Kampf der Redakteure – Klinkenstecker vs. kein Klinkenstecker

Florian Meingast: Alte Schule statt neuer Technik

Herr Kollege, haben Sie schon einmal etwas von Menschen gehört, die Wert auf Klangqualität legen und dass eine Klinkenbuchse wesentlich dazu beiträgt? Lassen Sie mich Ihnen erklären, was ich genau meine.

Der Verzicht auf eine 3,5 Millimeter-Buchse seitens der Smartphone-Hersteller birgt, zumindest in meinen Augen, zwei Nachteile: einen wesentlichen Verlust der Klangqualität und eine Verzögerung beim Übertragen von Daten. Was das bedeutet? Nun, wird der Kopfhörer mittels Bluetooth mit dem Smartphone verbunden, besteht die Möglichkeit, dass das Telefon nicht alle Daten von Musikstücken oder Videos an den Kopfhörer schickt. Resultat: Knacken, einige Sekunden Stille oder im schlimmsten Fall ein durchgehendes Rauschen. Könnten Sie damit leben? Erwähnenswert ist auch das Thema Latenz, also eine Verzögerung zwischen dem Versenden und dem Empfangen der Daten. So minimal diese mittlerweile aufgrund der fortgeschrittenen Bluetooth-Technologie auch sein mag, so störend ist sie beispielsweise beim Betrachten von Videos, während Videotelefonaten (hier sehe ich von einer WLAN-bedingten Verzögerung einmal ab) oder auch bei normalen Telefonaten. Verstehen Sie nun, warum ich eine „Old School“-Buchse der neumodernen Technik bevorzuge?

Einmal abgesehen von den technischen Nachteilen bringt das Fehlen einer Klinkenbuchse ein höheres Verlustrisiko des Kopfhörers mit sich. Für ein konkretes Beispiel eignen sich die AirPods, die Apple Ende 2016 präsentierte. 2016 ist außerdem das Jahr, in dem der Konzern mit dem iPhone 7 erstmals auf die Buchse verzichtete. Stellen Sie sich vor, die 179 Euro-Stöpsel fallen Ihnen in der U-Bahn unbemerkt aus der Jackentasche. Sollten Sie deren Fehlen nicht sofort, sondern erst zu Hause bemerken, können Sie nur hoffen, dass der Akku noch nicht aus ist und Sie die beiden AirPods mit Ihrem iPhone orten können. Mit der Kombination aus Klinkenstecker und kabelgebundenem Kopfhörer hätten Sie es garantiert bemerkt, wenn sich die Stöpsel aus Ihrer Tasche verabschiedet hätten. Da bin ich mir sicher.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf das Thema Ästhetik eingehen. Dass ein Smartphone durch das Fehlen eines Klinkensteckers schmäler wird, stimmt – zumindest im Fall von Apple – nicht. Vergleichen Sie die iPhones 6S und 7. Beide Modelle sind exakt 7,1 Millimeter tief. Womöglich um Menschen wie mir, die auf ihr Kabel einfach nicht verzichten möchten, eine Freude zu machen, präsentierte Apple einen speziellen Adapter. Kostenpunkt: Neun Euro. Gut gemeint Herr Cook, aber damit bieten Sie wieder ein überteuertes Teil mehr an, das prädestiniert dafür ist, verloren zu gehen. Zudem sehen die kastrierten Smartphones mit einem eingesteckten Adapter nicht besonders schick aus. Ganz egal ob das Modell nun iPhone 8, Pixel 2 (Sony) oder U11 (HTC) heißt.

Oliver Janko: Besser funken statt stecken

Ja, natürlich gibt es Menschen, bei denen der Klang der Lieblingssongs an erster Stelle steht. Nur: Diese Personengruppe hört Musik wohl eher selten mit dem Smartphone, immerhin benötigt es mehr Komponenten, als nur einen schnöden (und einige Jahre alten) Klinkenstecker, um einwandfreie Soundqualität zu generieren. Das bedeutet, dass der audiophile Nutzer zwar in hochwertige (und meist teure) Kopfhörer investieren können, das Smartphone selbst aber dennoch keine oder nur kaum bessere Qualität garantieren kann. Dazu wären spezielle Abspielgeräte wie beispielsweise der High-Resolution WALKMAN (NW-WM1A) von Sony notwendig, ein Gerät, das einen eingebauten Digitalverstärker besitzt – und der fehlt beim Smartphone schlichtweg.

Was etwaige Verzögerungen bei der Daten­übertragung betrifft: Das ist zugegebenermaßen ein Argument, allerdings auch nur dann, wenn der Nutzer ein fast absolutes Gehör besitzt. Tatsache ist nämlich auch, dass sich mit Codecs wie aptX Musik fast verlustfrei übertragen lässt. Der „Otto Normal“-Hörer wird den minimalen Qualitätsunterschied oder Verzögerungen im Nanosekunden-Bereich auf keinen Fall merken.

Dass die AirPods nicht der Weisheit letzter Schluss sind, ist klar. Viel zu teuer im Preis und stets dem Risiko ausgesetzt, verloren zu gehen. Nur: Der USB Typ C-Slot ersetzt die Klinkenbuchse ohnehin, auch kabelgebundene Headsets lassen sich so koppeln. Geladen werden kann das Smartphone dann zwar nicht, das dürfte aber auch nicht allzu oft notwendig sein. Außerdem gibt es eine breite Auswahl an On Ear- oder Over-Ear-Headsets, deren Verlust beim Tragen in der Jackentasche auf jeden Fall auffällt. Generell bringt jeder Fortschritt auch Nachteile mit sich, das war und ist beim Umstieg auf Typ C, fest verbaute Akkus oder der mittlerweile häufige Verzicht auf Speichererweiterungen auch so.

Fehlen noch die Vorteile einer fehlenden Klinkenbuchse. Das Smartphone ist einfach dünner und ästhetischer. Das mag nicht überall auf Gegenliebe treffen, viele Hersteller setzen aber Optik vor älteren Technologien. Das war schon immer so, unter anderem auch beim ersten Android-Smartphone überhaupt, das ebenfalls ohne Kopfhörer-Klinke auskommen musste. Bereits vor zig Jahren gab es Versuche, den Klinkenstecker abzuschaffen oder dünner zu machen. Die proprietären Lösungen von damals hatten nur nicht das Potenzial, dem so simplen wie verbreiteten 3,5 Millimeter-System gefährlich zu werden. Bluetooth und USB Typ C haben das schon – und werden sich deswegen über kurz oder lang zumindest im Smartphone-Sektor auch durchsetzen.

Wer übrigens lesen will, wie gut moderne Bluetooth-Headsets sind: Auf Seite 56 finden Sie einen großen Vergleichstest. Den hat glücklicherweise nicht der Kollege zu meiner Linken geschrieben.