Das neue Flaggschiff HTC One M9 im Test

Die neueste Ausgabe von HTCs Aluboliden sieht dem Vorgänger sehr ähnlich. „Evolution statt Revolution“ ist das Motto. An vielen Ecken und Enden wurde gefeilt, ganz neu ist nur die Kamera, die einen gewaltigen Satz von 4 MP Auflösung hin zu zeitgemäßen 20,7 MP macht. Ob das reicht?

HTCs neues Spitzengerät

in Alu mit neuer Kamera

Mit dem Generationswechsel an der Spitze seines Smartphone-Port­folios kam HTC dem mächtigen Konkurrenten Samsung in diesem Jahr um einige Stunden zuvor. Schon am Nachmittag des 1. März hielt CEO Peter Chou das One M9 in die Kameras, das Galaxy S6 tauchte erst am Abend ins Blitzlichtgewitter. Auf den ersten Blick ist das neue HTC-Flaggschiff nur allzu leicht mit seinem Vorgänger One (M8) zu verwechseln: Direkt von vorne betrachtet unterscheidet sich der Neuling nur durch einen vergrößerten Näherungssensor am oberen Rand. Nach wie vor hüllt sich das One in ein Kleid aus gebürstetem Aluminium, das nichts an Reiz verloren hat. Im Gegenteil: Die Metalloberfläche erstrahlt nun in zwei gefälligen Farbtönen und Finishes. An der helleren Rückseite ist die Oberfläche gebürstet, an den dunkleren Flanken poliert. Die zweifarbige Rückschale ist aus einem einzigen Stück Metall gefertigt, das Innenleben und der Display-Rahmen werden von oben eingesetzt. Die Form des Gehäuses ist jetzt weniger stark gewölbt und minimal flacher. Außerdem sind die seitlichen Kanten etwas schärfer ausgeführt. Das Gerät soll damit weniger leicht aus der Hand rutschen – Nutzer des Vorgängermodells hatten dies oft bemäkelt. Im Vergleich liegt das M9 tatsächlich viel sicherer in der Hand. Am Schluss des Produktionsprozesses wird eine harte Beschichtung auf die Aluminiumlegierung aufgebracht, die Rückseite würde sonst wohl zu schnell verkratzen.

Die Technik sitzt in einem Unibody-Gehäuse, das aus einem einzigen Stück Metall gefräst wird. Die Oberfläche ist gebürstet, das Aluminium erstrahlt jeweils in zwei Farbtönen.

Eine weitere Neuerung am Gehäuse ist die Platzierung des Einschaltbuttons. Lag dieser beim One (M8) noch schlecht erreichbar an der Oberseite, ist er nun ganz konventionell an der rechten Seite zu finden. Leider ist er aber auch in dieser Position nicht bequem mit dem Daumen erreichbar – der Button ist zu tief ­angesetzt. Dankenswerterweise lässt sich das Gerät aber nach wie vor mit einem Doppeltipp auf den Bildschirm aktivieren.

Das One ist bei gleichen Bildschirm-Maßen 2 mm kürzer geworden als sein Vorgänger. Mit 157 Gramm hat es immer noch ein stattliches Gewicht.

Display: Bewährtes

Das Display-Panel ist ein S-LCD mit FullHD­Auflösung (1920 x 1080 Pixel). HTC weigert sich, am Pixelrennen teilzunehmen und bei gleichbleibender Bildschirmgröße höher auflösende Panels zu verbauen. Der Nutzen für den ­Betrachter sei gering, höhere Auflösungen würden aber deutlich mehr Strom brauchen, so die Begründung.

Display: HTC Pfeift auf das Pixel-Rennen – Und steht damit nicht alleine.

Mit dieser Ansicht steht HTC nicht allein – auch Huawei will dem Vernehmen nach das Wettrüsten beenden – ­„völligen ­Unsinn“ nannte deren CEO Richard Lu den Trend zu QHD (2560 x 1440 Pixel) auf kleinen Smartphone-Bildschirmen. Mit 441 ppi Pixeldichte braucht sich das M9 denn auch nicht zu ver­stecken, jenseits solcher Werte sind Unterschiede ohnehin nur mit der Lupe zu erkennen.

Die Stereo-Lautsprecher an der Front haben jetzt Surround-Effekte zu bieten. Der Klang ist ausgezeichnet, der Unterschied zum Vorgänger minimal.

Mehr Pixel für die Kamera

An anderer Stelle gibt HTC seinen Widerstand gegen vermeintlich unsinnige Top-Specs aber auf: bei der Kamera. Das nun abgelöste One (M8) hatte noch ein Modul mit 4 Megapixeln an Bord, als die Konkurrenz längst Sensoren mit dem vier- bis fünffachen Auflösung verbaute. Die Begründung war nachvollziehbar: Immer mehr Pixel auf die kleine Sensorfläche zu packen sorgt zwar für sexy große Zahlen im Abschnitt „technische Details“, verbessert aber nicht automatisch auch die Fotoqualität. Schließlich teilen sich die vielen Pixel eine unveränderte Lichtmenge. Die Folge: Bildrauschen und verwaschene Farben. HTC setzte daher auf „Ultrapixel“ – weniger Bildpunkte, dafür aber größere. In der Praxis zeigten sich damit zwar gewisse Vorteile bei schummrigen Szenen, insgesamt konnte die Bildqualität aber nicht mit der Konkurrenz schritthalten.

