Der Patentstreit geht weiter

Zwischen den Handyherstellern herrscht seit über einem Jahr Krieg, genaugenommen Kalter Krieg. Jedes Unternehmen will der Branchenleader sein und entsprechend wird allerorts aufgerüstet. Und womit kämpfen die Kontrahenten? Nun das Zeitalter der schweren Geschütze haben wir längst hinter uns gelassen, heute wird subtiler gekämpft bzw. aufgerüstet, nämlich mit Patenten.

Ein Patent ist ein gewerbliches Schutzrecht für eine Erfindung, das den Patente-Inhaber berechtigt, anderen die Benutzung seiner Erfindung zu untersagen. Und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist, was das Anmelden von Patenten betrifft, natürlich auch fast alles möglich. Überspitzt formuliert: Wenn Sie der Meinung sind, nur Sie hätten das Recht, exakt fünf Schritte mit einem Einheitsabstand von 70 cm vorwärts zu gehen, dann lassen Sie sich das doch einfach patentieren. Wehe dem, der nun ebenfalls auf die aberwitzige Idee käme, fünf gleich lange Schritte vorwärts zu machen. Er würde Ihr Patent verletzen und Sie gleichzeitig zum Millionär machen – zumindest in Amerika.

Kein Wunder also, dass sich in Amerika mit den Aufkommen der Smartphones und deren Bedienung mittels Touchscreen die Unternehmen Gedanken machten, wie man sich bestimmte Navigationspraktiken schützen lassen konnte. Und so ließ sich Microsoft z.B. das Navigieren zwischen vier Elementen auf einem Smartphone patentieren, während Apple sich etwa die Integration von User-Apps schützen ließ und Google die Navigation in einer dreidimensionalen Umgebung. Motorola wiederum ließ sich eine Methode zur Implementierung der Zoom-Funktion auf einem tragbaren Gerät mit aufklappbaren Touchscreen patentieren.

Ein Patent ist ein gewerbliches Schutzrecht für eine Erfindung, das den Patente-Inhaber berechtigt, anderen die Benutzung seiner Erfindung zu untersagen.

Patente in Hülle und Fülle

Es liegt auf der Hand, dass der eine dem anderen da schon mal in die Quere kommen kann. Schließlich gibt es bei einem Touchscreen ja nicht unendlich viele Möglichkeiten ihn mit Hilfe der Finger zu bedienen. Ein Fingerwisch bleibt ein Fingerwisch. Und wenn die iPhone-User ihn von links nach rechts ausführen, dann sollten die Android-Anwender ihn gefälligst in die umgekehrte Richtung durchführen oder sonst wie, aber eben keinesfalls auch von links nach rechts.

Apple verfügt auch bei Mobile Devices über zahlreiche Patente, darunter auch über eines zur Integration von User-Apps.

 

Werfen Sie doch mal einen Blick auf die US-Patente, alleine was Smartphones betrifft. Google selbst listet die meisten auf, und zwar auf www.google.com/patents. Geben Sie „Smartphone“ in die Suchleiste ein und schon haben Sie annähernd 10.000 Suchtreffer. Erweitern Sie die Suche auf „mobile device“ kommen Sie auf annähernd 35.000 Treffer und „Android“ alleine bringt auch noch über 2.500. Wenn Sie die Begriffe in den erweiterten Sucheinstellungen dann noch mit den diversen Begünstigten (Assignees) wie Google, Apple, Microsoft und Motorola  verknüpfen, haben Sie schon mal eine Vorstellung davon, wie groß die Abteilungen in Redmond oder Cupertino sind, die den lieben langen Tag nichts anderes machen, als mehr oder weniger sinnfreie Patente einzureichen.

 

Das Waffenarsenal

Die Klagewut der letzten Monate hat uns gezeigt, dass Patente im übertragenen Sinne dennoch schweres Geschütz sind. Und so wie die Amerikaner im Kalten Krieg mit den Russen darum kämpften, wer denn die meisten Atomsprengköpfe hat, so reißen die großen Konzerne nun alle Patente an sich, derer sie habhaft werden können. In der Hoffnung, dass dies den Gegner abschrecken würde.

Tut es aber nicht, und genau darin liegt das Problem. Jeder kleine Unternehmer weiß es: Klagen bringt nichts, außer dem Rechtsanwalt: nämlich einen schönen Batzen Geld. Die großen Unternehmer sollten es auch wissen, aber was tun sie? Sie beliefern uns beinahe im Tagesrhythmus mit Mitteilungen, dass man B verklagt habe, weil B abgeguckt habe.

Es darf bezweifelt werden, dass das Aufrüsten mit Patenten zum Erfolg führt. Nicht nur weil die Energie in nicht gerade konstruktiven Aktionen gebündelt wird, sondern auch, weil das für die Aufrüstung aufgewendete Geld an allen anderen Ecken und Enden fehlen wird. Was hätte Google doch Sinnvolles und Innovatives für 12,5 Milliarden Dollar machen können. Einen so teuren Schutzschild aufzubauen ist jedenfalls wenig innovativ.

