Du zählst jeden Schritt, misst den Puls und protokollieren die Schlafqualität – Fitness-Armbänder rollen den boomenden Markt der Wearables auf. Das Sammeln von Zahlen, Daten und Fakten soll technologie-affinen Faulpelzen helfen, die Motivation zu mehr körperlicher Aktivität und richtigem Gesundheitsverhalten zu finden. Wir haben sieben aktuelle Geräte getragen und bewertet.
Das „quantified self movement“ – zu Deutsch könnte man es holprig die „Selbstvermessungsbewegung“ nennen – hat so etwas wie ein Gründungsmanifest in Form eines ellenlangen Artikels im New York Times Magazine aus dem Jahr 2010. Unter dem Titel „The Data-Driven Life“ beschreibt der Journalist und Autor Gary Wolf darin einen Trend unter Ingenieuren und Führungskräften im Silicon Valley, quantitative Methoden aus der Welt der Wirtschaft und Technik auf ihren persönlichen Alltag anzuwenden. So erzählt er etwa die Geschichte eines britischen Software-Designers, der seine Kaffeesucht besiegt, indem er die konsumierte Menge in Milliliter-Schritten reduziert. Oder die eines 26-jährigen Filmemachers, der sein Leben in 50 separaten Datenströmen erfasst – von gelesenen Büchern und gesehenen Filmen über Unterhaltungen mit Freunden bis hin zu Alltagsaktivitäten und Gesundheit. Der Journalist Wolf, der das Thema seit Jahren verfolgt, war es dann auch, der die Organisation “Quantified Self” gründete. Diese richtet unter anderem Konferenzen aus, bei denen enthusiastische Life-Tracker aus aller Welt ihre persönlichen Projekte zur exakten Selbstbeobachtung präsentieren. Die letzte dieser Konferenzen fand erst diesen Mai in Amsterdam statt und stieß auf reges Interesse.
Zahlen, Daten und Fakten helfen dabei, Probleme von der emotionalen auf die intellektuelle Ebene zu heben und sie damit greifbarer zu machen. So werden die überflüssigen Pfunde, der sitzende Lebensstil und der plagende Schlafmangel von einer verdrängten Belastung zu einer spannenden Herausforderung: Das Sammeln der Daten an sich macht Spaß, es lenkt von sonst vielleicht als langweilig empfundenen Aktivitäten ab, erlaubt es, Zwischenziele zu formulieren und den erreichten Fortschritt auszuwerten.
Vermessen oder vergessen?
Kritiker freilich monieren, dass mit dem rigorosen Datensammeln ein wichtiger Erholungseffekt von Körpertraining ausbleibe – wer nach einem hektischen Tag im Büro auch noch beim Laufen am Abend seinen Kopf mit Zahlen füllt, wird kaum das psychische „Abschalten” vollführen können, das viele Läufer am Ausdauertraining so besonders schätzen. Das Selbst-Vermessen ist dem Ziel des Selbst-Vergessens diametral entgegengesetzt. Liegt nun die westliche Aufklärungstradition oder die östliche Philosophie richtig? Weist das vermessene Selbst den Weg zu einem besseren, gesünderen Leben oder ist es ein spätkapitalistischer Neurosenbrüter? Wir brechen den philosophischen Exkurs an dieser Stelle lieber ab und stürzen uns direkt auf die Geräte.
Life-Tracker, Pulsuhr, Smartwatch
Sieben Armbänder hat die Redaktion getestet – eine Übersicht findest du in der Vergleichstabelle am Ende des Artikels. Neben sogenannten Life-Trackern (Fitbit Flex, Jawbone Up, Sony SmartBand, Misfit Shine), die vor allem den Alltag protokollieren, stehen die Geräte von Polar (Loop) und Garmin (vivofit), deren Fokus auf Ausdauertraining liegt. Schließlich haben wir uns mit dem Gear Fit von Samsung einen Hybriden aus Smartwatch und Fitness-Armband angesehen. Äußerlich bestehen die Armbänder großteils aus Silikon oder TPU, bei manchen (Fitbit, Misfit, Sony) kann die Sensoreinheit aus dem Band bzw. dem Halter genommen werden.