Die Kamera löst deutlich höher auf als die des Vorgängers One (M8), zeigt aber Schwächen bei Aufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen.

Beim M9 wurde das Kamera-Konzept ganz umgekrempelt. Die Auflösung beträgt nun 20,7 Megapixel – im Vergleich zum Vorgänger also etwa die fünffache Zahl von Bild­punkten.

Kamera: Viel mehr Auflösung, aber immer noch keine Top-Knipse

Das Modul unterstützt die Aufnahme von 4K-Video und speichert Bilder auf Wunsch im RAW­-Format. Zudem ist die Linse von hartem ­Saphirglas geschützt, wie das etwa auch beim iPhone der Fall ist – eine willkommene Aufwertung, denn nichts ruiniert Fotos so wie zerkratztes Kamera-Glas. Leider zeitigen all diese Neuerungen aber keinen durchschlagenden Erfolg bei der Bildqualität. Fotos bei guten Lichtverhältnissen sind mit der neuen Kamera zwar viel detailreicher als mit der des M8 und der Verschluss löst sehr schnell aus. Die Farben fallen aber etwas blass aus und bei schlechtem Licht stellt sich grobes Bildrauschen ein – schneller als bei unseren Vergleichsgeräten aus dem Top-Segment.(Ein vom Hersteller kurz nach der Entstehung dieser Zeilen nachgereichtes Software-Update brachte bei der Kamera leichte Verbesserungen, das Gesamtbild änderte sich jedoch nicht.)

Der Einschaltbutton liegt jetzt besser erreichbar an der rechten Gehäuseseite. Das Kameramodul ragt leicht über die Rückseite hinaus.

Hardware-Upgrade

HTCs neues Flaggschiff hat auch ein umfangreiches Update der Rechner-Hardware ­erfahren. So ist es mit dem neuen, 64-bit-fähigen Systemchip Snapdragon 810 von Qualcomm ausgestattet, der acht Kerne (4x 2,0 plus 4x 1,5 GHz Taktung) trägt und 3 GB RAM zur Verfügung hat. Die erhöhte Rechenpower macht sich im Vergleich mit dem Vorgängermodell unter anderem in schnelleren App-Starts bemerkbar, in den Benchmarks sichert sich das Gerät einen Platz in den Spitzenrängen.

Das Gehäuse ist immer (bzw. wieder) eines der schönsten am Handy-Markt. Eine schärfere seitliche Kante sorgt nun dafür, dass das Gerät weniger leicht aus der Hand rutscht.

Software-Evolution: Sense 7

Auch bei der Software gilt: Evolution statt Revolution. Das M9 wird mit HTCs Android­Oberfläche „Sense“ in der neuen Version 7 ­ausgeliefert, die Basis ist Android 5.0. Als erste Neuerung fällt ein Homescreen-Widget ins Auge, das kontextbasierte Inhalte liefert: Ob zuhause, am Arbeitsplatz oder unterwegs, der Homescreen soll immer die zur Situation passenden Apps anzeigen. Die betreffenden Orte und Inhalte definiert der Nutzer zum Teil selbst, zum Teil kommen Vorschläge von HTC. Ebenfalls neu ist ein Themen-Tool, das es nun einfacher macht, eigene Themes für die Oberfläche zu erstellen: Das Farbschema wird auf Wunsch automatisch auf die dominanten Farben im Hintergrundbild abgestimmt.

Ein unscheinbares Widget bringt je nach Standort unterschiedliche Apps auf den Homescreen.

„Ob das One M9-­Gesamtpaket Besitzer der Vorgängermodelle zum Upgrade bewegen kann? Der größere Akku und die große Rechen­power könnten zum Kauf ­motivieren.“

Das neue Themen-Tool stimmt das Farb­schema auf das eingestellte Hintergrundbild ab.

Fazit

Den großen Sprung nach vorn hat HTC mit dem One M9 nicht gemacht. Die Taiwaner bleiben lieber bewährten Rezepten treu: Das hochwertige Alu-Gehäuse ist nach wie vor eines der schönsten am Markt und durch die subtil geänderte Form liegt es jetzt noch besser in der Hand. Das Display ist in Größe und Auflösung unverändert, letzteres ist nur am Papier ein Nachteil für das One M9: Die Pixeldichte, die das FullHD-Panel auf dem 5 Zoll-Display erzeugt, ist mehr als genug, der Rüstungswettlauf, auf den sich andere Hersteller einlassen, ist von zweifelhaftem Nutzen. Eine große ­Neuerung des Geräts ist die Hauptkamera – HTCs Schritt hin zu höheren Auflösungen (und damit weg von der „Ultrapixel“-Technologie) war richtig. Die Fotos werden nun deutlich ­besser – ganz vorne spielt die HTC­-Kamera aber leider immer noch nicht mit. Ob das Gesamtpaket Besitzer des One (M8) oder des 2013er­Modells M7 zum Upgrade bewegen kann, wird sich zeigen. Die aktuelle Hardware-Ausstattung mit dem pfeilschnellen Achtkern-Prozessor und 3 GB RAM sowie der um fast 10% größere Akku könnten durchaus dazu motivieren. Der Preis von 749 Euro (UVP) hingegen wird mit Sicherheit einige potenzielle Käufer abschrecken.



Hochwertiges Gehäuse, schönes Design

Sehr leistungsfähige Hardware

 

Vergleichsweise schwer

 

 

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