Sehr gut verarbeitetes, schönes Smartphone der gehobenen Mittelklasse mit eigenwilliger Benutzeroberfläche.
Der chinesische Smartphone-Hersteller Huawei setzt mit dem Ascend P6 zum Frontalangriff auf Apple, HTC, Samsung und Sony an. Mit einem hochwertigen Alu-Gehäuse, schnellem Quad Core-Prozessor und einer Reihe von Software-Extras ist die Ausgangslage durchaus gut, doch reicht das, um sich gegen etablierte Marken und Geräte durchzusetzen?
Nach dem Ascend P1, das im Januar 2012 und dem Ascend P2, welches im Februar 2013 vorgestellt wurde, ist das Ascend P6 das mittlerweile dritte Modell aus Huaweis P-Serie. Das jüngste Mitglied richtet sich wie seine Vorgänger an preisbewusste Käufer, die dennoch auf beeindruckende Hardware nicht verzichten möchten. Beim P6 liegt die Messlatte aber noch um einiges höher als bisher.
Kommen wir zunächst zum Äußeren: Das Ascend P6 ist mit 6,18 Millimetern das dünnste Smartphone der Welt, mit 120 Gramm ist es zudem trotz Alu-Unibody relativ leicht und liegt gut in der Hand. Zum Vergleich: Das HTC One bringt mit seinem ebenfalls aus Aluminium gefertigten Gehäuse 143 Gramm, also 23 Gramm mehr auf die Waage als das P6. In Sachen Verarbeitungsqualität bewegt sich das P6 auf dem Niveau eines HTC One oder iPhone 5, wobei sich die HTC- bzw. Apple-Smartphones robuster, aber auch etwas wuchtiger anfühlen. Erwähnenswert ist auf alle Fälle, dass beim Ascend P6 keinerlei Plastik verbaut wurde, sondern lediglich Aluminium. Die Rückseite ist gebürstet und macht dadurch einen sehr hochwertigen, edlen Eindruck, die Seiten des Gerätes sind ebenfalls aus Alu und die dort befindlichen Tasten aus Aluminium besitzen einen angenehmen Druckpunkt. Lobenswert ist in dieser Hinsicht auch die Position der On/Off-Taste sowie der Lautstärke-Wippe. Denn durch die Tatsache, dass diese Tasten am rechten Rand angebracht wurden, sind sie sehr einfach und komfortabel mit dem Daumen erreichbar – sofern das Ascend P6 in der rechten Hand gehalten wird.
In Sachen Optik präsentiert sich das Ascend P6 auf Augenhöhe mit Oberklasse-Smartphones anderer Hersteller. An der Front orientiert es sich am klassischen Design des Galaxy S2, an den Seiten und hinten erinnert es hingegen an das iPhone 4 bzw. 5 von Apple. Doch den kreativen Köpfen von Huawei an dieser Stelle nun Plagiats-Vorwürfe zu machen, würde den innovativen Ansätzen beim P6 nicht gerecht werden. Die runde Unterseite des Gehäuses hebt sich deutlich von der Formgebung des oberen Bereiches ab. Sie ist aber nicht bloß ein praktikables Mittel um etwaige Geschmacksmuster-Klagen aus Kalifornien abzuschmettern, sondern tatsächlich auch nützlich. Denn im linken, äußeren Bereich des Rahmens ist ein kleiner Metallstift verstaut, der sich mit etwas Fummelarbeit herausnehmen und zum Öffnen der beiden SIM-Schächte verwenden lässt.
