Gefühlter Diebstahl und trotzdem ganz legal: So funktionieren kassenlose Läden

Was Deutschland, Österreich und die USA gemein haben? Diese Länder beheimaten die ersten kassenlosen Läden in der westlichen Hemisphäre.  

Mobile Payment, oder das Bezahlen von Einkäufen mit dem Smartphone, erfreut sich unter den Deutschen immer größerer Beliebtheit. Das ergibt eine von den Betreibern der Finanzratgeber-Webseite bezahlen.de1 durchgeführte Analyse zum Thema „Wird Mobile Payment in Deutschland wichtiger?“. Das Ergebnis zeigt nämlich, dass die Transaktionssumme, also die Gesamtheit der mit Smartphones als Zahlungsmittel erzielten Umsätze, von 2015 bis Ende des Jahres um ungefähr 200 Prozent wachsen soll. Anders gesagt: Im Vergleich zu vor drei Jahren soll sich die Anzahl der Deutschen, die ihre Rechnungen per Smartphone bezahlen, im Jahr 2018 mehr als verdreifachen. Bis 2020 soll die Anzahl jener Deutschen noch einmal um etwa 150 Prozent steigen. Doch woher kommt dieses rasante Wachstum?

Experten führen die wachsende Beliebtheit von Mobile Payment in Deutschland auf die Entwicklung des Smartphones zum Standardprodukt zurück. Geht es nach den Verfassern der erwähnten Analyse, besaßen im Jahr 2016 mehr als 85 Prozent der Einwohner, also ungefähr 70 Millionen Menschen, ein solches Gerät. Unter der Annahme, dass 50 Prozent der Smartphone-Besitzer ihr Gerät neben dem Schreiben von SMS und dem Telefonieren auch zum Bezahlen verwenden würden, wäre Mobile Payment die meistgenutzte Bezahloption des Landes.

Diese Entwicklung zum Anlass nehmend, präsentieren wir Ihnen in diesem Artikel den neuesten Trend im Bereich Mobile Payment in der westlichen Hemisphäre: kassenlose Geschäfte. Während dieses Geschäftsmodell nämlich in manchen Regionen Asiens bereits zum Standard gehört, eröffnete Amazon Anfang 2018 das erste derartige Geschäft in den USA. Kurz darauf folgten Pilotprojekte in Österreich und Deutschland.

Wie der Einkauf in diesen Lebensmittel- und Technikläden sowie an Tankstellen funktioniert, erfahren Sie auf den folgenden Seiten. Abschließend präsentieren wir Ihnen sowohl unsere Gedanken zu diesem Thema, als auch die potenziellen Vor- und Nachteile.

Quelle

 

Vom Tauschen zum bargeldlosen Einkauf

Für viele unserer Leser dürfte es zum Alltag gehören, ihre Bankgeschäfte online zu erledigen, Kinotickets per App zu kaufen und Flüge sowie Hotelzimmer im Internet zu buchen. Die Entwicklung hin zu dieser Selbstverständlichkeit dauerte aber Jahrtausende. Erste wirtschaftliche Erfahrungen sammelte der Mensch durch das Betreiben von Tauschhandel. Nach und nach etablierte sich in China die Verwendung von Münzen und den Vorläufern der heutigen Geldscheine als Zahlungsmittel.

Es sollte 1.144 Jahre dauern, bis der Geschäftsmann Frank McNamara den Grundstein für das bargeldlose Bezahlen legte: Im Jahr 1950 präsentierte er mit der „Diners Club“-Karte die erste Kreditkarte der Welt.

Den ersten wichtigen Schritt in Richtung „bezahlen mit dem Smartphone“ setzte 2012 der Softdrink-Hersteller Coca-Cola. Die Getränke einiger Automaten konnten nämlich durch das Senden einer Kurznachricht bezahlt werden. In der unten aufbereiteten Infografik erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen in Sachen “Bezahlung”.

