolengrafik für Android L geben.

Neues Benachrichtigungs-Menü …

An der Funktionsweise des Benachrichtigungs-Menüs hat sich zwar nichts geändert, allerdings ist der schwarze Hintergrund mitsamt weißer Schrift nun Geschichte. Stattdessen gibt es hellere Weiß- und Grautöne, außerdem werden eingegangen Benachrichtigungen ebenfalls als Karten visualisiert.

… und neue Schnell-Einstellungen

Ein Tipp auf den oberen Bereich öffnet die Schnell-Einstellungen, in denen sich – ganz ähnlich wie in älteren Android-Versionen – diverse Funktionen aktivieren  bzw. deaktivieren lassen. Praktisch ist auch der Helligkeitsregler, den man aber in ganz ähnlicher Form von diversen Herstelleroberflächen kennt.

Multitasking im Karten-Look

Beim schnellen Wechsel zwischen schon einmal geöffneten Apps werden die zugehörigen Vorschaubilder nun in einer vergrößerten Karussell-Ansicht dargestellt. Das erleichtert das Finden der gesuchten App ungemein.

Neue System-Einstellungen

Auch die System-Einstellungen erstrahlen im neuen „Material Design“. Für mehr Übersicht werden die einzelnen Menüpunkte nun nicht mehr in Listenform angezeigt, sondern in zwei Spalten in die jeweiligen Rubriken gruppiert.

Kommentar

Die mit Android 4.4 KitKat eingeführten, größeren Designänderungen wurden in Android L noch weiter verfeinert und an die für Google mittlerweile typische, schlichte Optik angepasst. Gleichzeitig ist die Strategie, die damit verbundenen Design-Richtlinien nicht nur auf Android, sondern quasi auf das gesamte Web auszudehnen, wahrscheinlich das ambitionierteste Vorhaben in der Geschichte von Google. Ob es aufgeht, muss sich erst zeigen, letztlich bleibt durch die Ausweitung der Android-Plattform auf Wearables, Autos, TV-Geräte und die eigenen vier Wände Google aber auch keine andere Wahl, als radikal eine einheitliche Linie zu etablieren.

Android Wear ist erst der Anfang

Dass diese optische Vereinheitlichung klappen kann, beweisen die ersten Android Wear-Smartwatches. Denn die dort zum Einsatz kommende Benutzeroberfläche ist für Android-Smartphone-Nutzer und Kenner von Google Now bereits bekannt und wirkt deshalb wie aus einem Guss. Auch der Schritt zunächst eine Vorschau-Version zu veröffentlichen und so Geräte-Herstellern und App-Entwicklern genug Zeit zu geben, um sich auf eine kommende Android-Iteration einzustellen, könnte viel Positives bewirken. So ist etwa denkbar, dass es im Herbst 2014 für viele Smartphones und Tablets sehr zeitnahe Updates auf die massentaugliche Version von Android L geben wird. Gleichzeitig werden es sich auch App-Entwickler nicht nehmen lassen, die bereits jetzt bekannten Neuerungen zu integrieren, um so mit der modernen Oberfläche der jüngsten Android-Version gleichzuziehen.

Release im Herbst mit neuem Gerät

Wir gehen davon aus, dass es im Herbst einen eigenen Google-Event geben wird, auf dem die finale Version von Android L gemeinsam mit einem dazu passenden Vorzeige-Smartphone und / oder Tablet gezeigt werden wird. Zusätzlich dürften auch das Nexus 5 und das Nexus 7 (2013) sehr zeitnah mit dem Update versorgt werden, da diese ja auch bereits mit der Vorschau-Version tadellos klarkommen. Wir hoffen, dass es zudem für viele andere Geräte zeitnah Updates geben wird.