Vor einigen Tagen hat die Meldung, dass Hugo Barra, einer der Google Vice Presidents und Android-Führungspersonen, das Unternehmen verlässt um beim chinesischen Smartphone-Hersteller Xiaomi anzuheuern, für große Überraschung und einige fragende Gesichter gesorgt. Xiaomi? Wer ist Xiaomi? Wir gehen dieser Frage nach und werfen etwas Licht auf das schnell wachsende Unternehmen.
Von dem chinesischen Hersteller Xiaomi (gesprochen Schao-Mi) werden bisher nur die Wenigsten gehört haben, was nicht weiter verwunderlich ist. Das Unternehmen existiert erst seit 2010, hat das erste Smartphone 2011 auf den Markt gebracht und vertreibt seine Geräte bisher ausschließlich in China, Hongkong und Taiwan. In Europa sind die Smartphones bestenfalls als Import erhältlich und somit nur für Geeks, die tief in der Materie stecken wirklich spannend. Trotzdem ist es dem kleinen chinesischen Unternehmen gelungen, mit Hugo Barra eine der Android-Schlüsselfiguren von Google abzuwerben. Wie konnte dies gelingen und welches Ziel verfolgt Xiaomi mit diesem Schachzug?
Auch wenn Xiaomi erst vor drei Jahren gegründet wurde, kann das Unternehmen bereits eine große Erfolgsgeschichte vorweisen. Im vergangenen Jahr konnten über 7 Millionen Smartphones abgesetzt werden und für 2013 wird erwartet, dass die Zahl nochmals mehr als verdoppelt wird. Dabei wird ein Umsatz von über 10 Milliarden Renminbi (1,23 Milliarden Euro) erwartet. Natürlich gehört Xiaomi damit zwar bei weitem nicht zu den größten chinesischen Smartphone-Herstellern, aber sicherlich zu den am schnellsten wachsenden.
Diese hohen Absatzzahlen werden vor allem dadurch erreicht, dass die Smartphones zu sehr niedrigen Preisen verkauft werden. Dabei bieten die Modelle aber nicht etwa eine dem Preis entsprechende Qualität, sondern sind, ganz im Gegenteil, im High End-Bereich zu finden. Das Xiaomi M2 zum Beispiel kann von den Spezifikationen durchaus mit Spitzenmodellen wie HTC One oder Samsung Galaxy S4 mithalten, kostet mit 1.900 Renminbi (Umgerechnet knapp 247 Euro) allerdings weniger als die Hälfte. Dies wird zum einen dadurch erreicht, dass die Geräte zum Herstellungspreis verkauft und zum anderen, dass die Smartphones ausschließlich über die eigene Webseite vertrieben werden. Dadurch können die Kosten für ein Sales-Team sowie die Margen für die Zwischen- und Einzelhändler eingespart werden. Aber wie kann ein Unternehmen Gewinn machen, wenn die Smartphones zum Selbstkostenpreis angeboten werden?
Lei Jun, CEO von Xiaomi hat nach eigener Aussage früh erkannt, dass mit den Hardware-Verkäufen langfristig kein Unternehmen aufgebaut werden kann, da die Umsätze seiner Meinung nach nicht ewig so hoch bleiben werden, wie es momentan der Fall ist, und vergleichbar zu den PC-Verkäufen in den 2000ern in absehbarer Zeit zurückgehen werden. Stattdessen ist es wichtig, dem Kunden Services anzubieten. Und damit diese Services möglichst viele Nutzer finden, muss die Hardware entsprechend günstig angeboten werden. Dieser Ansatz erinnert nicht zufällig an Googles Strategie für Android, die Nexus-Geräte und die Play Services, denn Jun war mehrere Jahre in Mountain View tätig, woher er natürlich Hugo Barra kennt.
Damit diese Services aber genügend Geld abwerfen, verfolgt Xiaomi andere Veröffentlichungszyklen für die eigenen Smartphones. Statt wie andere große Hersteller alle 6 Monate ein neues Spitzenmodell auf den Markt zu bringen, kann es bei dem chinesischen Unternehmen schon mal 18 Monate dauern. Die Kunden scheint es allerdings nicht zu stören, denn die Chargen von 300.000 Geräten sind im eigenen Online Shop meistens schon nach wenigen Minuten ausverkauft. Ein weiterer Punkt, über den Xioami Gewinn einfährt, ist Zubehör. Wenn man ein Smartphone bestellt, kann man gleich aus einer breiten Palette an passenden Accessoires auswählen – ein Bereich in dem Google bisher kläglich versagt hat (Stichwort Nexus 4 Charging Orb).
Hugo Barra soll das Unternehmen nun als Vice President of Xiaomi Global bei der weiteren Expansion unterstützen, denn Lei Jun will sich nicht nur auf China, Hongkong und Taiwan limitieren. Die Erfahrung, die Barra über Jahre bei Google sammeln konnte, sowie das dabei erworbene Gespür, was international Erfolg haben kann, soll Xiaomi bei der globalen Expansion helfen.
In der nahen Vergangenheit haben bereits mehrere chinesische Smartphone-Hersteller diesen Schritt gewagt, allerdings kann lediglich Huawei dabei einen gewissen Erfolg vorweisen, wobei Huawei noch längst nicht als Tophersteller wahrgenommen wird. Xiaomi hat dabei allerdings durchaus Potenzial, denn nicht nur bei Hardware und Preis kann das Unternehmen auftrumpfen, auch in Sachen Software scheint Xiaomi einiges verstanden zu haben. Die eigene Android-Variante, MIUI, die trotz Ähnlichkeiten zu Apples iOS auch als Custom ROM international durchaus beliebt ist, wird durch regelmäßige Updates weiterentwickelt. Die Aktualisierungen kommen einmal pro Woche raus und die Entwickler nehmen sich das Feedback der Nutzer sehr zu Herzen. Eine Vorgehensweise, die unter den großen Herstellern gerne mehr Nachahmer finden darf.
Auch bei den Geräten selber wird den Nutzern einiges Mitspracherecht eingeräumt. Fans konnten bei vergangenen Modellen mitbestimmen, wie viel Speicher verbaut sein soll, wie dick das Gerät sein soll und ob auf der Rückseite ein LED-Blitz vorhanden sein soll, oder nicht. Diese offene Herangehensweise unterscheidet das Unternehmen deutlich von den großen der Branche, wie Apple, mit denen Xiaomi sehr häufig verglichen wird. Lei Jun war als selbsterklärter Mobiltelefonsüchtiger in der Vergangenheit mehrfach von der Resistenz der großen Hersteller gegenüber Verbesserungsvorschlägen genervt und wollte es mit seinem eigenen Unternehmen besser machen, um die optimalen Endgeräte für die Kunden bereitzustellen. Ob diese Haltung sich zusammen mit der Expertise von Hugo Barra auch auf den internationalen Markt ausweiten lassen bleibt abzuwarten, das nötige Potenzial für einen weltweiten Erfolg bringt Xiaomi aber allemal mit.
(via The Verge, New York Times und All Things D)