Life-Tracker, Pulsuhr, Smartwatch –
ein ungleiches Feld
Smarter Schmuck
In puncto Design tanzt das Misfit Shine positiv aus der Reihe – die minimalistische Metallscheibe mit der Sensoreinheit ist ein richtiger Hingucker und kann neben dem Armband auch in eine magnetische Schließe eingesetzt und an der Kleidung getragen werden. Der Ring von weißen LEDs, die zur Anzeige dienen, ist im ausgeschalteten Zustand kaum sichtbar. Auch Fitbit Flex, und Jawbone Up setzen auf einzelne LEDs. Garmin vivofit und Polar Loop dagegen sind mit richtigen Displays (LCD- bzw. LED-Punktmatrix) ausgestattet. Das Samsung Gear Fit spielt mit seinem Farb-OLED-Touch-Bildschirm ganz in der Smartwatch-Klasse. Schließlich fungiert es im Zusammenspiel mit Samsung Galaxy-Smartphones ja auch als solche – es leitet Benachrichtigung bei E-Mails und SMS weiter, zeigt Anrufer an und gewährt Zugriff auf die Mediensteuerung. Benachrichtigungen und Musiksteuerung beherrscht zwar auch das Sony SmartBand, es kommuniziert aber nur per Vibration und LEDs.
Zur Technik: Alle Geräte im Test haben Bewegungssensoren zur Messung von Beschleunigung und Lage an Bord. Die Hauptanwendung dieser Sensoren ist es, Zahl und Frequenz von Schritten zu zählen, aus denen die Apps weitere Werte wie Entfernung und verbrannte Kalorien errechnen. Die geringe Zahl der Fitness-Armbänder, die auch einen Pulsmesser integriert haben, erstaunt zunächst – schließlich ist die Herzfrequenz das ultimative Maß für die körperliche Aktivität. Es scheint jedoch technische Gründe zu geben, die die Pulsmessung am Handgelenk erschweren – für korrekte Messergebnisse beim Sport ist ein Brustgurt unerlässlich – die Geräte von Garmin und Polar lassen sich drahtlos an solche koppeln. Bei Garmin geschieht das über den Funkstandard ANT+, es sollten also auch manche Brustgurte von Drittherstellern kompatibel sein.
Tappen, drücken, wischen
Vom Gear Fit mit seinem Touch-Bildschirm abgesehen, erfolgt die Bedienung entweder über einen einzelnen Button (Polar, Garmin, Jawbone, Sony) oder per Tap auf den Sensor (Fitbit, Misfit). Die Einrichtung und Bedienung gestaltet sich zunächst also oft etwas holprig, mitunter wird ein Blick in die Anleitung nötig. Nur Jawbone und Sony nutzen die Möglichkeit, die Bedienung des Armbands über die App am gekoppelten Smartphone zu erklären. Apropos koppeln – alle Geräte im Test verwenden Bluetooth 4.0 – Ihr Smartphone muss diesen Standard also ebenfalls beherrschen. Das Armband von Jawbone liegt in einer Bluetooth-Variante („UP24“) und einer mit Stecker (schlicht „UP“) vor, bei der die Daten per Klinken-Eingang des Smartphones übermittelt werden. Allgemein erfolgt die Synchronisation der Armbänder entweder automatisch beim Starten der dazugehörigen App (Samsung, Jawbone, Fitbit, Sony, Misfit), oder manuell per Knopfdruck (Garmin, Polar). Als erster Schritt werden in den Apps durchweg Daten zu Körpergröße, -gewicht, Alter und Geschlecht erhoben und ein Benutzerkonto angelegt, mit dem die Sensordaten abgeglichen und gesichert werden. Das ermöglicht es den Herstellern, die Informationen neben den Apps auch über Web-Portale abrufbar zu machen. Die Frage, ob den Anbietern mit den Gesundheits- und Aktivitätsdaten zu vertrauen ist, muss wohl jeder Nutzer für sich entscheiden – eine transparente Möglichkeit, die Daten nur lokal zu halten, bietet keine der getesteten Hersteller-Apps. Immerhin, alle davon lassen sich auch ohne authentischen Klarnamen und ohne Verknüpfung mit Sozialnetzwerk-Profilen nutzen.
