Dem Mobile Gaming gehört die Zukunft, immer mehr Spiele-Entwickler setzen auf Smartphone und Tablet als bevorzugte Plattform. PC und Konsole sind hingegen Dinosaurier, die zwar nicht ganz aussterben, aber von mobilen Geräten als Spieleplattform Nummer 1 verdrängt werden. Doch wie kam es dazu und wie wird es weiter gehen? Eine Analyse.
Als MTV am 1. August 1981 auf Sendung ging, lies der Sender “Video Killed The Radio Star” von den Buggles spielen. Eine unverhohlene Ankündigung, dass das Musikfernsehen dem Radio den Rang ablaufen und zur wichtigsten Vermarktungsquelle für Musik werden würde. Die Jüngeren unter euch wird es vielleicht schockieren, aber es gab tatsächlich mal eine Zeit, in der auf MTV auch Musik lief und nicht Jersey Shore, I used to be Fat, Teen Mom und wie der ganze Pseudo-Reality-Müll sonst noch heißt.
Doch trotz der Tatsache, dass MTV sich heute mit diesem Trash-Programm schmückt, ging der Plan des weltweit ersten Musiksenders auf. Das Radio wurde von seinem bis dahin unangefochtenen Thron gestoßen. Aus heutiger Sicht überrascht das niemanden, denn Fernsehen ist ein attraktiveres Medium als Radio: höhere, landesweite Reichweite, bessere Werbemöglichkeiten, intensiveres Medien-Erlebnis etc. Die Kombination aus Fernsehen und Musik liegt also auf der Hand. Wie gesagt, aus heutiger Sicht.
Denn Menschen neigen dazu, den Status Quo als für immer gegeben anzusehen, ein quasi ewiger Naturzustand. Die Ablösung des Radios durch Musikfernsehen war also undenkbar, bis sie passiert ist. Die Ablösung der VHS ebenso war undenkbar, bis wir auf einmal alle DVDs benutzt haben. Die Ablösung von Nokia als größter Handy- und Smartphone-Hersteller war undenkbar, bis Samsung kam.
Die Geschichte ist voll von ehemaligen Champions und mich beschleicht schon seit einiger Zeit das Gefühl, dass Videospielkonsolen und Gaming PCs bald auch dazu gehören könnten.
Sicher, in Anbetracht des derzeitigen Erfolges von Konsolen und Gaming PCs erscheint diese Prognose absurd. Vor allem Konsolen sind auf dem Zenit ihrer Popularität angelangt: XBOX 360, PS3 und Co. verkaufen sich immer noch hervorragend, mit dem 3DS und der PS Vita gibt es gleich zwei erfolgreiche Handheld-Konsolen am Markt, der Umsatz mit Spielen steigt in immer neue Dimensionen und die nächste Generation steht mit XBOX One und Playstation 4 bereits in den Startlöchern bzw. ist mit der Wii U schon erhältlich.
Es sieht derzeit also rosig für die Hersteller von Gaming PCs und Konsolen aus. Doch die Zukunft zeichnet, denke ich, ein anderes Bild.
Zunächst einmal fehlt der “Buzz”, also die Aufregung um die Nachfolger. Ich habe noch nie erlebt, dass eine neue Konsolen-Generation so wenig Begeisterung auslöst. Gut sechs Monate nach Markteinführung, sind die Verkaufszahlen der Wii U nicht nur katastrophal, vom angestrebten Ziel von 5 Millionen verkauften Einheiten ist Nintendo Lichtjahre entfernt, auch mehr und mehr Spiele-Entwickler ziehen ihre Unterstützung der neuen Konsole zurück. Bestes und zugleich lautestes Beispiel gibt hier EA.
Auch Microsoft macht es nicht besser, die Vorstellung der neuen XBOX One geriet für das Unternehmen zum Desaster. Es war nur allzu sehr deutlich, dass der Konzern aus Redmond seine Konsole als Trojanisches Pferd versteht, um seine eigenen Dienste und Produkte, von Bing über Skype zu Windows Phone, zu pushen und mit der aufgebohrten und an jeder XBOX One integrierten Kinnect-Einheit, Massenweise Nutzerdaten zu sammeln und auszuwerten.