Beim Inneren des Ascend P6 setzt Huawei auf einen Chip aus eigener Fertigung, konkret auf den Quad Core-Chip Huawei HiSilicon K3V2 mit 1,5 GHz. In Kombination mit der Vivante GC4000-GPU mit 16 Kernen sowie 2 GB Arbeitsspeicher ist für genug Leistung gesorgt, um das installierte Android 4.2.2 und auch aufwendigere Apps flüssig darzustellen – das ist zumindest auf dem Papier so. Denn obwohl das P6 bei der alltäglichen Bedienung absolut flüssig und zügig arbeitet, ist es doch etwas seltsam, dass gerade das auf unserem Testgerät vorinstallierte Spiel „Riptide GP“ den einen oder anderen Ruckler produziert. Mit dem nicht minder rechenintensiven Zombie-Shooter „Dead Trigger“ kam das Ascend P6 hingegen besser zurecht, auch hier bemerkten wir aber hin und wieder kurze Aussetzer.
Der helle und kontrastreiche Bildschirm ist eines der Highlights des Ascend P6. Zudem bleibt es auch bei steileren Blickwinkeln gut lesbar und Inhalte sind auf dem IPS LCD-Panel auch im Freien gut erkennbar, sogar bei direkter Sonnenstrahlung. Für Ernüchterung sorgt aber die bis vor kurzem in der Oberklasse vorherrschende HD-Auflösung von 1280 x 720 Pixel, denn die aktuellen Flaggschiffe von HTC, Samsung und Sony haben bekanntlich mehr zu bieten. Verglichen mit dem ebenfalls über ein 4,7 Zoll großes Display verfügenden HTC One ist der Ascend P6-Bildschirm weniger scharf, allerdings ist das Kritik auf hohem Niveau.
Ein heikles Thema ist bei Unibody-Geräten wie diesem immer der Akku. Denn anders als bei Samsung-Smartphones lässt sich dieser nicht durch ein größeres Modell austauschen oder im Falle eines altersbedingten Kapazitätsverlustes durch einen neuen ersetzen. Gemessen daran, wie dünn und leicht das Ascend P6 ist, können 2.000 mAh als überaus beachtlich bezeichnet werden. Außerdem verbraucht ein Display mit gewöhnlicher HD-Auflösung logischerweise weniger Energie als eines mit Full HD. Wer stets die volle Displayhelligkeit eingestellt hat und zwischendurch Spiele zockt oder Navi-Apps nutzt, wird es dennoch kaum über einen geschäftigen Tag hinweg schaffen. Doch keine Angst, auf deine Selbstdisziplin alleine musst du dich hier nicht verlassen: In den Systemeinstellungen findest du den Menüpunkt „Energieverwaltung“, in diesem lassen sich – wie bei anderen Android-Oberflächen auch – Infos zum Akku-Verbrauch abfragen, zusätzlich aber auch einige Energiespar-Optionen festlegen.
Huawei folgt dem allgemeinen Trend der Branche und versucht sich durch spezielle Software-Extras von Mitbewerbern zu unterscheiden. Die hauseigene Emotion UI wurde zu diesem Zweck runderneuert und mit ca. 300 Neuerungen ausgestattet. Auffälligstes Merkmal der Oberfläche ist das völlige Fehlen eines Android-typischen App-Menüs. Statt dessen orientiert sich Huawei am Bedienkonzept des iPhones oder der Android-Custom Rom MIUI. So werden App-Icons nach der Installation direkt auf dem Homescreen abgelegt und lassen sich ausschließlich von dort aus öffnen. Damit du nicht komplett den Überblick verlierst, werden neue Apps mit einer Schleife mit der Aufschrift „New“ gekennzeichnet, außerdem sind wichtige System- und Produktivität-Apps ab Werk in Ordner gruppiert, was viel zur Übersicht beiträgt. Neu ist zudem ein individualisierbares „Me-Widget“, in dem diverse, oft benötigte Funktionen und Kontakte abgelegt werden können.
Interessant ist, dass sich das Oberflächen-Design in Sekundenschnelle völlig mit Hilfe von Themes verändern lässt. Die entsprechenden Einstellungen findest du in der vorinstallierten App „Designs“. Hier kannst du aus fünf vorinstallierten, zu den drei verschiedenen Farben des Gerätes passenden Themes wählen. Außerdem lassen sich einzelne Elemente der Benutzeroberfläche manuell ändern. Später sollen über eine Online-Datenbank über 1.000 verschiedene Emotion-UI-Themes verfügbar sein.
