Die Custom ROM CyanogenMod ist so eng mit der rasanten Entwicklung von Android verbunden, wie sonst kaum etwas. Wir werfen einen Blick auf die Entwicklung vom kleinen Privatprojekt bis zur Firmengründung mit eigenem Smartphone – naja, zumindest fast. Wir haben auch mit Steve Kondik ein Interview geführt, welches ihr euch hier ansehen könnt.
Angefangen hat alles mit dem ersten Android-Smartphone. Steve Kondik, ein Software-Entwickler aus den USA kaufte sich das HTC Dream, das auch als T-Mobile G1 bekannt ist und entwickelte eine Custom ROM für das Smartphone, die einschlug wie eine Bombe – seitdem ist die CyanogenMod einer der engsten Begleiter des Google Betriebssystems und hat ein ähnlich beeindruckendes Wachstum hingelegt. Dieser Erfolg hat kürzlich zur Gründung einer Firma, der Cyanogen Inc., geführt – in Kooperation mit dem Hardware-Hersteller Oppo wird sogar eine CyanogenMod-Version des Oppo N1 erscheinen. Der Weg verlief aber nicht immer so gradlinig, wie es den Anschein hat.
Als Android Ende 2008 das Licht der Technikwelt erblickte, befand sich der Smartphone-Markt bereits im Umbruch. Die alten Größen Symbian und Windows Mobile hatten durch das Erscheinen des ersten iPhone stark an Glanz und Auftrieb eingebüßt. Steve Kondik kaufte sich gleich zum Verkaufsstart das allererste Android-Smartphone, das T-Mobile G1. Die Idee eines Linux-basierten Open-Source-Betriebssystems für Smartphones gefiel dem Software-Entwickler und langjährigem Linux-Nutzer sehr und schien ihm genau die Offenheit zu bieten, die das iPhone vermissen ließ.
Das User-Interface der CyanogenMod unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von Stock-Android.
Nachdem die anfängliche Begeisterung für das neue Smartphone etwas nachgelassen hatte, fand Kondik immer mehr Bereiche, in denen Android noch deutlich verbessert werden konnte. Frei nach dem Open Source-Entwickler-Motto: „Dir gefällt etwas nicht? Dann ändere es. Und teile es!“, verschaffte sich in alter Linux-Manier Root-Zugriff, lud den Android-Quellcode von den Google-Servern herunter und begann ihn zu modifizieren. Die erste fertig kompilierte Custom ROM hat Kondik, auch unter dem Entwickler-Alias Cyanogen bekannt, im Forum von XDA-Developers hochgeladen um sie für andere Nutzer verfügbar zu machen. XDA-Developers war ursprünglich Anlaufstelle der Windows-Mobile-Szene, aus Mangel eines besseren Ortes haben sich aber auch viele Android-Nutzer und -Entwickler der ersten Stunde dort niedergelassen. Buchstäblich über Nacht war der Foren-Thread von einer Seite auf über 100 angewachsen, auf denen sich begeisterte Nutzer über die CyanogenMod austauschten. Dieser Überraschungserfolg war Motivation für Kondik, seine Custom ROM weiter zu entwickeln und zu verbessern.
Die dritte auf Android 1.5 basierende CM-Iteration bringt neben genereller Stabilität vor allem Unterstützung für das verlustfreie FLAC-Audioformat mit sich.
Mit Version 4.1.4 wird das erste Mal ein Android-Versionssprung vollzogen. Google Apps sind nicht mehr enthalten und müssen manuell nachinstalliert werden.
Die mit Abstand kurzlebigste CyanogenMod-Version, basierend auf Android 2.0/2.1. Der Stock Launcher wird durch den vielseitigen ADW Launcher ersetzt.