Und Sony? Die Japaner haben sich ein eigenes Loch gegraben, aus dem sie sich nun mühsam buddeln müssen. Erst groß die Marketing-Trommel zur Vorstellung der PS4 zu rühren, um dann die Konsole nicht mal zu zeigen, war halt keine gute Strategie.
Auf der anderen Seite steht das Mobile Gaming. Natürlich kann man die Spiele auf Smartphones und Tablets nicht mit der Qualität von Konsolen oder PC-Spielen vergleichen. Zumindest derzeit, denn auch hier gilt die alte Börsenweisheit: The Trend is your Friend. Denn wichtig ist nicht der Status Quo, sondern die Schnelligkeit der Entwicklung. Es ist noch nicht allzu lange her, dass wir mit unseren Handys nur Snake gespielt haben und Mobile Gaming, wenn überhaupt, nur eine kleine Ablenkung zwischendurch war.
Doch die Entwicklung im Mobile Gaming ist so rasend schnell, dass wir heute eine Grafik und Spieltiefe bewundern können, von der wir vor wenigen Jahren noch nicht mal zu träumen gewagt hätten. Damit sind nicht nur Portierungen wie Grand Theft Auto gemeint, sondern auch speziell für mobile Geräte entwickelte Games. Wer schon mal Modern Combat 4 gesehen hat, gespielt auf einem leistungsstarken Full HD Tablet, weiß genau, was ich meine.
Ja, ich weiß schon, was einige jetzt schreien werden: Spiele auf Smartphones und Tablets werden niemals die Tiefe und grafische Qualität von Konsolen oder PC-Spielen erreichen. Ich kenne diesen Einwand, in meinem Freundeskreis höre ich ihn oft genug. Unabhängig davon, wer nun Recht hat, stelle ich mir aber die Frage, ob Mobile Games überhaupt die gleiche Tiefe und grafische Qualität erreichen müssen? Es geht ja gar nicht darum, Konsolen und den PC zu ersetzen. Auch wenn das Mobile Gaming Konsolen und PC’s überholt hat, wird es immer noch beide Geräte als Spieleplattformen geben und Gamer, die aus Prinzip nur darauf zocken.
Nein, es geht viel mehr darum, was für die breite Mehrheit bereits ausreichend ist. Müssen Mobile Games die exakt gleiche Qualität wie auf Konsolen und PC’s haben? Das denke ich nicht. Für die Mehrheit der Menschen, die bereits spielen und vor allem auch jene, die erst noch damit anfangen werden, werden 70 bis 80 Prozent ausreichen. Der Hardcore-Gamer, der anderthalb Stunden alles einstellt, bevor er überhaupt mit dem Spielen anfängt, wird auch auf mittlere Sicht nicht zum Mobile-Gamer werden. Doch das ist, meiner festen Überzeugung nach, nicht die Mehrheit. Die Mehrheit schreit nicht nach immer besserer Grafik und immer breiterer Spieltiefe, sondern will nur für einen kurzen Augenblick unterhalten werden.
Und für diesen kurzen Augenblick, für diesen Moment, werden Smartphones und Tablets ausreichend sein. Das gilt vor allem auch dann, wenn man die Kosten vergleicht. Ein Smartphone besitzt man sowieso und immer mehr Menschen nennen auch ein Tablet ihr Eigen. Eine Spielkonsole muss dagegen angeschafft werden und das nicht ganz billig. Noch sind die Preise nicht offiziell, aber zumindest Amazon listet XBOX One und die PS4 bei 599 Euro. Den Vogel schießt hier natürlich eindeutig der PC-Gamer ab, der so gut wie jedes Jahr seinen Computer aufrüsten muss. An dieser Stelle einen herzlichen Gruß an meinem Bruder, einen PC-Gamer, und an seine neue Grafikkarte für fast 400 Euro! Auch die Unterhaltskosten sind bei PC’s und Konsolen um ein vielfaches höher. Derzeit kosten Spiele zwischen 50 und 70 Euro. Und Spiele der nächsten Generation werden mit Sicherheit teurer werden, der aktuelle Platzhalter für PS4-Spiele liegt auf Amazon bei 99 Euro!
Diese Preise sind für einen Hardcore-Gamer vielleicht in Ordnung, aber sobald das Mobile Gaming eine echte Alternative darstellt, werden immer weniger Menschen bereit sein, solche Mondpreise zu zahlen.
