Technik: Freiheit für Router! Ist das das Ende von Störerhaftung?

Der Router-Zwang bei Internet-Anschlüssen ist Vergangenheit – und die Störerhaftung bei WLAN-Hotspots ebenso. Bricht damit eine Ära der grenzenlosen Freiheit an?

Seit dem 1. August gilt das neue ­Gesetz zur Router-Freiheit – oder offiziell: das „Gesetz zur Auswahl und zum Anschluss von Telekommunikationsendgeräten“. Nötig wurde dieses Gesetz, weil etliche Internet-Anbieter ihren Kunden vorschreiben, welche Router sie verwenden dürfen. Das schränkt nach Meinung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie nicht nur die freie Produktauswahl der Verbraucher ein, sondern stellt auch eine Beschränkung des Wettbewerbs dar.

„Gerade aus Deutschland kommen viele Unternehmen, die innovative und hochwertige Router herstellen […]. Sie waren bisher durch den Routerzwang vom Markt de facto ausgeschlossen worden“, erläutert Dr. Oliver Grün, Präsident des Bundesverbands IT-Mittelstand (BITMi).

Das neue Gesetz erlaubt derartige Bevormundungen nun nicht mehr – und verpflichtet die Internet-Anbieter zudem, ihren Kunden die notwendigen Zugangsdaten „unaufgefordert und kostenfrei“ zur Verfügung zu stellen. Das gilt sowohl für neue Verträge als auch für die Verlängerung von bereits bestehenden Verträgen. Dadurch wird es jedem Kunden möglich, sich einen Router auszusuchen, der über diejenigen Zusatzfunktionen verfügt, die er für seine individuelle Nutzung des Internets tatsächlich benötigt.

Von Bedeutung ist dies vor allem für Benutzer von Internet-Anschlüssen per Kabel. Denn bei den meisten DSL-Anbietern ist es schon seit längerer Zeit üblich, dass die Kunden selbst entscheiden dürfen, welche Router sie benutzen.

Lebhafte Diskussionen

Das klingt alles sehr vernünftig und zivilisiert. Im Vorfeld gab es zu diesem Thema jedoch heftige Kontroversen. Bei den Router-Herstellern stieß der Gesetzesentwurf naturgemäß auf Wohlgefallen – und auch bei Verbraucherschützern. Die Kabelnetzbetreiber dagegen stellten sich quer: Sie warnten, dass das Verwenden ­inkompatibler Router dazu führen könne, dass Störungen im Netz des Betreibers auftreten – oder aber dass die vertraglich vereinbarten Datenübertragungsraten nicht sichergestellt werden könnten. Zeitweise war auch eine Zertifizierung der Router durch die Kabelnetzbetreiber im Gespräch.

Inzwischen hat sich die Aufregung aber größtenteils gelegt: Die Kabelnetzbetreiber weisen lediglich noch etwas mürrisch darauf hin, dass für den Support der Router nicht mehr sie selbst, sondern die jeweiligen Gerätehersteller zuständig seien. Und dass die Verantwortung beispielsweise für sicherheitsrelevante Einstellungen und Updates nun bei den Verbrauchern und bei den Router-Herstellern liege.

Störerhaftung

Deutschland ist eine Hotspot-Wüste: Hierzulande gibt es lediglich 1,9 WLAN-Hotspots pro 10.000 Einwohner. Zum Vergleich: In den USA sind es 4,8, in Frankreich 5,4 und in Großbritannien sogar 28,7 Hotspots pro 10.000 Einwohner.

Eine Ursache für das schlechte Abschneiden Deutschlands liegt darin, dass viele Anbieter von Hotspots aufgrund einer unklaren Rechtslage befürchten, wegen des Prinzips der sogenannten „Störerhaftung“ für Rechtsverletzungen der Nutzer ihres Hotspots haften zu müssen. Beispielsweise dann, wenn die Nutzer unerlaubterweise urheberrechtlich geschützte Inhalte herunterladen. Kleinere Betriebe wie Restaurants und Hotels verzichten daher oft auf das Anbieten eines WLAN-Internet-Zugangs für ihre Gäste.

Um diese Situation zu verbessern, hat der Deutsche Bundestag im Juni eine Änderung des Telemediengesetzes beschlossen, die besagt, dass private und gewerbliche Betreiber von Hotspots nicht für das Verhalten ihrer Benutzer haften. Damit gilt für die Hotspot-Betreiber derselbe Haftungsausschluss wie für die großen Internet-Anbieter. Diese Änderung wird voraussichtlich im Herbst in Kraft treten.

Der Haken bei der Sache: Es besteht für die Betreiber von Hotspots nach wie vor das Risiko, kostspielige Abmahnungen zu erhalten. In der Begründung des Bundestags ist zwar zu lesen, dass die Gesetzesänderung auch vor Abmahnkosten schützen soll. Im Gesetz selbst steht jedoch nichts davon. Einige Experten befürchten, dies werde dazu führen, dass Abmahnanwälte nach wie vor ihr Unwesen treiben können.

Dazu die niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz: „Wenn sich herausstellt, dass die mit der Gesetzesänderung verfolgten Ziele nicht erreicht werden können, bedarf es einer weiteren Anpassung des Telemediengesetzes.“

Kann es zu Störungen im Netz kommen, wenn Anwender ihre eigenen Router anschließen dürfen?

Michael Sadranowski: Die Grundlage für einen störungsfreien Betrieb ist die technische Kompatibilität von Netz und Endgerät auf der Basis internationaler Standards und Spezifikationen. FRITZ!Box unterstützt mit DOCSIS 3.0 diese Standards. Zum Start der Routerfreiheit ab August müssen alle Netzanbieter die Spezifikation über die Netzzugangsschnittstellen bekanntgeben. Sobald diese Spezifikationen vorliegen, können Endgerätehersteller sie umsetzen. Und Router, die diese Richtlinien einhalten, verursachen keine Störungen im Netz. AVM ist mit FRITZ!Box grundsätzlich vorbereitet auf die Routerfreiheit.

Ist es wichtig, beim Kauf eines Routers auf eine Zertifizierung zu achten?

Sadranowski: Router für die Verwendung in der Europäischen Union müssen eine CE-Zertifizierung bestehen und auch die entsprechende CE-Kennzeichnung tragen. Weitere spezielle Zertifizierungen, beispielsweise durch Internetanbieter, sind dagegen nicht nötig. Natürlich können Sie alle verfügbaren FRITZ!Box-Modelle für Ihren Anschluss verwenden.

Geht der Gesetzesentwurf zur Abschaffung der WLAN-Störerhaftung weit genug?

Sadranowski: WLAN wird mit dem Wegfall der Störerhaftung im Herbst noch stärker zum kabellosen Standard – auch unterwegs. Aus anderen Ländern kennt man ja schon die Vorzüge der einfachen Hotspot-Nutzung. Mit dem Gesetzesentwurf sind die wichtigsten Punkte für mehr Rechtssicherheit gesetzt.