Fairphone 2 im Test

Das Projekt Fairphone stellt Smartphones her, die mit Werten jenseits von Gigahertz, ­Megapixel und Milli­amperestunden punkten: Hier zählen Nachhaltigkeit, Reparierbarkeit und Konfliktfreiheit.

“Open it, it‘s yours“ steht auf der blauen ­Banderole. Gemeint ist nicht nur die hübsch designte, recycelbare Kartonverpackung des Fairphone 2, sondern auch das Gerät selbst: Das ­Gehäuse ist dafür gebaut, um geöffnet zu werden. Obwohl sich die Aufforderung eigentlich erübrigt, denn das Smartphone liegt schon getrennt von der Rückabdeckung in der Packung und gibt sein Innerstes preis: Ein wechselbarer Akku, zwei SIM-Slots, ein Einschub für microSD-Karten. Ins Auge stechen aber auch die Standard-Komponenten wie Kamera-­Modul, Lautsprecher oder Klinken-Anschluss, die sich mit etwas hellerem Kunststoff abheben. Diese Teile können im Falle eines Defekts mit einem einfachen Schraubenzieher gelöst und getauscht werden. Keine Heißluftpistole, kein Spezialwerkzeug sind nötig.

Das Display-Panel (Mitte) ist in wenigen Sekunden vom Rest des Geräts getrennt – ganz ohne Werkzeug. Weitere Module wie Kamera, Mikrofon und USB-Anschluss sind auf der Platine markiert und mit einem Schraubenzieher leicht zu wechseln.

Display-Tausch in 10 Sekunden

Das Display-Panel – der Teil des Smartphones, der durch Stürze am häufigsten kaputt geht – ist sogar ganz ohne Werkzeug zu wechseln. Man entnimmt den Akku, löst mit den Fingern zwei Kunststoffverschlüsse und schiebt das Panel nach unten. Mit etwas Übung ist das in unter zehn Sekunden erledigt. Ersatzteile sind über den Online-Shop des Herstellers zu beziehen und preislich moderat: 25 Euro kostet etwa das „Daughterboard“ mit USB-Anschluss, Mikrofon und Lautsprecher, 35 Euro sind für das Kamera-Modul zu löhnen und 87 Euro für das Display-Panel, Gorilla Glas inklusive. Die Organisation iFixit, die die Reparierbarkeit von elektronischen Geräten bewertet, belohnt das Resultat mit zehn von zehn Punkten – kein anderes Smartphone hat diese Wertung bisher erreicht.

Konfliktfrei, nachhaltig

Neben der Reparierbarkeit spielt die „faire“ Beschaffung von Rohstoffen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der Fertigung bei Fairphone eine große Rolle. Der ­Hersteller, der in den Niederlanden als gemeinnützige Benefit Corporation zertifiziert ist, versucht Materialien wie Zinn, Wolfram, Tantal und Gold nach Möglichkeit aus Minen zu beziehen, deren Gewinne der lokalen (afrikanischen) Wirtschaft zugutekommen anstatt in die Taschen von brutalen Milizen zu landen, wie das etwa in der Demokratischen Republik Kongo nicht selten der Fall ist. In der Auftragsfertigung, die in China stattfindet, beobachtet Fairphone über eine lokale Mitarbeiterin die Arbeitsbedingungen, bemüht sich, für höhere Löhne zu sorgen und zahlt mit jedem verkauften Gerät in einen Sozialfonds für die Mitarbeiter ein. Fairphone muss aber realistisch bleiben: Ein 100% faires Smartphone sei derzeit noch nicht möglich. Durchaus erreichbar ist allerdings ein hohes Maß an Ehrlichkeit – Fairphone schlüsselt die Herstellungskosten bis ins letzte Detail auf – ein Level von Transparenz, der in der Branche ohne Gleichen ist.

Ein gutes Produkt?

Nun aber näher zum Produkt an sich. Ohne Frage: Mit 12 mm Dicke und einem Gewicht von 168 Gramm ist das Fairphone ein ­klobiges Stück. Das liegt aber vor allem an der gummiartigen Rückabdeckung, die bis über die Display-­Ränder reicht und so auch den Zweck eines Schutz-Covers erfüllt, das auch schwere Stürze abfedert. Die Verarbeitung der Komponenten passt, nichts knarzt oder surrt – beachtlich angesichts der Tatsache, dass im Inneren kaum Kleber zum Einsatz kommt. Das Full HD-Display ist scharf, blickwinkelstabil und mit gemessenen 404 cd/m² angenehm hell. Im Vergleich zum Vorgänger wurde auch die Rechner-Hardware deutlich ­aufgewertet. Statt eines Mediatek-Prozessors kommt nun ein Qualcomm Snapdragon 801 zum Einsatz (der ja auch z.B. im Nexus 5 Dienst tut). Die Leistung reicht, um alltägliche Aufgaben schnell auszuführen, aufwendige 3D-Spiele werden aber schnell zur Ruckelpartie.

Minus: Laufzeiten

Weniger verzeihlich sind die kurzen Laufzeiten – in unseren Tests machte das Fairphone 2 nach etwa 4,5 Stunden Full HD Videostreaming oder 6 Stunden Internet-Surfen schlapp. Im Schnitt schaffen unsere Testgeräte da über 6 (Video) bzw. 11 Stunden (Websurfen). Mit dem Fairphone ohne Ladegerät durch den Tag zu kommen, ist dementsprechend ­schwierig. Dafür ist die Ausstattung ganz ordentlich: WLAN ac und LTE sind an Bord, Dual-SIM ebenso. Der Speicher ist mit microSD erweiterbar und der Akku lässt sich tauschen. Die 8 ­MP-Kamera taugt für gelegentliche Schnappschüsse, schwächelt aber im Gegenlicht und bei nächtlichen Aufnahmen. Bei der Software hält sich Fairphone über weite Strecken ans pure ­Android 5.1, wartet aber mit etlichen nützlichen Extras auf: Der linke Bildschirm stellt die am häufigsten aufgerufenen Kontakte dar, der rechte die meistbenutzten Apps. Ein Wisch von der linken oder rechten Bildschirmkante bringt ein Schnellstartmenü zum Vorschein. Ein ­Update auf Android Marshmallow ist angedacht, scheitert derzeit aber noch an fehlender Dokumentation vom Chip-Lieferanten.

Fazit

Das Fairphone 2 beweist, dass man taugliche Smartphones auch mit Rücksicht auf Mensch und Umwelt bauen kann. Der modulare Aufbau und die Transparenz im ­Fertigungsprozess machen das ­Gerät einzigartig. Um den Preis aber nicht ­explodieren zu­ ­lassen, muss der Hersteller etliche Kompromisse eingehen.



Robuste Bauweise, gute Reparierbarkeit

Nachhaltiges Geschäftsmodell

 



Kurze Laufzeiten

Schwache Kamera