Hast du dir schon einmal Gedanken gemacht, wie du dein Smartphone in zehn Jahren bedienen wirst? Wenn die altersbedingte Sehschwäche unwiderruflich deine Augen zum Zwinkern bringt, jedesmal, wenn du im künstlichem Licht etwas lesen musst?
Ist dir klar, dass die Icons auf deinem Smartphone, die dir heute noch riesig vorkommen, dann viel zu klein sein werden? Du wirst sie kaum erkennen können, wirst nichts sehen und enttäuscht dein Handy zur Seite legen. Vielleicht hast du einige Kurzwahltasten für deine favorisierten Kontakte. Die kannst du ja noch anrufen, aber die Zeiten von SMS, Surfen und Installieren von Apps sind dann vorbei. Klar, du kannst dir eine Lesebrille besorgen. Aber was, wenn du die gerade mal nicht dabei hast? Und was, wenn der technische Fortschritt bei den mobilen Geräten so weitergeht wie bisher oder sich sogar noch beschleunigt? Wirst du mithalten können?
So viel ist sicher: Einige technikaffine Mitbürger werden es schaffen, der Großteil aber sicher nicht. Auch die meisten Senioren von heute verwenden kein Smartphone. Viele können mit der Touchbedienung einfach nichts anfangen. Einige tippen zu zaghaft, weil sie befürchten, andernfalls das Display zu zerbrechen oder sich zu vertippen. Andere wiederum tippen zu grob und lösen ungewollte Aktionen aus, die sie nicht mehr rückgängig machen können. Dies ist keine Vermutung, dies hat eine Studie belegt, die von Emporia in Auftrag gegeben wurde.
Emporia ist jenes Linzer Unternehmen, das gegen den Mainstream schwimmend die Handys nicht kleiner und komplizierter macht, sondern größer und einfacher. Emporia produziert Handys für Senioren. Bisher nur sogenannte Featured Phones – in Zukunft denken die Verantwortlichen aber auch an Smartphones. Freilich nicht gleich an herkömmliche Smartphones, vielmehr soll zunächst einmal das konventionelle Feature-Phone mit Smartphones kommunizieren können.
Und genau so ein Phone wurde auf der IFA nun vorgestellt. Das neue smarte Designhandy heißt emporiaCONNECT und mit seiner Hilfe und der Service App emporiaME soll es möglich sein, das Handy der betagten Eltern mit dem eigenen Smartphone zu verwalten. Aber auch das Übertragen von Kalendereinträgen und Erinnerungen etwa an die Pilleneinnahme ist ebenso möglich, wie etwa das Anzeigen von eigenen Fotos am Handy der Eltern.
Emporia ist dabei, den Weltmarkt zu erobern, Russland, Hong-Kong und die USA wurden bereist erobert, Österreich sowieso. Vier Prozent aller in Österreich verkauften Handys stammen von Emporia. Das ist wenig, in Anbetracht der Tatsache, dass der Anteil der Senioren an der Bevölkerung inzwischen bei mehr als 20 Prozent liegt.
Aber wer kauft sich schon gerne ein Senioren-Handy? Sicherlich würden es einige 30- oder 40-Jährige gerne tun, weil sie kein Smartphone brauchen und mit einem Seniorenhandy besser zurechtkommen, aber werden sie damit nicht automatisch zu Senioren abgestempelt? Simple Phone hört sich schon besser an. Egal, wie man die Dinger nennen möchte, der Markt an solchen Geräten wird angesichts des prognostizierten demografischen Wandels deutlich wachsen. Und wenn heute ein 70-Jähriger kein Handy besitzt, dann heißt das ja noch lange nicht, dass ein Gleichaltriger in zehn Jahren keines haben möchte. Die Menschen werden, was die Affinität zu neuen Technologien betrifft, genaugenommen sogar jünger.
Das Potenzial hat nicht zuletzt auch der japanische Technologiekonzern Fujitsu erkannt, auch wenn – oder gerade weil – die Elektronikindustrie in Japan die Smartphone-Revolution etwas verschlafen hat. Fujitsu zielt mit seinen Handys ebenso wie Emporia auf ältere Menschen ab. Mit Samsung und Apple zu konkurrieren macht ohnehin nicht viel Spaß und auch keinen Sinn, also entwickelt man spezielle Geräte für die Generation 65 plus. Allerdings setzen die Japaner im Gegensatz zu Emporia auf reine Smartphones. Die Technologie wird bei Fujitsu „Raku-Raku“ genannt, was übersetzt so viel wie „einfach, einfach“ bedeutet und Kunden mit spezifischen altersgerechten Features wie einer optimierten Touch-Bedienung und Sprachwiedergabe locken soll.
Und der Erfolg gibt dem Unternehmen Recht: Seit Einführung der ersten Raku-Raku-Generation hat der Konzern eigenen Angaben zufolge bereits 20 Mio. Geräte verkauft. Und nun soll mit dem „Stylistic S01“, dem ersten Smartphone der Seniorenserie von Fujitsu, auch in Europa der Markt aufgemischt werden. Vorerst soll das Android-Modell mit 4-Zoll-Display aber nur in Frankreich vertrieben werden.
Konkrete Features für diese Zielgruppe finden sich beispielsweise im Bereich der Touchscreen-Bedienung. Hier werden die einzelnen Kommando-Schaltflächen und Buttons deutlich größer dargestellt als auf normalen Handys und reagieren erst bei stärkerem Druck. Wird eine Telefonnummer eingetippt, erhält der Nutzer nach jeder Ziffernwahl zudem eine leichte Vibration als Bestätigung der Eingabe. Dadurch sollen Falscheingaben verhindert werden. Auch das Display ist generell heller eingestellt, was die Lesbarkeit verbessern soll.
Ob Smartphone for 60+, Simple Phone oder Senioren-Handy, egal wie diese Geräte heißen mögen, es wird sich ein Massenmarkt entwickeln, in dem als Hersteller auch ein österreichisches Unternehmen aus Linz mitmischen wird.