Android 5.0 Lollipop – das ist neu

Das lange Warten hat ein Ende – die ersten Geräte mit Android 5.0 „Lollipop“ sind am Markt, nach und nach breitet sich die neue Version des Google-Betriebssystems auch auf die Bestandsgeräte aus. Wir präsentieren die interessantesten Neuerungen der finalen Version von „Lollipop“ im Detail.

Zwischen der ursprünglichen Vorstellung des neuen Google-Betriebssystems im Juni und dem finalen Release verging so viel Zeit, dass der erst im Herbst bekanntgegebene Versionsname „Android Lollipop“ nun Schwierigkeiten hat, sich gegen die inzwischen schon gewohnte Bezeichnung „Android L“ durchzusetzen. Aber nicht nur an den Namen konnte man sich schon bald gewöhnen: Mit den frühzeitig herausgegebenen „Developer Previews“ konnten Entwickler und experimentierfreudigen Nutzer das neue Android schon einige Monate lang ausprobieren. Die meisten Neuerungen – das umgestaltete Benachrichtigungssystem, die „smarte Entsperrung“ mittels Android Wear-Geräten und die neue Multitasking-Ansicht waren in den Vorschau-Versionen schon verfügbar.

Andere – allen voran Google-Apps wie GMail, SMS-App und Dialer im neuen Gewand – wurden erst mit der finalen Version geliefert. Einige der neuen Features sind zweifelsohne von Entwicklungen anderer Hersteller inspiriert – die Möglichkeit etwa, Benachrichtigungen zu gewissen Uhrzeiten still zu schalten, ist von iOS bekannt – sie ist bei Android aber besser anpassbar. Bei anderen Dingen betritt Android Neuland: Die Idee, die Bildschirmsperre in vertrauten Umgebungen automatisch zu deaktivieren etwa ist völlig neu.

Optisch kommt Android Lollipop deutlich freundlicher und farbenfroher daher als seine Vorgängerversionen, das Konzept „Material Design“ bringt frischen Wind.

Viele Nutzer müssen nun bangen, ob ihr Smartphone noch mit einem Update vom Hersteller versorgt wird. Besitzer von neueren Google Nexus-Smartphones genießen eine privilegierte Position – sogar das mittlerweile über zwei Jahre alte Nexus 4 erhält das Update, Google geht damit über seine bisherige 18-Monate-Garantie hinaus. Aber auch andere Hersteller setzen mittlerweile auf Transparenz: HTC kündigte schon im Sommer an, das Update für eine Reihe von aktuellen Geräten binnen 90 Tagen (ab der Veröffentlichung des Quellcodes durch Google) zu liefern, Sony hat das Update für die gesamte Xperia Z-Reihe angekündigt. Branchen-Schwergewicht Samsung schweigt sich offiziell zwar weitgehend aus, für Geräte wie S5 und Note 4 gilt ein baldiges Update dennoch als fix. Den aktuellen Wissensstand zu Update-Terminen finden Sie hier.

Der neue Sperrbildschirm

Ist keine Displaysperre mit Muster, PIN oder Gesichtserkennung eingestellt, wird  der Bildschirm durch einen Wisch nach oben entsperrt. Wie gewohnt lässt sich in einem Schritt mit der Entsperrung auch die Kamera direkt vom Sperrbildschirm aktivieren,  (Wisch von der rechten Bildschirmkante). Neu ist die Möglichkeit, per Wisch von der linken Bildschirmkante auch gleich die Telefon-App zu starten.

Benachrichtigungen

Eine bedeutende Innovation ist die Darstellung von Benachrichtigungen direkt am Sperrbildschirm. So sehen Sie auf einen Blick neue Mails, verpasste Anrufe und Push-Nachrichten von Apps. Mit einem Wisch nach rechts können Sie die Benachrichtigung entfernen. In den Einstellungen legen Sie fest, ob  Sie sensible Inhalte (wie Absender und Betreff von eingegangenen E-Mails) am Sperrbildschirm ausblenden wollen – immerhin sind diese ja auch ohne Kenntnis von Sperrmuster oder PIN zugänglich.

Bitte nicht stören!