Schrittmaß
Das wichtigste Maß für körperliche Aktivität, an dem sich die Apps orientieren, ist die Zahl der Schritte. Das tägliche Ziel wird meist bei 10.000 Schritten angesetzt – eine Zahl, die von Organisationen wie der American Heart Association empfohlen werden. Die Ziele lassen sich in den Apps aber individuell anpassen. Bei allen Armbändern außer dem Jawbone UP und dem Sony SmartBand kann der Fortschritt zum gesetzten Ziel auch direkt am Gerät abgelesen werden. Das Misfit Shine lässt dazu bis zu zwölf weiße LEDs im Kranz aufleuchten, das Garmin vivofit zählt vom gesteckten Schritte-Ziel herunter und das Gear Fit zum Ziel hinauf. Im mehrtägigen Vergleich wichen die einzelnen Geräte dabei höchstens 10% vom ermittelten Durchschnitt ab. Das Jawbone zeigte sich bei der Zählung am geizigsten (9,7% weniger als der Schnitt), das Garmin am großzügigsten (8,3% mehr als der Schnitt). Das sind durchaus zufriedenstellende Werte – was bei der täglichen Aktivität zählt, sind ohnehin eher die relativen Zahlen.
Um den Nutzer zu mehr Aktivität zu motivieren, arbeiten die Geräte bzw. Apps mit Lob, Tadel und hilfreichen Vorschlägen. Das Gear Fit spielt dabei den Vorzug des vollwertigen Bildschirms voll aus, indem es kurz vibriert und eine Medaille anzeigt, sobald 50% bzw. 100% des gesteckten Tagesziels erreicht sind. Das Jawbone (in der drahtlosen Version) vibriert auf Wunsch kurz, wenn Teilziele erreicht sind, das Fitbit vibriert beim Gesamtziel und das Polar Loop liefert direkt am Band Vorschläge wie das Aktivitätsziel zu erreichen ist – durch 50 Minuten joggen etwa, oder 100 Minuten gehen. Aber auch wenn der Träger zu lange inaktiv ist, melden sich die Armbänder, schließlich sind lange andauernde Sitzperioden der Gesundheit abträglich. So beginnt das Garmin vivofit nach einer bewegungslosen Stunde einen roten Balken anzuzeigen, der mit jeder weiteren Viertelstunde länger wird. Das Jawbone vibriert nach einer (einstellbar) zu langen Ruhezeit und das Polar Loop zeigt den Schriftzug „It‘s time to move“.
Apps: Licht und Schatten
Was die zu den Armbändern gehörigen Apps angeht, ist das Bild der Testkandidaten sehr durchwachsen. Ohne Zweifel die am besten gestaltete App hat das Jawbone vorzuweisen. Die Anwendung ist intuitiv zu bedienen, voll von durchdachten Einstellungsmöglichkeiten und auch grafisch ein wahrer Leckerbissen. Die Daten werden übersichtlich präsentiert, aufgelockert durch „fun facts“ und Tipps aller Art. „Up by Jawbone“ ist die einzige App im Test, die auf Wunsch Anwendungen von Drittanbietern wie Runkeeper integriert. Auch die App von Fitbit ist optisch und funktionell sehr gelungen, aber weniger umfangreich als die von Jawbone. Sie konzentriert sich ganz auf die gesteckten Ziele, die Ansicht kann Tag für Tag durchgewischt werden. Die „Lifelog“-App von Sony ist zwar grafisch schön gestaltet, bietet aber allerhand Überflüssiges – so kann der Nutzer sich etwa ein Tages-Soll beim Medienkonsum setzen. Enttäuschend fallen die Apps für das Misfit Shine und die Fitness-App im „Gear Fit Manager“ bzw. S-Health von Samsung aus. Die Misfit-App stürzte im Test beim Synchronisieren mit dem Gerät häufig ab und es fehlen etliche Funktionen, die in der iPhone-App verfügbar sind – etwa das Benennen von geloggten Aktivitäten. Das Gear Fit von Samsung wird über die App „Gear Fit Manager“ verwaltet, die eine Sub-App für Fitnessdaten enthält. Im Test hatte die App Probleme beim Einlesen von Schrittzahl und Puls-Daten. Die S-Health-App von Samsung wiederum arbeitet erst ab Version 3.0 mit der Gear Fit zusammen und diese ist nicht einmal auf aktuellen Samsung-Phones durchgängig verfügbar. Um gleich bei der Schelte für Samsung zu bleiben: Der im Armband verbaute Pulsmesser versagte im Test zu oft. Bei Momentaufnahmen unter kontrollierten Bedingungen gelang die Messung am Handgelenk zwar zumeist, beim Laufen wichen die Daten aber um bis zu 80% vom Referenzgerät ab. Zur kontinuierlichen Überwachung der Herzfrequenz beim Sport bleiben also das Garmin vivofit und das Polar Loop, die zuverlässig mit Brustgurten messen. Das Jawbone Up misst keinen Puls, kann im Trainingsmodus aber Zeit, Schritte, Tempo und Strecke als separate Aktivität loggen.