Abseits dieser optischen Spielereien hat Huawei das Ascend P6 aber mit einer Reihe überaus nützlicher Software-Extras ausgestattet. Etwa mit neuen, eigens entwickelten Kern-Apps für die Smartphone-Grundfunktionen, vier Cloud-Diensten sowie einem eigenen Energie-Manager. Interessant sind die zahlreichen Security-Extras. Mit dem Berechtigungs-Manager bekommst du kompakt und übersichtlich jene Apps aufgelistet, die fragwürdige Berechtigungen nutzen und kannst sogar einige Sicherheitsrisiken blockieren. Mit „AirSharing“ bietet Huawei zudem ein Feature, mit dem sich Inhalte ohne Verzögerung auf TV-Geräte spiegeln lassen. Besonders interessant ist zudem die Möglichkeit, verschiedene Profile anzulegen. Hinter dem gleichnamigen Icon verbirgt sich eine einfach gehaltene App, in der du aus den bereits vordefinierten Nutzerprofilen „Normal“, „Ruhezustand“, „Meeting“ und „Outdoor“ wählen oder neue Profile hinzufügen kannst. Der Clou daran ist, dass sich (ganz ähnlich wie bei den Profilen des CyanogenMod) viele verschiedene Aspekte des Smartphones mit diesen Profilen verknüpfen lassen. Dazu zählt etwa die Klingeltonlautstärke, die Displayhelligkeit oder diverse Datenverbindungen.
Im Falle der Rückkamera hat Huawei einen 8 MP-Sensor mit einer beachtlichen Lichtstärke von f 2.0 und einer Weitwinkel-Linse verbaut. An sich ist das nichts Besonderes, allerdings sollen durch die eigens entwickelte IMAGESmart Engine überaus gute Fotos gelingen. Dabei handelt es sich um eine stark reduzierte und vereinfachte Kamera-UI, bei der dank der „Auto Scene Recognition“-Funktion die passenden Einstellungen automatisch vorgenommen werden. In der Praxis entpuppt sich die Kamera des Ascend P6 tatsächlich als brauchbar, vor allem bei Landschaftsaufnahmen lässt sie ihre Muskeln spielen, allerdings werden Farben deutlich aggressiver dargestellt als dies bei den Kameras von HTC One oder Galaxy S4 der Fall ist. Eine Besonderheit ist zudem die Makro-Funktion mit einer Naheinstell-Grenze von lediglich 4 Zentimetern. Zudem lassen sich, ähnlich wie beim HTC One, HDR-Videos anfertigen. Die Front-Kamera besitzt satte 5 Megapixel und bietet eine Funktion namens „Auto-Face Enhance“, mit der sich ein „Beauty Level“ einstellen lässt. Konkret handelt es sich dabei um eine Art Weichzeichner für Portrait-Aufnahmen, der außerdem die Augen automatisch vergrößert. Das ist nett gemeint , richtig brauchbar ist dieses Feature aber nicht.
Vor wenigen Monaten war es noch reine Utopie, dass der Neueinsteiger Huawei schon im Sommer 2013 in der Smartphone-Oberklasse mitmischen könnte. Mit dem Ascend P6 wird dies nun Realität, und dies obwohl das Gerät mit einem aktuellen Straßenpreis von 399 Euro preislich in der oberen Mittelklasse anzusiedeln ist. Die Kombination aus edlem Design, hochwertiger Verarbeitung und nützlichen Software-Extras hat uns gefallen. Leider hat der hauseigene Quad Core-Chip aber noch mit dem einen oder anderen Performance-Problem zu kämpfen und die sich stark am iPhone-Bedienkonzept orientierende Benutzeroberfläche „Emotion UI“ wird wohl nicht jedem eingefleischten Android-Fan gefallen.