Der nächste selbsternannte Flaggschiffkiller macht sich auf, die Techwelt zu erobern. Aber: Der Preis ist gestiegen, die Konkurrenz gewachsen. Was also spricht noch für das OnePlus 5?
Wir schreiben das Jahr 2014. In China macht sich ein neues Unternehmen auf, die Techwelt im Sturm zu erobern. OnePlus sorgt im April vor drei Jahren erstmals richtig für Aufsehen, das OnePlus One dominiert über Monate hinweg die Schlagzeilen. Warum?Weil damit gewissermaßen eine neue Ära eingeläutet wird, die der selbsternannten „Flaggschiff-Killer“. So bezeichnete der Hersteller wenig zurückhaltend das erste eigene Smartphone. Das mag für einen Neuling frech wirken, innerhalb des ersten Jahres wurde das Modell aber satte 1,5 Millionen Mal verkauft – und das, obwohl es nur über eine Einladung erhältlich war. 269 Euro kostete das OnePlus One damals.
Drei Jahre später sieht die Welt ganz anders aus. Aus dem einstigen Newcomer ist längst ein etablierter Hersteller geworden. Das Invite-System ist Geschichte, der Nimbus des günstigen Herausforderers allerdings auch. 499 Euro kostet die Variante mit 64 GB Speicher und 6 GB RAM, 559 Euro will OnePlus für das Modell mit doppeltem Festspeicher und 8 GB RAM. Um das in Relation zu setzen: Das Samsung Galaxy S8 wechselte zu Redaktionsschluss schon für 599 Euro den Besitzer, das HTC U11 kostete rund 660 Euro. Der preisliche Abstand ist also deutlich geschrumpft, Probleme bereitet das dem chinesischen Hersteller allerdings keine. Im Gegenteil: Laut einer offiziellen Mitteilung des Unternehmens verkauft sich das OnePlus 5 besser als alle vorangegangenen Modelle.
Stellt sich die Frage, ob der Aufpreis gerechtfertigt ist und ob OnePlus tatsächlich der nächste Flaggschiff-Killer gelungen ist. Werfen wir zu Beginn einen Blick auf den technischen Unterbau. OnePlus hat sichabermals für einen Prozessor aus dem Hause Qualcomm entschieden, genauer gesagt für den Snapdragon 835. Der markiert neben dem Exynos 8895 von Samsung die aktuelle Leistungsspitze.
Das beweist auch unser Labortest: Das OnePlus 5 liegt leistungstechnisch genau zwischen dem Samsung Galaxy S8 und dem Galaxy S8+, die Unterschiede sind ohne Benchmark-Tests allerdings nicht zu erkennen. Andere Spitzenmodelle werden teils deutlich abgehängt, was hauptsächlich an den 8 GB Arbeitsspeicher liegen dürfte. Da erklärt es sich von selbst, dass keine App die Hardware an ihre Grenzen bringen konnte, ausnahmslos alle Aktivitäten liefen im Test butterweich. Dabei müssen wir erwähnen, dass wir die „große“ Variante im Test hatten, das OP5 konnte also auf satte 8 GB RAM zugreifen. Wer damit liebäugelt, sich das 6 GB-Modell zuzulegen: Auch das wird sich in ähnlichen Leistungsgefilden ansiedeln, 64 GB Festspeicher sind für den Normalverbraucher darüber hinaus wohl ebenfalls ausreichend. Der Speicher lässt sich in beiden Modellen allerdings nicht mehr erweitern.
Weiter geht es mit den offensichtlicheren Bestandteilen, angefangen beim Display. Das sorgte nach der Präsentation für reichlich Kritik. OnePlus hat das Panel nämlich um 180 Grad gedreht, das Display also mehr oder minder verkehrt herum eingebaut. Das hat zur Folge, dass sich der Inhalt des Bildschirms leicht in die Länge zieht, ähnlich wie bei einem Gummiband. Das stört zwar nicht, ist aber doch ungewöhnlich. Bestätigt wurde das Ganze dann durch eine Codezeile im Kernel, der zeigt, dass die Standarddarstellung des Bildschirms auf 180 Grad eingestellt ist. Heißt: Das Display steht tatsächlich auf dem Kopf, der Code kümmert sich darum, dass die Inhalt richtig dargestellt werden.
Das hat ein weiteres Novum zur Folge: Wie unsere Helligkeitsmessung zeigt, wird das Display nach unten hin heller – normalerweise ist das genau umgekehrt. Warum das so ist? Das kann nur vermutet werden, nahe liegt aber die Annahme, dass einfach zu wenig Platz für den Display-Controller war. Der sollte in etwa da sitzen, wo sich nun die Dual-Kamera breitmacht. Wie gesagt: Nicht tragisch, aber zumindest ungewöhnlich. Weniger überzeugen konnte die Bildschirmhelligkeit, die sich nur im Mittelfeld aller von uns getesteten Geräte ansiedelt. Der Durchschnitt: 418 cd/m². Zum Vergleich: Beim Huawei P10 liegt der Schnitt bei 555, manche Geräte knacken gar die 600 cd/m²-Marke. Unter direkter Sonneneinstrahlung ist die Helligkeit gerade noch im ertragbaren Rahmen, da wäre aber auf jeden Fall mehr möglich gewesen.