Eintrudelnde E-Mails, WhatsApp-Nachrichten, SMS und Anrufe – nicht immer muss oder will man von seinem Smartphone darüber sofort fiepend, vibrierend oder blinkend informiert werden. Android Lollipop lässt sich deshalb fallweise oder per Zeitplan in einen Modus versetzen, in dem nur wichtige Benachrichtigungen zu Ihnen durchdringen. Was „wichtig“ ist, legen Sie im Menüpunkt „Unterbrechungen“ fest und wählen dabei zwischen Terminen, Erinnerungen, Anrufen und Nachrichten. Die letzteren beiden können Sie überdies auf Kontakte im Telefonbuch oder nur auf markierte Kontakte (Favoriten) beschränken. So bleiben Sie zum Beispiel zu später Stunde für Ihre Liebsten oder in Meetings für den Chef erreichbar, während das Handy bei Werbe-Mails und Newslettern still bleibt.

Den „Wichtig“-Modus (im englischen Original weniger sperrig „priority mode“ genannt) aktivieren Sie über die Lautstärke-Wippe. Auf Wunsch wird der Modus zeitlich beschränkt – etwa damit die Benachrichtigungen nach der einstündigen Besprechung oder dem halbstündigen Nickerchen automatisch wieder hörbar werden. Für die Nachtruhe sorgt ein Zeitplan im Einstellungsmenü. Sie können Tage und Uhrzeiten festlegen, zu denen automatisch der „Wichtig“-Modus gilt.

Fallweise (aber nicht per Zeitplan) können Sie die Benachrichtigungen über die Schaltfläche „Keine“ auch gänzlich deaktivieren – dann bleiben Sie auch von markierten Kontakten ungestört und sogar der gestellte Wecker bleibt still.

Multi-User und Gast-Modus

Android Lollipop bringt die Multi-User-Funktion, die bisher Tablets vorbehalten war, auch aufs Smartphone. So können Sie ein Gerät mit mehreren Nutzern teilen und Daten, Fotos, Apps und Einstellungen dennoch streng trennen und mit jeweils eigenem Sperrmuster schützen. Das erleichtert auch die berufliche Nutzung von privaten Smartphones: Sie können am Arbeitsplatz einfach von einem Profil ins andere wechseln und müssen die Bereiche nicht vermengen. Ganz neu ist ein Gast-Modus, mit dem Sie Ihr Gerät kurz verleihen können, ohne um Ihre Privatsphäre bangen zu müssen. Praktisch für Menschen mit Kindern: Die „Bildschirmfixierung“ sorgt bei Bedarf dafür, dass der Racker auf dem elterlichen Gerät nur die gerade aktive App nutzen kann.

Neue Schnelleinstellungen

Die Schaltflächen in den Schnelleinstellungen führen nun nicht mehr in die entsprechenden Menüs, sondern aktivieren/deaktivieren die jeweilige Option (wie Bluetooth, WLAN..) gleich direkt. Nur über einen Tipp auf den Text unterhalb der Schaltfläche gelangen Sie ins jeweilige Einstellungsmenü. Außerdem neu: Der Helligkeitsregler legt auf Wunsch keinen absoluten Wert fest, sondern verfeinert die automatische Einstellung über das Umgebungslicht.

App-Wiederherstellung

Wer sein Android-Gerät wechselt, kann Apps und Einstellungen im Zuge der Einrichtung vom alten Gerät übertragen. Das funktioniert entweder per NFC oder über die im Google-Konto gespeicherten Daten und umfasst sogar die Platzierung von Symbolen am Homescreen. Im Gegensatz zur von Android KitKat gewohnten Wiederherstellung hat der Nutzer nun die Wahl zu entscheiden, welche der „alten“ Apps am neuen Gerät eingerichtet werden sollen. Das bietet eine willkommene Gelegenheit, aufzuräumen. Neben Apps werden nun auch auch Nutzerdaten (wie Spielstände, App-Logins usw.) im Google-Konto gespeichert und wiederhergestellt. Diese Möglichkeit unterstützen allerdings (noch) nicht alle Apps.