Mittlerweile sehen auch die Spiele-Hersteller diesen Trend und stellen sich darauf ein. Cevat Yerli, Chef von Crytek, hält Konsolen für tot und setzt sein Geld lieber auf Tablets. Auch Take Two, immerhin Entwickler von Perlen wie Bioshock oder Grand Theft Auto, will beispielsweise seine neusten Games zeitgleich auch auf Tablets herausbringen und rechnet damit, dass innerhalb der nächsten drei Jahre Tablets so leistungsfähig werden, dass Spiele praktisch gleichzeitig veröffentlicht werden können. Damit sind wir bei der parallelen Entwicklung für PC, Konsole und Smartphone bzw. Tablet angelangt. Um Kosten zu sparen, orientieren sich die Spiele-Hersteller dabei immer am unteren Ende. Davon können PC- und PS3-Spieler schon lange ein Liedchen singen, denn ihre Multi-Plattform-Spiele erreichen immer nur die maximale Qualität der XBOX 360, dem unteren Ende. Das gleiche wird auch bei Smartphones und Tablets passieren. Selbst wenn PC und Konsole auf lange Sicht hin leistungsfähiger bleiben, werden alle Multi-Plattform-Spiele sich dennoch an der Hardware von Smartphones und Tablets orientieren (müssen).
Aber auch die dahinterliegenden Ökosysteme sind beim Mobile Gaming ausgereifter. Zwar lassen sich die Entwickler derselben auch ordentlich dafür entlohnen, Apple und Google nehmen beispielsweise 30 Prozent des Verkaufspreis, doch lohnt sich dieser Abschlag aufgrund der größeren Reichweite und einfacheren Vermarktung dennoch. Vom Wegfall der Transport- und Verpackungskosten von Spielen ganz zu schweigen. Nach dem Motto “Kleinvieh macht auch Mist” stellen sich die Publisher mehr und mehr auf die Erfordernisse des Mobile Gaming ein. Probe-Versionen, Freemium-Angebote mit In-App-Käufen usw. sind der Trend der Stunde. Das aufwendig von EA entwickelte Real Racing 3, mit seiner Grafik- und Spieltiefe auf Konsolenqualität, setzt zur Finanzierung konsequent auf In-App-Käufe.
Dieser Entwicklung kann man natürlich kritisch gegenüberstehen, auch ich bin nicht mit allem glücklich, aber man muss sie zumindest anerkennen.
Zugegeben, auch beim Mobile Gaming ist natürlich nicht alles Gold, was glänzt. Trotz des enormen Zuwachses der letzten Jahre, sind Smartphones und Tablets immer noch nicht so leistungsfähig wie ihre Konkurrenten aus dem PC- und Konsolen-Lager. Ebenfalls ist das Input-Problem noch nicht gelöst, denn wo eine Steuerung über Touchscreen bei Spielen wie Angry Birds oder Cut the Rope funktioniert, versagt sie doch bei Games, die auf eine präzise Eingabe angewiesen sind. Auch stellt sich die Frage, ob es dauerhaft wirklich Lust macht, am relativ kleinen Display von Smartphones und Tablets zu zocken?
Doch all diese Einwände, so berechtigt sie sind, sind lösbar. Touchscreens mit haptischem Feedback, eine von allen Herstellern gleich implementierte Lösung für die Verbindung von Smartphones bzw. Tablets an den TV, die flächendeckende Unterstützung von Bluetooth-Controllern usw. weisen den Weg in diese Richtung. Von innovativen Produkten wie der OUYA oder NVIDIA’s Project Shield ganz zu schweigen.
Das alles zeigt, dass PC und Konsole als Spieleplattform Dinosaurier sind. Sie werden zwar nicht ganz aussterben, aber genauso abgelöst wie damals das Radio oder die VHS und einen immer geringeren Teil des Gaming-Markts für sich einnehmen. Dem Mobile Gaming hingegen gehört die Zukunft, es ist die Spieleplattform des 21. Jahrunderts.
Wie sieht denn eure Meinung zum Thema aus? Seid ihr heißblütiger Verfechter einer oder beider Plattformen und hat euch dieser Kommentar das Blut zum kochen gebracht? Oder glaubt ihr ebenfalls, dass dem Mobile Gaming die Zukunft gehört?