In den letzten Jahren schaffte Samsung, was sich jeder Elektronikhersteller wünscht: Laufende mediale Präsenz, beliebte Produkte, Verkaufsrekorde en masse, vergleichsweise wenige Kritiken. Dem Erfolg ist harte Arbeit geschuldet – aber ist die Weste des koreanischen Elektronikriesen wirklich blütenweiß? Und auf wessen Kosten feiert Samsung seine Erfolge?
Als Lee Byung-Chul im Jahr 1938 sein Unternehmen – einen kleinen Laden für getrockneten Fisch namens Samsung – gründete, konnte er sich wohl in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen, gerade den Grundstein für den größten Elektronikkonzern der Welt gelegt zu haben. Samsung heißt übersetzt „drei Sterne“, gemeint sind damit die drei ehelichen Söhne des 1987 verstorbenen Firmengründers. Der jüngste der drei Brüder zeichnet auch für den beispiellosen Aufstieg vom Lebensmittelladen zu einem der Big Player im weltweiten Wirtschaftsgeschehen und zum größten Hersteller von Mobiltelefonen verantwortlich. 2012 hat Samsung das finnische Unternehmen Nokia in dieser Kategorie abgelöst.
Bis dahin war es aber ein weiter Weg: Erst nach dem Koreakrieg wagte Samsung erste Schritte in unbekannte Gefilde und stieg in die Bau- und verstärkt in die Nahrungsmittelbranche ein. Kaum jemand weiß dies hierzulande, aber Samsung ist heute der größte Nahrungsmittelhersteller Südkoreas. Die ständige mediale Präsenz des Flaggschiffs der Gruppe, Samsung Electronics, lässt die vielen Tochtergesellschaften zumindest in unseren Breitengraden verblassen. Dabei spielt Samsung in vielen Bereichen eine gewichtige Rolle: Von Schwerindustrie bis Feinchemie, von Lebensversicherungen bis Everland Resort, einem riesigen Freizeitpark in Südkorea – Es gibt kaum ein Geschäftsfeld, in dem die Koreaner nicht auf irgendeine Art und Weise mitmischen.
Allerdings sind die Beteiligungen aufgrund des undurchsichtigen Geflechts nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Bestens bekannt ist jedenfalls die Elektroniksparte – und zwar weltweit. Diese wurde erst im Jahre 1969 gegründet, entwickelte ich aber rasch zu einem transnationalen Unternehmen – und zu einem der größten Konkurrenten von Apple. Ein derartiger Erfolg war vor rund zwei Jahrzehnten dennoch nicht abzusehen. Damals produzierte Samsung billige Kopien westlicher Elektrogeräte und war im Standing der Kunden kaum höher angesiedelt als die aktuellen China-Importe mit zweifelhafter Qualität. Was ist also das Geheimnis des kometenhaften Aufstiegs? Wie schaffte es Samsung, namhafte Konkurrenten wie Sony, Panasonic und allen voran Apple in puncto Beliebtheit und Marktdominanz so klar hinter sich zu lassen?
Gründung der Firma Samsung im koreanischen Taegu durch den mittlerweile verstorbenen Lee Byung-Chull.
13 Jahre nach der Firmengründung wagt man den nächsten Schritt und gründet die Samsung Moolsan, die heutige Samsung Corporation.
Nach dem Koreakrieg steigt Samsung in die Baubranche und in die Lebensmittel- verarbeitung ein. Man errichtet die erste Weizenmühle und die erste Zuckerraffinerie in Korea.
In den Folgejahren beginnt Samsung, sich zahlreiche andere Firmen einzuverleiben. Viele dieser Firmen existieren heute noch als Teil der Samsung Group.
Ein Jahr nach der Firmengründung beginnt Samsung Electronics mit der Produktion von Schwarz-Weiß-Fernsehern.
Neben der Gründung von zwei weiteren Tochtergesellschaften beginnt Samsung mit der Produktion von Waschmaschinen und Kühlschränken.
Es geht Schlag auf Schlag: Samsung gründet weitere Unternehmenszweige und steigt in die Chemie-Branche ein. Außerdem beginnt man mit dem Export der ersten Farbfernseher.
Schon ein Jahr später verkauft man weltweit am meisten Fernsehgeräte, Samsung stürzt sich auf neue Geräte: Die Mikrowelle wird ab 1979 in Südkorea produziert.
Startschuss für die Produktion von Computern. Heute produziert Samsung vorwiegend Notebooks.
1989 erkannte man bei Samsung die Bedeutung der Elektronik-Sparte, woraufhin diese zum Flaggschiff der Gruppe wurde.
Das Jahr 1992 beginnt mit der Entwicklung eines Mobiltelefonsystems. In diesem Jahr lagert man erstmals Produktionsstätten nach China aus.
Schon ein Jahr später entwickelt Samsung ein „ultraleichtes Mobiltelefon“. Das SH-700 wiegt 100 Gramm, Samsung verkaufte ab 1994 16.000 Stück im Monat.
Ein Husarenstück gelang Samsung 1995: Das koreanische Unternehmen produzierte erstmals ein 22 Zoll großes TFT-Panel. Für damalige Standards war der Bildschirm riesig.
Als weltweit erstes Unternehmen brachte Samsung 1998 einen Flat Screen, also einen Bildschirm ohne die bis dahin symp tomatische Wölbung, auf den Markt. Außerdem stellte das Unternehmen das SCH-800 der Öffentlichkeit vor: Das Klapphandy war geboren.
1999 stellt Samsung das erste TVfähige Mobiltelefon vor. Sendungen werden auf einem 1,8 Zoll TFT-Display betrachtet.
Das 2004 vorgestellte Handy funktioniert in GSM- und CDMA-Netzen und damit in über 100 Ländern weltweit.