Die darauf erschienenen Android-Smartphones wie das HTC Magic oder Motorola Droid (in Deutschland Motorola Milestone) kamen allesamt noch mit Vanilla-Android, also komplett ohne Herstelleranpassungen, auf den Markt. Mit zunehmender Beliebtheit des OS rochen auch immer mehr Hardware-Hersteller die Chance in den aufkeimenden Smartphone-Markt einzusteigen und somit stieg die Zahl der verfügbaren Geräte schnell an. Als Folge tauchten allerdings auch die ersten Hersteller UIs wie HTC Sense und das unsägliche Motoblur auf der Bildfläche auf und versperrten den Zugang zum reinen Android. Des Weiteren haben auch die Provider, vor allem in den USA, schnell begonnen, die Android-Smartphones mit sogenannter Bloatware vollzustopfen, die zu allem Überfluss nicht gelöscht werden konnte.
Diese Gründe führten dazu, dass Android-Nutzer immer lauter nach einer reinen Android-Version für ihr Gerät verlangten. Steve Kondik als Mobiltelefon-Enthusiast war ohnehin ständig in Besitz der neuesten Smartphones und setzte CyanogenMod daher schnell für das jeweilige Gerät um und mit der Hilfe einer immer stärker wachsenden Entwickler-Community wurde die Custom Rom für immer weitere Geräte verfügbar gemacht. Ein weiteres stetig wachsendes Problem waren die immer größeren Bestrebungen einiger Android-Hersteller wie Motorola oder HTC, aber auch vieler amerikanischer Mobilfunkanbieter, die verkauften Smartphones mit einem verschlüsselten Bootloader vor den Zugriffen der Nutzer zu schützen und somit die Offenheit von Android in Frage zu stellen.
Ende 2009 war die Zukunft der CyanogenMod plötzlich in Gefahr, denn Kondik erhielt eine Abmahnung von Google. Der Hintergrund war, dass Kondik bis zur CyanogenMod-Version 4.1.11.1 die Google Apps, wie Gmail, Google Maps, Android Market oder YouTube in die Custom ROM integriert hatte, obwohl diese nicht unter Open-Source-Lizenz stehen. Diese Apps sind zwar auf den verkauften Android-Geräten enthalten, allerdings nicht für die Weiterverteilung lizenziert. Das Vorgehen von Google hatte in der Community für großes Aufsehen gesorgt und wurde teilweise sogar als Kampfansage gewertet.
Nachdem Kondik die Arbeit an der CyanogenMod zwischenzeitlich komplett eingestellt hatte, konnte er sich nach längeren Verhandlungen mit Google auf einen Kompromiss einigen. Nutzer können die bei einem Gerät mitgekauften, lizenzierten Kopien der proprietären Google Apps sichern und später in eine CyanogenMod-Installation einbinden, ohne dabei das Copyright zu verletzen. Die Apps wurden also aus der CyanogenMod entfernt und der Sicherungsvorgang automatisiert. Inzwischen stehen diese Apps in einer Datei gesammelt zum Download bereit. Ganz problemlos ist diese Lösung allerdings in der Praxis nicht, da auch für einige Geräte eine CyanogenMod-Version erhältlich ist, die ursprünglich keine Google-Lizenzierung und somit auch nicht die besagten Apps besaßen und teilweise ursprünglich gar nicht mit Android ausgeliefert wurden, wie zum Beispiel das HP TouchPad.
Ein weiteres Problem ist nach wie vor, dass nicht alle Teile der CyanogenMod Open Source sind. Immer wieder müssen die Entwickler so genannte Binary Blobs einsetzen. Dabei handelt es sich meist um Treiber, deren Code von den Hardware-Herstellern nicht offengelegt wird. Für einige Bauteile wurden Open Source-Alternativen entwickelt und vor allem Sony hilft bei dieser Entwicklung vorbildlich mit. Allerdings gibt es nach wie vor viele dieser schwarzen Flecken, die eingesetzt werden müssen, um die CyanogenMod auf den meisten Geräten zum Laufen zu kriegen.
