Besitzen ist out, teilen ist total angesagt und Smartphones ermöglichen dies auf einem ganz neuen Level. Die Sharing Economy wird oft als der neue Goldrausch der Digitalbranche bezeichnet, steht jedoch gleichzeitig stark in der Kritik. Grund genug für einen genaueren Blick auf das Phänomen.
Dies ist zwar nachvollziehbar, denn wer Geld irgendwo reinsteckt, will auch etwas wieder rausbekommen, allerdings ist dieser Schritt sehr schwierig, da die einst so starke Community nun die Plattform verlassen, da sie ihre Ideale verkauft sehen.
Das heißt allerdings nicht, dass dieses Schicksal allen idealistischen und nichtkommerziellen Plattformen der Sharing Economy blüht, allerdings werden die kommerziellen Vertreter in der Öffentlichkeit deutlich stärker repräsentiert. Und auch Unternehmen, die derzeit ihre Dienste noch kostenlos anbieten überlegen bereits, wie sie die Plattform monetarisieren können, ohne den Grundcharakter zu zerstören. So ganz ohne Geldwechsel und nur auf Idealen basiert, scheint es also leider nicht zu gehen. Dabei war die Grundthese der Sharing Economy, die der Harvard-Ökonom Martin Weitzman in den 1980ern in seinem gleichnamigen Buch so einfach wie schön aufgestellt hat: „Der Wohlstand für alle erhöht sich, je mehr alle Marktteilnehmer miteinander teilen“.
Doch wenn alle Welt nur noch teilt, statt zu kaufen, müsste doch der Konsum generell deutlich schrumpfen und unser Wirtschaftssystem gehörig ins Wanken kommen? Diese beliebte Befürchtung trifft zum Glück nicht zu, denn das Geld, das der Einzelne durch das Tauschen und Teilen spart, gibt er an anderer, sinnvollerer Stelle wieder aus. Natürlich bedeutet dies für einige Vertreter der alten Wirtschaft, dass ihr Geschäftsmodell in Zukunft nicht mehr funktionieren kann, da die Verkaufszahlen deutlich sinken werden, aber so ein Geschäftsmodell lässt sich ja auch anpassen und ganz wegfallen wird der Konsum auch nicht, denn irgendwer muss ja die Dinge kaufen, die geteilt werden. Allerdings ist hier auch davon auszugehen, dass die Konsumenten verstärkt qualitativ hochwertige und langlebige Geräte kaufen werden, damit diese sich möglichst lange teilen lassen.
Lassen die gemeinnützigen Sharing-Angebote bei einigen noch die Angst aufkeimen, dass uns nun eine Art digitaler Kommunismus ins Haus steht, verfliegt diese Sorge bei genauerer Betrachtung der größeren Unternehmen in der Sharing Economy wieder. Hier gilt nämlich das Motto: „Alles was du besitzt und nicht ständig benutzt, hat einen Wert!“ Egal ob Bohrmaschine, Brotbackautomat, Tennisschläger, Klamotten oder Auto, alles kann gegen einen geringen Betrag geteilt werden. Dies hat bereits zu Kritik an dem Namen Sharing Economy geführt, denn wenn man es genau nimmt, wird eher ge- und vermietet, als geteilt. Doch das hindert die Unternehmen nicht, sich das Label Sharing Economy auf die Fahnen zu schreiben. Oder vielmehr deren Investoren, denn Airbnb, Uber & Co sind dank massiver Risikokapitalspritzen inzwischen milliardenschwer. Und diese Investitionen sollen sich ja schließlich auch rentieren, also müssen die Unternehmen anfangen, die ursprünglich mal idealistischen Geschäftsmodelle zu monetarisieren. Und da die Investoren sehr viel Geld in Uber (Schätzwert 17 Milliarden US-Dollar), Airbnb (Schätzwert 10 Milliarden US-Dollar) und viele andere Unternehmen der Sharing Economy gesteckt haben, sorgen vor allem die größeren Unternehmen mit ihrem Vorgehen für Kritik und Gegenwind aus den alten Branchen, die sie angreifen.
Das Teilen hebt den Wohlstand für alle Marktteilnehmer
Aber warum die Kritik? Diese selbsternannt disruptiven Unternehmen machen sich doch nur die neuen Technologien zunutze, um eine derzeit im Stillstand befindliche Branche aufzurütteln, und neu aufzuziehen, oder etwa nicht? Die Antwort ist ein klares Jein. Natürlich nutzen die Unternehmen der Sharing Economy neue Technologien wie etwa Smartphones. Man kann sogar so weit gehen, zu behaupten, dass viele ohne die Massenverbreitung von Smartphones gar nicht existieren würden. Gut, Unternehmen wie die Zimmervermittlung Airbnb hätte auch ohne Mobile Devices eine Chance gehabt, doch für Uber, Car2Go und eigentlich alle Anwendungen und Plattformen, die auf der Location der Nutzer basieren, ist ein Smartphone für die Nutzung eigentlich unabdingbar. Ohne die Ortung des Standpunktes wüsste der Uber-Fahrer nicht, wo er den Fahrgast abholen muss, und dieser wüsste im Gegenzug nicht, wer ihn da eigentlich abholt. Und sie bieten noch einen bedeutenden weiteren Vorteil, man kann nämlich auch die Zahlung bequem darüber abwickeln. Das erspart einige potenziell unangenehme Momente, etwa wenn man sich eine Bohrmaschine von einem bisher unbekannten Menschen in der Nachbarschaft ausleiht. Dadurch wird die Abwicklung deutlich angenehmer und die Nutzer sowie der geteilte Gegenstand stehen im Mittelpunkt und die Teilnehmer müssen sich nicht als Kleinstunternehmer fühlen – obwohl sie dies ja eigentlich sind, was auch nicht ganz unproblematisch ist.