Entsperren mit Wearables

Sperrmuster, PIN und Co. schützen Ihre Daten, wenn das Smartphone oder Tablet in die falschen Hände gerät. Viele Nutzer verzichten dennoch darauf, weil sie nicht zigfach täglich Muster zeichnen oder Ziffern eingeben wollen. Die Entsperrung über „vertraute Geräte“ macht die Sache nun einfacher. Das Eingeben des Codes entfällt, solange das Gerät mit einer Smartwatch oder einem anderen, vorher festgelegten Bluetooth-Gerät verbunden ist oder in der Nähe eines definierten NFC-Tags liegt. Schade dabei:  Viele Fitness-Armbänder eignen sich nicht zum Entsperren, weil sie keine durchgehende Bluetooth-Verbindung mit dem Smartphone halten.

Neue Multitasking-Ansicht

Zwischen geöffneten Apps wechseln Sie, indem Sie in gestaffelten Karten blättern. Ebenfalls neu und fallweise sehr praktisch: Eine einzelne App kann mehrere Multitasking-Karten anlegen – so können Sie schnell zwischen zwei Bereichen einer Anwendung wechseln.

Google-Apps im neuen Gewand

Googles eigene Apps wie GMail, Kalender, Play Store und  Co wurden auf die neue Designsprache Material Design geeicht und (wie im Fall der Kalender-App) auch in den Bedienkonzepten stark verändert.

SMS-App löst Hangouts ab

Nicht mehr „Hangouts“ sondern eine schlanke, eigenständige SMS-App ist nun für Textnachrichten zuständig. Google nimmt damit einen in Android 4.4 getanen Schritt wieder zurück, die Mischung von Hangouts-Messages und SMS hat viele Nutzer scheinbar überfordert.

Energiesparmodus

Ein Energiesparmodus dreht die Prozessor-Taktung zurück und deaktiviert Hintergrundsynchronisierung von Apps sowie die Vibration bei Benachrichtigungen. Das senkte den Stromverbrauch in unseren Tests um etwa 20%.

Kommentar

Android Lollipop unternimmt in vielen Dingen einen großen Satz nach vorne. Besonders im Sicherheitsbereich hat sich einiges getan: Die mit der neuen Android-Version ausgelieferten Geräte sind nun standardmäßig verschlüsselt. Geht eines verloren oder wird es gestohlen, müssen Sie also nicht um Ihre Daten fürchten – sofern Sie eine sichere Sperrmethode gewählt haben. Damit diese Sperre nicht den Arbeitsfluss stört (und deswegen deaktiviert wird) hat Google die „Trust Agents“ eingeführt, mit denen sich sichere Bereiche (wie der Nahbereich einer Smartwatch) definieren lassen, in denen der Code oder das Muster nicht eingegeben werden muss. Man kann davon ausgehen, dass dieses System künftig weiter verfeinert wird, so dass Sicherheit und Bequemlichkeit noch besser vereinbar werden. Kuriosum am Rande: Die SELinux-Sicherheits-Erweiterung, deren Benutzung unter Android Lollipop für Apps nun verplichtend ist, wird federführend (und ganz offiziell) vom US-Geheimdienst NSA mitentwickelt. Da SELinux gänzlich quelloffen ist, steht dennoch nichts zu befürchten.

Lollipop – ein großer Satz nach vorne für Android

Aber genug von der Sicherheit. Eine weitere Front, an der Android Lollipop viel Neues bringt, ist die Vereinheitlichung der Design- und Bedienkonzepte quer über die Plattformen. Die Grenze zwischen Smartphone und Desktop verschwimmt – „Hamburger-Menüs“ und der charakteristisch runde „Floating Action Button“ in der rechten unteren Ecke halten in immer mehr Bereichen Einzug. Bei den Features schließlich hat sich Google auch so manches von anderen Herstellern (vor allem von deren Android-Varianten) abgekuckt und viele dieser Ideen, wie etwa mit dem neuen „Wichtig“-Modus bei den Benachrichtigungen, sehr erfolgreich weitergesponnen. Erfreulich für die Nutzer ist, dass viele Hardware-Hersteller nun mehr Transparenz walten lassen und das Update schneller auf ihre Geräte bringen.