Handy-Käufer sind Gewohnheitstiere: Einmal iPhone – immer iPhone. Einmal Samsung – immer Samsung. Die Vorzüge des jeweils anderen Systems lernen viele Nutzer nie kennen. Bei unseren Autoren ist das nicht anders – im Redaktionsalltag ergibt sich zwar immer wieder Kontakt zur „anderen Seite“ – außerhalb des Büros kehrt man dennoch gerne zur gewohnten Plattform zurück. Unser iOS-Spezialist Thomas Widter und Martin Reitbauer (SMARTPHONE- und Android Magazin-Chefredakteur in Personalunion) verlassen Ihre Komfort-Zone und wechseln für eine Woche die Seiten. Hier schildern euch die beiden Redakteure ihre Erfahrungen und geben letztendlich ein Fazit.
Das iPhone 6S ist bei der Übergabe leer. Danke auch, Thomas. Vom Lightning-Stecker des Ladekabels bin ich jedoch auf Anhieb begeistert – keine Fummelei, kein Falschrum-Einstecken, wie ich das von meinen Android-Geräten kenne. Aber das iPhone lädt langsam: Die 50% sind erst nach einer Stunde erreicht. Mein S6 schafft das in 30 Minuten.
Nun ist das iPhone vollständig konfiguriert, meine GMail-Adressen sind eingetragen, ebenso meine Google-Kalender – ohne die geht bei mir nichts. Eines finde ich in der Mail-App gleich auf Anhieb cool: Ist im Text ein Datum enthalten, kann ich mit einem Tipp einen Kalendereintrag erstellen. Ich frage mich, warum GMail und Inbox das nicht können.
Als nächstes steht die Heimfahrt an – mit einem Umweg über eine Packstation, von der ich nur die Adresse kenne. Bringt mich Apple Maps ans Ziel? Ich habe über den Kartendienst nicht viel Gutes gehört, werde aber positiv überrascht: Die Adresseingabe per Sprachkommando funktioniert, die Fahranweisungen kommen rechtzeitig.
Die Kamera des iPhone 6S hat einen guten Ruf – jene meines Galaxy S6 kann sie bei der Foto-Qualität aber nicht übertrumpfen. Außerdem ist der Gratis-Speicher in Apples iCloud-Fotomediathek mit 5 GB begrenzt – bei Google Fotos auf meinem Galaxy S6 habe ich (mit minimalen Abstrichen bei der Qualität) unendlich viel Speicher zum Nulltarif.
Als frustrierter Nutzer von Googles Sprachassistenten „Google Now“ bin ich gespannt, wie sich Apples „Siri“ im Alltag schlägt. Die Latte liegt nicht hoch: Google Now auf meinem Samsung ist fürchterlich schlecht. Selbst beim Versenden einer kurzen SMS versagt es meist, von komplexen Aufgaben ganz zu schweigen. Siri dagegen ist mir gleich von Anfang an sympathisch: Nicht nur reagiert sie schneller – sie ist auch viel geduldiger und bricht die Befehlseingabe nicht nach einigen Sekunden ab, wie Google Now das tut. Das Verschicken von Nachrichten und Anlegen von Erinnerungen funktioniert perfekt. Nur WhatsApp-Nachrichten kann ich mit Siri nicht verschicken – Google Now beherrscht das seit kurzem. Was wiederum für Siri spricht: Ist sie mit einem Sprachbefehl überfordert, klatscht sie nicht wortlos eine Liste mit Suchmaschinen-Einträgen hin, sondern sagt bescheiden „OK, ich habe das hier gefunden“.
Das Komplett-Backup von iOS macht mich als Android-Nutzer neidisch: Ich brauche nur einen Schalter in den iCloud-Einstellungen umzulegen, um die Inhalte des iPhones (fast) vollständig auf Apples Servern zu sichern. Da können sich Google und Android ein Scheibchen abschneiden.