Letztendlich sind die Nutzer der Sharing Economy aber genau das: Kleinst- oder Mikrounternehmer. Sie teilen gegen Geld ihre Güter. Und genau das macht die Sache aus mehrerlei Hinsicht schwierig. Zunächst einmal, weil die Unternehmen nur noch die Plattform bereitstellen, die Arbeit aber komplett die Nutzer machen müssen – für diesen Aufwand, der ohne Zweifel geringer ist als bei vielen Unternehmen der alten Ökonomie, kassieren die Unternehmen der Sharing Economy aber eine kleine Gebühr. Sie sind also die Mittelmänner, von denen sie immer behaupten, dass sie ausgelassen werden.
Das “Sharing” der eigenen Arbeitskraft hat seine Schattenseiten
Ein weitaus größeres Problem sehen darin die Gewerkschaften. Während die Betreiber der Sharing-Economy-Plattformen ihre Dienste gerne als tolle Sache anpreisen, mit der die Nutzer sogar noch ein Geld verdienen können, untergraben sie nach Ansicht der Gewerkschaften das Arbeitsrecht. Jemand der für Uber Autofahrten anbietet oder über eine Putzkraftvermittlung wie z.B. Helpling Reinigungsarbeiten anbietet, tut dies ohne Tariflohn, Arbeits- oder Gesundheitsschutz und trägt demnach das Risiko komplett alleine – der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Rainer Hoffmann, spricht in diesem Zusammenhang sogar von „Moderner Sklaverei“. Dazu kommt, dass es unheimlich schwer ist, über die Sharing Economy seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, und die Menschen, die dies versuchen, es meistens eben nicht nur aus Spaß und Idealismus machen, sondern um zu überleben. Ein weiterer Kritikpunkt ist hier zudem der ungleiche soziale Zugang zur Sharing Economy – nur wer Besitztümer und dementsprechend einen gewissen Wohlstand hat, kann diesen auch mit anderen teilen. Auf der anderen Seite ist die Sharing Economy für viele Nutzer die einzige Möglichkeit jemals, wenn auch nur kurzzeitig, am Wohlstand teilzuhaben. Und wer bereits einen gewissen Wohlstand genießt, kann nicht nur Dinge vermieten, sondern dadurch auch noch Geld verdienen und seinen Wohlstand somit noch weiter vergrößern. Wer also eine schicke Wohnung in einem angesagten Stadtteil hat, wird über Airbnb mehr Geld dafür verlangen können und auch mehr Mietanfragen bekommen, als jemand der in einem Plattenbau außerhalb des Stadtzentrums wohnt – und wer sich kein Auto leisten kann, kann auch nicht bei Uber fahren. Aber auch die Unternehmen bereichern sich am Ende an dem, was andere besitzen und anbieten. Zudem werden menschliche Beziehungen zur Ware, an der sich Unternehmen bereichern. Allerdings ist das für die Nutzer nicht schlimm, da sie ja die Geschäfte nicht mit den Unternehmen, sondern mit den privaten Anbietern machen. Und generell finden die meisten Konsumenten es positiv, wenn das Geld in den Händen von Mitmenschen statt bei Großkonzernen landet.
Aber nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch die Finanzämter stehen der Sharing Economy kritisch gegenüber. Denn eigentlich sind alle, die ihre Dienste auf diesem Wege anbieten, selbstständig tätig und müssten eigentlich entsprechend Steuern abführen. Doch das macht so gut wie niemand und selbst wenn, wäre dies gar nicht so einfach, denn das Steuersystem ist nicht auf den Tauschhandel oder Verleih durch Privatpersonen ausgelegt. Eine Anpassung ist hier dringend nötig, wird aber nicht von heute auf morgen umsetzbar sein.
Handlungsbedarf sehen auch die Vertreter der alten Ökonomie und zwar von Seiten der Politik. Die Hotelbranche hat eine härtere Regulierung von Diensten wie Airbnb gefordert, da diese sich an keine der Vorschriften und Sicherheitsbestimmungen halten müssen und dadurch klar im Vorteil sind und auch die Taxibranche ist massiv gegen Uber auf die Barrikaden gegangen und das mit Erfolg. Doch ganz so schwarzweiß lässt sich die Angelegenheit dann auch wieder nicht sehen. Es ist richtig, dass die Politik handeln und die Sharing Economy regulieren muss, aber dafür muss sie sie erst einmal verstehen. Erfahrungsgemäß könnte dies lange dauern, was jedoch neue Probleme mit sich bringt, denn die Sharing Economy entwickelt sich in einem sehr rasanten Tempo und wird alle nur erdenklichen Schlupflöcher nutzen um dieses Wachstum beizubehalten.
Nun kann man diesen von Airbnb und Uber praktizierten und durch Risikokapital befeuerten Turbokapitalismus natürlich per se verteufeln, aber damit würde man verkennen, dass die Zeiten sich nun mal ändern und das Internet einen immer größeren Einfluss auf unsere Gesellschaft hat. Regulierungen sind nötig, allerdings sollten sie die boomende Sharing Economy in eine sinnvolle Richtung lenken und sie nicht sinnlos ausbremsen und blockieren, nur um die alten Branchen vor neuem Wettbewerb abzuschirmen. Die Sharing Economy wird zwar oft als der Goldrausch unserer Generation bezeichnet, doch es liegt an der Politik, zu entscheiden, wie lange dieser Goldrausch letztendlich anhält. Die Sharing Economy wird sicherlich nicht unsere bisherige Ökonomie ersetzen oder verdrängen, aber sie wird in sehr vielen Bereichen eine sehr mächtige Ergänzung darstellen und verschwinden oder gar schrumpfen wird sie so schnell ganz bestimmt nicht.