Um den Technologie-Standort Europa zu beleben, konzipiert BQ in Spanien Multimedia-Geräte, die hochwertig und erschwinglich sein sollen. Fast logisch, dass von dieser Alternative zu Asien und Amerika auch das erste Gerät mit alternativem Betriebssystem kommt.
In der südafrikanischen Sprache Zulu ist „Ubuntu“ das Wort für „Menschlichkeit“. Die Bezeichnung ist eine Hypothek, denn von einem Betriebssystem, das so heißt, erhofft man sich natürlich auch viel Menschlichkeit, sprich Benutzerfreundlichkeit, mehr noch: eine echt intuitive Bedienung. Der Mensch ist aber ein Gewohnheitstier und der Smartphonetester ist ein Mensch. Die Umstellung von Android (das übrigens wie Ubuntu auch auf Linux basiert) auf irgendetwas anderes wird demzufolge erst einmal kein Hochgefühl hervorrufen.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf soll das BQ Aquaris 4 getestet werden. Obwohl wir uns einleitend kurz dem Gerät selbst zuwenden wollen, wird der Fokus dennoch weniger auf der Hardware liegen als auf dem Funktionieren der Software.
Herz des Aquaris E4.5 ist ein Vierkern-Prozessor von MediaTek mit je 1,3 GHz in Verbindung mit einem 1 GB-RAM. Dieses Tandem bricht keine Geschwindigkeitsrekorde, im Gegenteil der App-Start dauert manchmal mehrere Sekunden. An das Ladesymbol sollte man sich also gewöhnen können. Der interne Speicher ist mit 8 GB überschaubar, lässt sich per microSD aber auf 32 GB erweitern. Die Kamera bietet rückseitig 8 MP, frontseitig immerhin gute 5 MP. Sie löst schnell aus, was bei Schnappschüssen extrem wichtig ist, die Bildergebnisse sind aber nicht herausragend. Definitiv am wenigsten bestechend ist das Display des Geräts. Bei einer Auflösung von nur 960 x 450 Pixeln bei 4,5 Zoll (daraus resultiert eine magere Pixeldichte von 240 ppi) sind Bildpunkte mit bloßem Auge erkennbar, viel Helligkeit wird auch nicht geboten. Das ist leider nicht zeitgemäß – auch wenn weniger Pixel helfen, den Stromverbrauch zu senken. Das Stichwort führt dann auch zum Akku mit 2.150 mAh, der ausreichend dimensioniert ist. Im kastenförmigen Gehäuse mit neun Millimetern Dicke hätte man aber dem Gefühl nach noch mehr Power unterbringen können.
Aller Anfang ist schwer, vor allem in der Ubuntu-Welt. Aktiviert man das Smartphone über die leider oberhalb des Volumenreglers angebrauchte Power-Taste (dazu braucht es einen langen Daumen), landet man auf einem der (ab Werk) sieben sogenannten „Scopes“ vulgo Funktionsbereiche. Der erste heißt „Heute“ und zeigt aktuelle Daten wie das Wetter, Kalenderdaten, Fitness- und Kommunikationsaktivitäten u.ä. an. Der zweite, „NearBy“, liefert Information aus meiner direkten Umgebung (Sehenswürdigkeiten, Restaurants, Verkehrsmittel etc.), der dritte verwaltet die Apps, der vierte sammelt Nachrichten, der fünfte Musik, dann kommen Videos und Bilder. Die Zahl der Scopes lässt sich selbst bestimmen, ihre Zusammensetzung ist frei definierbar. Dazu muss man nur von unten nach oben wischen. Ein seitlicher Swipe von links schiebt eine Navigationsleiste mit den wichtigsten Funktionen ins Bild. Das gleiche Spiel von rechts zeigt alle offenen „Seiten“ in einer 3D-Ansicht zum Durchblättern, die an die Darstellung im Stile von Windows Vista erinnert. Führt man den Finger von oben über das Display, lassen sich wichtige Geräteeinstellungen anpassen, doch auch hier ist die Bedienung anders als bei Android: Noch in der Abwärtsbewegung kann sich der Finger bereits durch die Menüpunkte (Bluetooth, Peilung etc.) wühlen.
So innovativ manche Aspekte der Ubuntu-Oberfläche auch sein mögen, das Betriebssystem bringt einen großen Nachteil mit sich: Es gibt im Vergleich mit Android, iOS und sogar Windows im Grunde fast keine Anwendungen dafür. Der Blick in den Ubuntu-Store gibt den Blick auf öde App-Landschaften frei. Nicht einmal Dropbox konnten wir finden. Vorinstalliert sind immerhin HERE Maps zur Navigation und Telegram für sicheres Messaging.
Mit einem Preis von knapp 170 Euro ist das E4.5 angesichts der spärlichen technischen Ausrüstung sicher kein Schnäppchen. Auf der anderen Seite bekommt man aber ein Gerät mit innovativem und sicher auch exklusivem Betriebssystem. Diese Exklusivität schützt vielleicht vor Hackern, aber leider auch vor großer Alltagstauglichkeit.
Teilweise tolle Bedienlösungen
Hoher Preis für schwache Hardware
Kaum Apps, lange Ladezeiten