Das iPhone hat vieles zu bieten, was mir gefällt: die einfache, automatische Datensicherung per iCloud, die Navigation mit Gesten in Menüs und mit Siri eine viel bessere Sprachassistenz. Außerdem kommen Updates für das Betriebssystem regelmäßig und zeitgleich auf alle Geräte. Um die Vorteile von iOS aber voll zu nützen, müsste ich mit Haut und Haar ins Apple-Camp wechseln: Fotos in die iCloud statt in Google Fotos, als Browser Safari verwenden statt Chrome, meine Passwörter sämtlich in den iCloud-Schlüsselbund legen statt in die App „Last Pass“, Apple TV statt Chromecast verwenden … ich bin nicht bereit, das zu tun. Die Vielfalt und Anpassbarkeit des Android-Ökosystems ist mir zu wichtig.
Die Hardware von Martins Samsung S6 ist edel, keine Frage. Trotzdem fühlt sich das Handy in meinen Händen etwas fremd an – und kantiger als mein iPhone 6S. Die Vibration ist mir zu ruppig, die werde ich gleich mal deaktivieren.
Also weg mit der Tastaturvibration. Nur: Wo genau geht das? Vom Startbildschirm hat Martin die Einstellungen verbannt, in der „Menü“ genannten App Drawer werde ich fündig. In „Töne und Benachrichtigungen“ führe ich schließlich meine erste Mission zur Verbesserung von Android zum Erfolg.
So, jetzt mal in Ruhe das OS begutachten. Ist ja nicht so easy mit Android, bei all den unterschiedlichen Skins und Zusatz-Apps – je nach Handy-Hersteller. Für einen langjährigen Apple-Fan kann diese Variantenvielfalt auch eher verwirrend als willkommen sein.
Manches am Samsung S6 wirkt wie zusammengewürfelt: Manche Apps stammen von Google, andere von Samsung, viele sind doppelt. Positiv ist: Man hat sofort eine Wahlmöglichkeit. Bei iOS ist der Aufwand größer, wenn man als Neuling eine alternative Mail-App verwenden will.
Im Lauf der Testwoche arrangiere ich mich mit Android, und die Vorzüge treten stärker hervor. Im Vergleich zum iPhone ist Martins S6 individueller anpassbar. Das Preis-Leistungs-Verhältnis der Hardware ist besser, an Innovationen und Bedienerleichterungen mangelt es dem Gerät auch nicht. Ein großer Pluspunkt von Android-Smartphones, der lediglich beim S6 nicht zur Geltung kommt, ist die Erweiterbarkeit des Flashspeichers. Nur die wenigsten Android-Handys (wie das OnePlus2) trumpfen hingegen mit einem Lautlos-Kippschalter auf, wie ich ihn am iPhone kennen und lieben gelernt habe. Den Eindruck, dass alles „aus einem Guss“ ist, hatte ich beim S6 nicht. Ein gutes Beispiel sind die Benachrichtigungen, die am iPhone einheitlicher gestaltet sind. Und schließlich Stichwort Datenschutz: Ich vertraue Apple hier einfach mehr als Google.
Ein wichtiger Punkt: Der Play Store und seine Apps. Die Auswahl ist insgesamt größer als bei Apple. Wer auf einige „Android only“-Apps nicht verzichten kann, hat das Nachsehen. Dafür findet man im iTunes Store auch seltener wirklich schlechte Apps oder gar Malware.
Android ist okay, oder sagen wir besser, es ist „OK Google“. Einiges an Googles Betriebssystem habe ich sogar schätzen gelernt. So ist die sehr weit reichende Konfigurierbarkeit ein großes Plus. Aber auch Kritikpunkte gibt es. Der Play Store enthält zumindest gefühlt deutlich mehr Unsinniges als Apples iTunes Store. Und die Geschmeidigkeit bei der Bedienung kommt mir auf dem iPhone immer noch besser vor. Mein Fazit: Android ist vielseitig und zugleich besser individuell anpassbar als iOS. Doch die Synergie von Software und Hardware ist bei Apple für mich immer noch ungeschlagen.