„Zum Überwachen der Herzfrequenz beim Sport eignen sich das Garmin vivofit und das Polar Loop, die zuverlässig mit Brustgurten messen.“
Schlaf-Tracking
Neben dem Sport ist der Schlaf ein wichtiges Anwendungsfeld der smarten Armbänder. Nächtliche Bewegungsmuster lassen grobe Rückschlüsse auf die aktuelle Schlafphase zu – im Wachzustand, der Einschlaf- oder der REM-Phase ist der Körper mehr in Bewegung, im erholsamen Tiefschlaf weniger. Über die Lagesensoren zeichnen die Geräte die Bewegungsmuster auf, so dass ein Bild von Schlafdauer und -qualität im Zeitverlauf entsteht: Bekommt der Nutzer genug Schlaf? Wieviel Zeit verbringt er im Tiefschlaf? Wie lange liegt er wach? Die Armbänder müssen für die Aufzeichnung überwiegend manuell in den Schlafmodus versetzt werden. Nur das Misfit Shine und das Polar Loop (das leider lediglich die Schlafzeiten loggt) erkennen automatisch, wenn der Nutzer zu Bett geht – und sind dabei sogar überraschend präzise.
Fazit
Das Feld der Fitness-Armbänder in unserem Test ist dreigeteilt. Auf der einen Seite stehen die Geräte der Hersteller Garmin und Polar, die aus der Tradition der Pulsuhren kommen, und ihre Stärken dementsprechend beim Ausdauertraining zeigen. Auf der anderen Seite die Bänder von Jawbone, Sony, Fitbit und Misfit, bei denen der Life-Tracking-Aspekt im Vordergrund steht. Und schließlich, in einer Klasse für sich, das Samsung Gear Fit, das Life-Tracker und Smartwatch in sich vereinigt. Unter den getesteten Geräten deckt das Jawbone Up die meisten Anwendungsfelder am besten ab. Es ist vor allem die App, die das Gerät vor die anderen platziert – die ansprechende grafische Aufbereitung, der große Funktionsumfang und die intuitive Bedienung sind absolut top. Ernsthaften Sportlern, die auf exakte Pulsmessung nicht verzichten wollen, empfehlen wir das Garmin vivofit, das auch die Life-Tracking-Aufgaben nicht schlecht löst. Wer ein Samsung Galaxy-Smartphone besitzt, nicht allzu hohe Ansprüche an die Fitness-Funktionen stellt und Smartwatch-Anwendungen schätzt, ist mit dem Gear Fit gut bedient. Die Schwächen und Stärken der übrigen Geräte finden Sie in der abschließenden Tabelle.
7 GRÜNDE, Sport zu treiben
Die getesteten Geräte haben deutliche Stärken und Schwächen, sowohl in der Anwendung als Life-Tracker als auch als Trainingsbegleiter. Wir haben für Sie also ein Gesamt-Ranking erstellt. Ganz vorne finden sich die Geräte, die die meisten Anwendungsbereiche am besten abdecken, deren Bedienung sich am einfachsten gestaltet und deren Apps am umfangreichsten und am besten durchdacht sind.