Verlieren wir durch Navigationssysteme unseren Orientierungssinn?

Natürlich ist es praktisch, sich von Navigationssystemen unterstützen zu lassen. Leider aber führt das Verwenden solcher Systeme auch zu einer „kognitiven Trägheit“ – also zu einer Denkfaulheit, die den Orientierungssinn im Laufe der Zeit verkümmern lässt. Es gibt jedoch Methoden, dem entgegenzuwirken.

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Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen untersuchen, wie der Orientierungssinn des Menschen funktioniert – und welchen Einfluss die zunehmende Verwendung von GPS-Systemen auf diese Orientierungsfähigkeiten hat. (Foto: Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik)

Seit 1978 ist das Navigationssatellitensystem GPS in Betrieb. Und seit dem Jahr 2000 bietet es auch zivilen Anwendern eine brauchbare Genauigkeit. Heutzutage kommt GPS-Technik in Milliarden von fest eingebauten und mobilen Navigationssystemen sowie natürlich auch in Smartphones zum Einsatz. Und nur relativ selten gerät man als Anwender in Situationen, in denen man sich Stadtpläne aus Papier zurückwünscht.

Allerdings befürchten Wissenschaftler, dass die wachsende Abhängigkeit von Navigationssystemen unseren angeborenen Orientierungssinn verkümmern lassen kann.

Denkfaulheit

Der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Stefan Münzer vor der Universität Mannheim beispielsweise und der Kognitionswissenschaftler Prof. Toru Ishikawa von der Universität Tokio haben mit Experimenten nachgewiesen, dass Benutzer von Navigationssystemen sich zwar weniger häufig verfahren – sich aber auch weniger gut an markante Stellen erinnern können, an denen sie vorbeigefahren sind. Das erschwert es ihnen, sich zurechtzufinden, wenn sie dieselbe Strecke noch einmal ohne GPS-Unterstützung zurücklegen müssen.

Darüber hinaus, so Münzer, liege die Vermutung nahe, dass Nutzer von Assistenzsystemen eine Art kognitive Trägheit entwickeln und sich nicht mehr eigenständig orientieren.

Trainieren statt Beklagen

Der Psychologe Dr. Tobias Meilinger vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen kommentiert seine eigenen Untersuchungsergebnisse zu ähnlichen Fragestellungen: „Wenn jemand kein Interesse daran hat, seine Umgebung kennenzulernen, so ist das von mir aus völlig in Ordnung. Aber er sollte sich nicht beklagen, wenn sein Smartphone ausfällt und er sich dann komplett verirrt.“

Seine Kollegin Julia Frankenstein erläutert, wie man dies vermeiden kann: „Schauen Sie sich Straßenkarten an, bevor Sie Ihre Reise antreten. Halten Sie sie griffbereit, navigieren aber selbst, und versuchen Sie dabei, sich auf Ihr Gedächtnis zu verlassen. Es wird besser funktionieren, als Sie erwarten! Geben Sie Ihrem Gehirn die Möglichkeit, seine räumlichen Fähigkeiten zu trainieren. Benutzen Sie sie – oder verlieren Sie sie.“

Navigations-Apps wie Google Maps (links) und Here (rechts) erleichtern es uns, den besten Weg zu finden – führen aber auch zu einer Verkümmerung des Orientierungssinns.

Quellen: Journal of Environmental Psychology, Journal of Environmental Psychology, Association for Psychological Science, Informationsdienst Wissenschaft