Kassenloses bezahlen per App

AMAZON GO – Erster kassenloser Supermarkt im Westen

Seattle im US-Bundesstaat Washington, Anfang 2018: Amazon eröffnete mit “Amazon Go” seinen ersten Supermarkt ohne Kassen. Das Prinzip hinter dem Pilotprojekt ist einfach: Um den Laden betreten zu können, muss der Kunde die Amazon-Go-App auf seinem Smartphone öffnen und das Display anschließend in Richtung der Schranken am Eingang halten. Bezahlt wird ebenfalls per App. Die Produkte werden bereits beim Herausnehmen aus dem Regal von Kameras im Laden registriert.

Beim Verlassen des Supermarktes werden die Preise der Waren im Einkaufskorb zusammengezählt und ­kurze Zeit später ist die Rechnung im E-Mail-Posteingang. Der Rechnungsbetrag wird über das persönliche Amazon-Konto verrechnet. Für die westliche Welt mag dieses Supermarkt-Konzept neuartig sein, für die Menschen in Shanghai sind Läden wie Amazon Go nichts Neues.

SATURN Express – Experiment in Österreich

Im März 2018 eröffnete der Elektronikfachmarkt Saturn in der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck die erste kassenlose „Express“-Filiale. Ähnlich wie bei Amazon Go bezahlen die Kunden ihre Einkäufe per App.

Nach dem Bezahlvorgang wird die Diebstahlsperre der gekauften Produkte vom Kassensystem deaktiviert. Für die Entwicklung der App engagierte das Unternehmen das Start-up Mishipay.

Anders als bei Amazon Go werden in dieser ersten „Saturn Express“-Filiale einige Mitarbeiter beschäftigt. Die Angestellten stehen den Kunden in technischen Belangen und in Sachen Service mit Rat und Tat zur Seite.

Ob und wann der Elektronikriese mit diesem Projekt nach Deutschland expandiert, hängt vom Erfolg der Pilot-Filiale in Österreich ab. Die Konzernführung hat sich bis dato noch nicht dazu geäußert.

Bezahlmöglichkeiten: Sie können Ihr PayPal-Konto und auch Ihre Kreditkarte mit der “Express”-App verknüpfen und die gewählten Produkte mit einer der beiden Alternativen bezahlen.

SHELL SMARTPAY – Kassenlose Tankstellen

Seit Kurzem können Shell-Kunden ihre Tankfüllungen in Deutschland mithilfe der “Shell”-App bezahlen. Um diesen Service zu nutzen, laden Sie das Programm aus dem Play- oder App Store herunter und installieren es auf Ihrem Gerät. Im zweiten Schritt registrieren Sie sich und legen einen Sicherheitscode fest. Alternativ können Sie Ihr Konto auch mit Ihrem Fingerabdruck absichern. Beachten Sie, dass Sie für die Bezahlung der Treibstoffrechnung ein PayPal-Konto benötigen.

Falls Sie bei einer der teilnehmenden Tankstellen per App bezahlen möchten, suchen Sie in dem Programm nach der Option „Smart Pay“ und tippen anschließend auf „Jetzt tanken“. Nun wählen Sie die Zapfsäule, legen den Zahlungsbetrag fest und befüllen den Tank. Einen digitalen Beleg erhalten Sie via App, eine vollständige Rechnung per E-Mail.

Mehrjährige Testphase: Vor der offiziellen Markteinführung wurde das System an etwa 100 Shell-Tankstellen in Berlin und Hamburg auf Herz und Nieren getestet.

FAZIT: Fluch und Segen

Kassenlose Geschäfte stellen in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung die logische Weiterentwicklung von Mobile Payment dar. Nach der Etablierung auf dem asiatischen Markt wagen neuerdings auch Unternehmen etwa in den Vereinigten Staaten, Deutschland und Österreich mit ersten Pilotprojekten den Vorstoß in dieses Segment.

Die mit der Eröffnung dieser modernen Filialen einhergehenden und linkerhand erwähnten Vorteile für Kunden sprechen für sich. Aus Unternehmersicht dürfte sich die Errichtung von kassenlosen Geschäften etwa aufgrund der Möglichkeit, Personalkosten einzusparen, lohnen.

Dennoch: In Anbetracht der potenziellen Risiken von Mobile Payment bleibt ein bitterer Beigeschmack. Schlussendlich liegt es in den Händen der App- und Systementwickler, die Kundendaten zum Beispiel durch stärkere Verschlüsselung zusätzlich vor Missbrauch zu schützen.