Verpackt ist die Hardware in einem Unibody aus Aluminium. Optische Anleihen an der neuesten iPhone-Generation lassen sich nicht bestreiten, das macht OnePlus aber auch gar nicht. Im Gegenteil: In einem Video bedankt sich Pete Lau, CEO des Unternehmens, bei Apple. Das Kultunternehmen aus Cupertino habe das Design gewissermaßen salonfähig gemacht. Außerdem sei es nicht einfach, die Dual-Knipse formschön im Gehäuse unterzubringen. Insofern dürfte es in optischer Hinsicht nicht viele andere Möglichkeiten gegeben haben. Die Knipse steht allerdings leicht aus dem Gehäuse hervor, das Gerät liegt also nicht ganz plan auf. Störend ist das nicht, und wer sich für ein rückseitiges Case entscheidet, löst dieses Problem recht einfach und zugleich formschön. Unabhängig davon sieht das OnePlus 5 toll aus, liegt hervorragend in der Hand und ist sauber verarbeitet. Einziger kleiner Kritikpunkt: Eine IP-Zertifizierung fehlt vollends, nass werden sollte das OnePlus 5 also nicht.
Damit genug der Worte zu Hardware und Gehäuse, fehlen noch Akku, Kamera und Software. Der Reihe nach: Der Akku ist über jeden Zweifel erhaben. Gerade einmal 24 Minuten dauerte es, bis der Stromspender bis zur Hälfte geladen war, etwas mehr als eine Stunde später waren dann die 100 Prozent erreicht. Fast neun Stunden 3D-Rendering sind ebenfalls top, YouTube-Videos auf Full HD laufen gar rund 15 Stunden – bei mittlerer Display-Helligkeit und kaum aktivierten Features (Bluetooth, GPS, NFC etc. aus), versteht sich. Damit reiht sich das OnePlus 5 aber fast ganz oben in unserer Akku-Vergleichstabelle ein. Der durchschnittliche Nutzer sollte ohne Probleme über den Tag kommen – und falls nicht, ist die Energiequelle in kürzester Zeit wieder geladen. Das geht allerdings nur, wenn Sie das originale Ladegerät verwenden.
Wie eingangs bereits beschrieben verbaut OnePlus erstmals eine Dual-Kamera. Die ersten Modelle konnten bekanntlich hinsichtlich der Knipse nur bedingt überzeugen, ein Manko, das OnePlus erst mit dem Modell 3 korrigieren konnte. Mit dem 5er-Modell wird die Knipse noch einmal besser: Die 16 MP-Hauptkamera (f/1.7-Blende) schießt gute bis sehr gute Fotos. Das liegt auch am zusätzlichen „Telephoto“-Sensor mit 20 MP, der sich in manchen Situationen zuschaltet. Außerdem hat die Unterstützung durch den zweiten Sensor zur Folge, dass der Autofokus extrem flott arbeitet. Bei schlechteren Lichtverhältnissen und hohen Zoomstufen verwischen die Aufnahmen in den Details allerdings teilweise. Lobenswert ist hingegen der Pro-Modus, der dem Nutzer deutlich mehr Möglichkeiten zur Feinadjustierung in die Hand gibt. Die Bedienelemente mögen anfangs abschrecken, gerade Hobbyfotografen werden damit aber auf ihre Kosten kommen. Zusammengefasst: Viel besser als bei den Vorgängern, auf Tuchfühlung mit der Leistungsspitze.
Zu guter Letzt: Die Software. Als Unterbau dient Android 7.1.1, was sich auch nicht verstecken lässt. OnePlus lässt viele Punkte im Originalzustand und packt dafür einige zusätzliche Funktionen drauf. Erwähnenswert an dieser Stelle: Der Nachtmodus, der blaue Farbtöne herausfiltert, der Lesemodus, um die Augen zu schonen oder die „Secure Box“. Dabei handelt es sich um einen sicheren Dateiordner, der mit einer Zahlenkombination geschützt ist. Die sehr reduzierte Oberfläche hat den Vorteil, dass das System unglaublich flüssig und schnell läuft. Auf dutzende Extras, wie es beispielsweise Samsung bei der S8-Serie handhabt, müssen Käufer aber verzichten.
Das OnePlus 5 ist ohne Zweifel das bislang beste Gerät des Herstellers. Aber: Das hat auch seinen Preis, nach oben hin nähert man sich den VIPs (Very Important Phones) mehr und mehr an. Der Preis ist allerdings gerechtfertigt, auch wenn sich OnePlus damit selbst ein Argument nimmt. Bislang waren die Phones nämlich auch wegen der günstigen Anschaffung so beliebt, zumindest diese Argumentation ist nun hinfällig. Das Smartphone ist allerdings so gut, dass der Preis ohne Schwierigkeiten zu rechtfertigen ist. Saubere Verarbeitung, hochklassige Hardware, ordentliche Kamera. Punkteabzüge gibt es nur für das Display und die doch sehr kargen Features. Wer es schlicht mag (und auf Speed steht) kann hier ruhigen Gewissens zuschlagen.