Trotz der Schwierigkeiten ist das Verhältnis zu Google aber weitestgehend positiv. Nicht nur nutzen viele Google-Mitarbeiter selber die CyanogenMod auf ihren Smartphones, viele Features, die vom CM-Team entwickelt wurden, haben inzwischen den Weg in das AOSP (Android Open Source Project) gefunden, was als großes Kompliment angesehen werden kann.
Mit der Zeit tauchte noch ein ganz anderes Problem auf, das bis heute Bestand hat. Da die Hersteller daran interessiert sind, neue Geräte zu verkaufen, werden ältere Modelle irgendwann nicht mehr mit Updates versorgt. Steve Kondik und andere CM-Entwickler fassten daher den Entschluss, CyanogenMod für so viele Geräte wie möglich anzubieten, um den Besitzern somit die Möglichkeit zu geben, wieder auf den aktuellen Android-Stand zu kommen. Der Kern des Teams kümmerte sich daraufhin verstärkt um die Anpassung des Android-Quellcodes und die Implementierung neuer Features, während immer mehr Device-Maintainer dazustießen, die teilweise in Teams wie dem TeamHacksung oder dem TeamXperia organisiert sind und sich darum kümmern, die jeweiligen CM-Versionen an ein oder mehrere Geräte anzupassen.
Neben Dual-Kamera-Unterstützung und ad hoc-WLAN-Verbindungen bringt CM6 eine große Performance-Verbesserung mit sich.
Die Android 2.3-basierte CM-Version bietet einen neuen Dialer, Updates für den Lockscreen und einige andere neue Features sowie Bugfixes auf viele neue Geräte.
Nach dem gewaltigen Einschnitt, den Android 4.0 darstellt, richtete das Team die Custom ROM neu aus, was zu einer deutlich längeren Entwicklungszeit führte.
Aus der steigenden Anzahl der unterstützten Geräte erwuchsen allerdings auch immer größere strukturelle Probleme – so stieg zum Beispiel auch der Bedarf an Server-Leistung stark an, da für immer mehr Geräte die täglich neuen, experimentellen Nightly-Builds der Custom ROMs kompiliert werden müssen. Die steigenden Kosten für die Anschaffung sowie Unterhaltung der Server wurden durch Spenden aus der Community gedeckt. Das überschüssige Geld wird in die Anschaffung neuer Geräte für die Entwickler gesteckt – die einzelnen Team-Mitglieder verdienen nichts an ihrer Arbeit. Nachdem ein regelmäßig zum Kompilieren genutztes Computer-Cluster Anfang 2012 plötzlich nicht mehr zur Verfügung stand, musste eigene Hardware her, um weiter regelmäßig Nightly Builds zu erstellen. Nach einem Spendenaufruf wurde der benötigte Betrag zwar in wenigen Stunden erreicht, allerdings wurde dem Team klar, dass dies keine Dauerlösung sein konnte.
Im März 2013 endete Kondiks Arbeitsverhältnis bei Samsung etwas überraschend nach 19 Monaten. Zwar hatte er durchaus positive Worte für das Unternehmen gefunden, er kritisierte aber die TouchWiz-Oberfläche als gewaltigen Schritt zurück.
2011 heuerte Steve Kondik überraschend bei Samsung USA an, um Android „noch großartiger zu machen“ – CyanogenMod führte er aber als Nebenprojekt weiter. Im März 2013 endete das Arbeitsverhältnis etwas überraschend nach 19 Monaten. Zwar hatte er durchaus positive Worte für das Unternehmen gefunden, er kritisierte aber die TouchWiz-Oberfläche als gewaltigen Schritt zurück. Mit der Verkündung seines Abschieds deutete er gleichzeitig an, dass er bereits an neuen Projekten arbeite, von denen man schon in Kürze hören werde. Kurz darauf tauchte nicht nur ein Eintrag im Handelsregister auf den Namen Cyanogen Inc., sondern auch ein mysteriöser Countdown auf cyngn.com auf, der letztendlich zwar ereignislos auslief, aber trotzdem deutlich machte, dass hinter den Kulissen einiges in Gange war.