Die Auswirkungen

Und was ist mit den Kunden? Die bleiben auf der Strecke. Immerhin kann sich der Kunde in Europa im Moment nicht zwischen einem iPad und einem Samsung Galaxy Tab entscheiden. Letzteres darf ja nicht ausgeliefert werden – die Niederlande ausgenommen. Wir sind in unserer Entscheidungsfreiheit also eingeschränkt. Dabei ging es im Prozess zwischen Apple und Samsung vor dem Düsseldorfer Landgericht ja nicht einmal um die Verletzung von Patenten. Vielmehr ging es dabei um die Verletzung eines Geschmacksmusters. Das ist ein gewerbliches Schutzrecht, das den Inhaber die ausschließliche Befugnis zur Benutzung einer ästhetischen Gestaltungsform verleiht. Apple war jedenfalls der Meinung, dass das Galaxy Tab dem iPad täuschend ähnlich sehe. Aber wenn es nach dem Antrag von Apple geht, dürfte so gut wie jedes Produkt, das derzeit als Tablet durchgeht, eine schamlose Imitation des iPads sein.

Verhandlung am Landgericht Düsseldorf zwischen Apple und Samsung am 25.August. Rechts im Bild der Vertreter von Samsung, RA Dr. Timmann von der Kanzlei „rospatt osten pross“. Foto: www.allaboutsamsung.de



Die Chancen von Apple

Na, mal sehen, wie die Richter das letztendlich beurteilen. Samsung wird natürlich beweisen wollen, dass der Gestaltungsform bei einem Tablet enge Grenzen gesetzt sind, so wie etwa bei einem Fernseher. Den kann man auch nicht oval machen, nur weil ein Mitbewerber zuvor einen rechteckigen hergestellt hat. Auch Medienanwalt Christian Solmecke kommentiert die Entscheidung aus Düsseldorf kritisch und sieht sie bereits in der nächsten Instanz kippen. Er meint: „Ob das Design des iPads wirklich so neuartig und innovativ ist, … oder ob sich dieses nicht im Wesentlichen aus den technischen Anforderungen an einen Tablet-Computer ergibt, wird wohl als nächstes das Oberlandesgericht Düsseldorf in der Berufungsinstanz beschäftigen. Jedenfalls ist es kaum vorstellbar, dass Samsung das heutige Urteil als letztes Wort in der Sache anerkennen wird.“

Man muss sich ja nur einmal den Aufwand vorstellen, der nötig ist, um seine Mitbewerber in jedem Land der Welt ausbooten zu wollen und dies durch den Vorwurf möglicher Patentverletzungen. Wenn man sich die Frage stellt, wer sich das leisten kann, dann lautet die Antwort eindeutig Apple. Apple verdient mit Abstand am meisten in der Smartphone-Branche, im vergangenen Jahr waren es immerhin 23,6 Milliarden US-Dollar. Apple war am 9. August für mehrere Stunden sogar das wertvollste Unternehmen der Welt, was den Börsenwert betrifft. Der sinkende Ölpreis hatte dem Mineralölkonzern Exxon Mobile kurzzeitig die Spitzenposition gekostet.

Aber auch Google hat schon angekündigt, seine Hardware-Partner in jeder Beziehung zu unterstützen. Die Unterstützung für Motorola mündete halt gleich in eine Übernahme. Und Google ist auch kein Leichtgewicht. Wer sollte sich also nun wärmer anziehen?

Den „innovativen Stil des iPad“ definiert Apple wie folgt:



Angstgesteuert?

Mit welcher Dynamik der Android-Markt wächst, muss ja den Mitbewerbern in der Tat Angst einflößen. Oder besser gesagt dem Mitbewerber, denn im Moment haben sich Microsoft, Nokia und RIM als echte Konkurrenten verabschiedet. Und der Rundumschlag Apples auf allen nur möglichen Gerichten der Welt dürfte wohl auch angstgesteuert sein. Niemand bleibt ewig am Thron,vor allem wenn das Zugpferd ausgedient hat. Das weiß auch Apple. Und wenn man die finanziellen Mittel hat, die Konkurrenz auf Abstand zu halten, dann muss man das auch versuchen. Das erwarten ja die Anleger.

Und was bringt die Zukunft?

Apple wird sich das Annehmen eines Telefongesprächs patentieren lassen, Google das Telefonieren selbst und Microsoft das Auflegen. Dann kann man mit einem iPhone zwar ein Gespräch beginnen, zum Telefonieren selbst muss man aber auf ein Android-Gerät wechseln und will man das Gespräch schließlich beenden, dann braucht man ein drittes Smartphone, eines mit Windows Phone. Den Anwendern wird es dann zu dumm. Sie werfen ihre Smartphones in die Mülltonne, kramen die angestaubten Festnetztelefone hervor und pfeifen auf Apple und Co. Oder haben die sich etwa vor Jahren schon das Wählen und Telefonieren mit einem Telefonapparat patentieren lassen?

Bewusste Manipulation? Das Seitenverhältnis des iPads beträgt 4:3, jenes des Galaxy Tab 16:9. Auf dem von Apple dem Landgericht vorgelegten Bild sehen beide Tablets aber nahezu identisch aus, auch das markante Samsung-Logo auf der unteren Breitseite ist nicht zu sehen.