Smartphone-Sucht: Dieser Begriff klingt eher abstrakt und manch einer mag gar keine Verbindung erkennen – dennoch wird gerade dieses Problem immer mehr zu einer neuen Herausforderung der zunehmend digitalisierten Gesellschaft.
Ich sitze mit Claudia beim Italiener um die Ecke. Eigentlich habe ich mich auf dieses Treffen gefreut, denn wir haben uns schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Doch es kommt anders als erwartet.
Sie setzt sich breit grinsend mir gegenüber an den Tisch und legt ihr Smartphone in der gefühlten Größe eines Frühstücksbrettchens neben sich. „Wie geht es dir?“, frage ich sie. „Prima“, entgegnet sie freudestrahlend. „Ich habe jetzt einen Job bei …“.
Weiter kommt sie nicht, denn das Handy scheppert drauflos. „Sorry“, murmelt sie, greift zu dem Ding und tippt eine ganze Weile irgendeinen Text ins Display. Danach strahlt sie mich wieder an: „Wo waren wir stehen geblieben?“ „Wie es dir geht“, wiederhole ich geduldig.
„Ach so, stimmt. Ich habe jetzt einen neuen Job bei …“, beginnt sie erneut, doch dann faulen mir um ein Haar die Ohren ab, als ohne Vorwarnung Miley Cyrus umher blökt. Ihr Handy „klingelt“.
Ohne ein weiteres Wort nimmt sie den Anruf an, redet eine Weile, legt auf, tippt wieder eine Menge Zeug ins Display.
„Das war voll wichtig“, lässt sie mich noch wissen, doch kaum möchte sie fortfahren, meldet sich mit dem charakteristischen Pfeifton die nächste WhatsApp-Nachricht. Ich gebe es auf.
Für manch einen mag das jetzt noch ziemlich ulkig klingen. Was hier überzeichnet dargestellt wurde, ist ein zunehmendes Phänomen in der Gesellschaft seit dem Siegeszug der Smartphones. Immer wieder lassen wir uns von unserem digitalen Begleiter ablenken, ja, wir machen uns regelrecht abhängig davon. Verpassen wir vielleicht eine wichtige Neuigkeit, wenn wir eine eingehende Kurznachricht vorübergehend ignorieren? Könnte gerade etwas passieren, woran ich nicht teilhaben kann? Wird mir der Chef den Hals umdrehen, wenn ich nicht sofort antworte?
Nach einer Untersuchung der Universität Bonn, die mithilfe der App „Menthal“ durchgeführt wurde, aktivieren wir im Durchschnitt 53 Mal am Tag unser Smartphone. Das bedeutet, dass wir etwa alle 18 Minuten unsere derzeitige Tätigkeit unterbrechen, um uns die neueste Chat-Nachricht oder die neueste Mitteilung vorzunehmen. Dadurch leidet unter anderem die Qualität unserer Arbeit ganz erheblich.
Wer glaubt, ein derartiges Nutzungsverhalten habe keine Konsequenzen, der irrt gewaltig. Fehlende Regenerationszeiten und ständige Erreichbarkeiten machen auf lange Sicht krank und führen zu einem massiven Produktivitätsverlust, auch bedingt durch lange Ausfallzeiten wegen Krankheiten, die aus Erschöpfungssyndromen resultieren. Allerdings kann es auch keine Lösung sein, diese modernen Kommunikationsmittel zu verdammen oder gar zu verbannen.
Iris Dohmen, Betriebspsychologin beim TÜV Rheinland, erläutert hierzu: „Der völlige Verzicht auf digitale Medien ist nicht die Lösung. Im Beruf wie im Privatleben sind sie wertvolle Hilfsmittel: Sie unterstützen beispielsweise bei der Terminverwaltung und stellen den Kontakt zu Kollegen und Kunden, aber auch zu Freunden und Verwandten sicher. Was wir brauchen, ist ein intelligenter Umgang mit dem Smartphone. Das bedeutet, auch bewusst Zeiten der Nichterreichbarkeit einzuhalten. Eine wichtige Grundlage dafür sind klare Vereinbarungen zum Umgang mit den digitalen Medien.“
Bereits bei Kindern nimmt das Nutzungsverhalten mit Smartphones mitunter bedenkliche Formen an. So können Sie gegensteuern.
Apps um sich von der digitalen Welt abzukoppeln
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Alltagsphänomen oder Sucht? Während viele die Entwicklungen lediglich als Zeichen der Zeit abtun, sprechen die Statistiken eine andere Sprache.
Im Vorjahr wurden weltweit mehr als 176 Millionen Suchtkranke gezählt. Als Smartphone-süchtig gelten Personen, die mehr als 60 Mal am Tag eine App aufrufen.
Satte 85% der 12-13-jährigen nutzten bereits 2014 zumindest gelegentlich ein Smartphone.
Unter den Smartphone-Süchtigen sind 10 x mehr Mütter vertreten, als in anderen Nutzergruppen.