Einige Wochen nach Ablauf des Countdowns kam der Paukenschlag – das CyanogenMod-Team hatte unter dem bereits bekannten Namen Cyanogen Inc. eine Firma gegründet. Das alleine wäre aber noch nicht spektakulär. Doch hinter der Firma steht ein Investor, der das neue Unternehmen mit 7 Millionen US-Dollar fördert, und der ernannte CEO, Kirt MacMaster, hatte bereits Erfahrung als Manager bei Sony America und Sega gesammelt. Ein wichtiger Bestandteil der bekannten Strategie, CM auf so viele Geräte wie möglich zu bringen, ist die Bereitstellung eines vereinfachten Installations-Programms. Dieses gerade erschienene Paket aus Windows-Anwendung und Android App soll den derzeit furchtbar aufwendigen Installationsprozess weitestgehend automatisieren, und somit weniger wagemutigen oder technikaffinen Nutzern die Angst nehmen. Eines der verkündeten Ziele ist es, das drittgrößte mobile Betriebssystem zu werden – mit über 8 Millionen aktiven Nutzern ist Cyanogen Inc. zwar auf dem richtigen Weg, mit einem einfacheren Zugang sollte diese Zahl aber um die nötigen Millionen erweitert werden.
Auch die Community soll unter der Leitung der Firma etwas besser organisiert werden. Die vorgenommen Änderungen sind zwar überwiegend positiv aufgenommen worden, blieben allerdings auch nicht ganz ohne Kritik. Einige Entwickler, die sehr unzufrieden mit dem neu eingeschlagenen Weg sind, haben sich kurzerhand zusammengeschlossen um es mit OmniRom besser zu machen.
Jelly Bean wurde von Google auf drei Versionsnummern aufgeteilt, die jeweils nur kleinere Schritte darstellen. Das CM-Team ist analog dazu auf der Versionsnummer 10 stehen geblieben, hat diese aber auch auf die drei Versionen aufgesplittet. Der mit CM9 bereits zu erkennende neue Fokus auf SicherheitsFeatures wurde unter den CM10-Varianten nochmals deutlich verstärkt. Außerdem wurden die sogenannten Monthly Builds, (stabile Momentaufnahmen des aktuellen Entwicklungsstatus) erstmals eingeführt.
Auf Android 4.1 basierend brachte die CyanogenMod 10 nicht nur einen verbesserten Desktop-Modus mit sich, sondern beinhaltete auch einen neuen Datei-Manager, der zudem auch über Root-Rechte verfügt. Die Entwicklung an CM10 begann noch vor der Fertigstellung einer stabilen CM9-Version.
Während der Entwicklung der CM 10.1 wurden Geräte mit Samsungs Exynos- sowie Nvidias Tegra-Prozessor-Plattformen zunächst ausgelassen. Grund dafür ist die mangelnde Unterstützung der Open-Source-Bewegung durch entsprechende Treiber, die schon lange in der Kritik steht.
Neben den neuen Features wie z.B. Bluetooth Low Energy wurden auch eigene Features in CM 10.2 hinzugefügt, wie eine neue Dialer App und 4K Unterstützung für die Kamera.
Unklar ist darüber hinaus das eigentliche Geschäftsmodell. Wie die Firma, die alternative Firmware kostenlos für eine Vielzahl von Geräten anbietet, Profit erwirtschaften soll, ist noch unklar. Eine Möglichkeit scheint zumindest die Zusammenarbeit mit Hardware-Herstellern zu sein, um die CM als Alternative anzubieten. Mit dem Oppo N1 wird das erste Smartphone nicht nur die Option erhalten, die Custom ROM zu installieren, es wird auch eine CyanogenMod-Edition des Smartphones erscheinen, auf dem die Custom ROM bereits vorinstalliert sein wird.