2006 ist Samsung Marktführer in sämtlichen TV-Bereichen, also sowohl bei LCD TVs als auch bei herkömmlichen Flat Screen-Geräten.
2010 folgte dann der große Clou: Samsung führte das Galaxy S ein, das erste einer herausragenden Reihe von Smartphones. Fast drei Jahre später erfreut sich das Gerät noch immer großer Beliebtheit.
Als erstes Tablet der Galaxy-Reihe wurde im September 2010 das Galaxy Tab vorgestellt. Heute belegt Samsung hinter Apple den zweiten Platz bei den Tablet-Verkäufen. Der Umsatz der Gruppe
lag 2010 bei 220 Mrd. US-Dollar.
Der Nachfolger des Galaxy S schlug alle Rekorde: Im ersten Jahr wurden 28 Millionen Stück verkauft!
Mittlerweile ist die dritte Generation der Galaxy S-Reihe auf dem Markt. Neu im Sortiment ist die Galaxy Camera, eine Digicam auf Android-Basis.
Die Geschichte Samsungs ist untrennbar mit der Familie Lee verbunden, die mittlerweile in zweiter Generation die Geschicke des Unternehmens leitet. Beinahe jedes Tochterunternehmen ist in den wichtigen Positionen mit Familienmitgliedern besetzt, ausländische Manager haben es im Unternehmen meist schwer. Derartige Clan-Strukturen sind in der südkoreanischen Wirtschaft keineswegs unüblich, auch andere Unternehmen wie LG oder Hyundai werden von Familien über Generationen geführt. Ganz oben an der Konzernspitze steht Lee Kun Hee, der Jüngste der drei Söhne des Firmengründers Lee Byung Chull. Die Tatsache, dass nicht der älteste Sprössling an der Unternehmensspitze steht, ist mehr als ungewöhnlich, ist es doch auch in Korea üblich, eben dem Ältesten die Führung zu übertragen. Der älteste Sohn, Lee Maeng Hee, zeigte jedoch zu wenige Führungsqualitäten. Die Geschwister – zu den drei Brüdern gesellen sich noch sechs Schwestern und ein Halb-bruder – streiten mittlerweile untereinander um das Unternehmen, das Erbe, und darum, wer die Nachfolge antritt – entweder Lee Kun Hee‘s Sohn oder sein Neffe, wodurch die ursprüngliche Linie wieder hergestellt wäre.
Wer immer den Vorsitz in Zukunft auch übernehmen wird (im Moment wird er von Kun Hee und den Geschäftsführern der einzelnen Tochtergesellschaften gehalten), er tritt in große Fußstapfen. In den letzten zwanzig Jahren mauserte sich Samsung zu einem Big Player am Elektronikmarkt – auch, weil es Lee Kun Hee wie kein Zweiter verstand, sich die digitale Revolution zunutze zu machen. Samsung geht äußerst aggressiv vor, immer nach dem Motto „Kopieren, lernen, verbessern“. Damit die Produkte so hochwertig wie möglich werden, beschäftigt der Elektronikriese innerhalb des eigenen Konzerns mehrere Forschungsstandorte, die untereinander im Wettstreit stehen – so gibt es beispielsweise zwei Abteilungen, die sich nur mit der Entwicklung von Smartphones auseinandersetzen.
Sieht Samsung einen Markt mit Potenzial, geht man immer nach demselben Credo vor: Es gilt, schneller zu sein als die Konkurrenz, koste es, was es wolle. Ist das geschafft, wird der Markt mit Samsung-Produkten regelrecht geflutet. Passend dazu eine kürzlich veröffentlichte Statistik, wonach der koreanische Elektroriese alleine in den letzten zwölf Monaten rund 40 neue Smartphones vom Stapel ließ. Es gibt Samsung-Smartphones mittlerweile mit allen gängigen Betriebssystemen – iOS ausgenommen, in jeder Preisklasse und für jeden Anwender. Weltweit bekannt ist die Galaxy-Serie, die sich seit dem ersten Modell größter Beliebtheit erfreut – in drei Jahren wurden rund 100 Millionen Galaxy-Geräte verkauft. Mittlerweile tragen sämtliche Mobilgeräte von Samsung den Beinamen „Galaxy“.
Aber auch in anderen Bereichen ist Samsung Marktführer, beispielsweise am TV-Markt. Auch hier war man vor einigen Jahren noch ein unbeschriebenes Blatt, mittlerweile erfreuen sich die zahlreichen Smart TV aus Seoul aber größter Beliebtheit. Alten Hasen in der Branche, wie beispielsweise Sony, Sharp oder Panasonic wurde schon lange der Rang abgelaufen. Auch hier wurde der Markt wieder mit vielen verschiedenen TV-Geräten überrollt.
Das mit Abstand erfolgreichste und hierzulande bekannteste Tochterunternehmen der Samsung Group ist die Elektronik-Sparte. Samsung Electronics ist in 72 Ländern mit ingesamt 197 Niederlassungen tätig und beschäftigt rund 206.000 Mitarbeiter. Neben Gebrauchsgegenständen wie Smartphones, Fernseher oder Notebooks fertigt Samsung Electronics auch Speichermedien, optische Laufwerke und TFT- sowie LCD-Panels. Der Gewinn im Jahre 2011 der Sparte belief sich auf 10,84 Milliarden Euro – davon rund 3 Milliarden alleine in Deutschland. Die deutsche Zentrale befindet sich in Schwalbach/Taunus, rund 400 Mitarbeiter sind dort angestellt. In Österreich hat sich Samsung in Wien niedergelassen.
Aber damit nicht genug, Samsung will noch mehr diversifizieren. So soll in Zukunft in andere Märkte und Geräte investiert werden, das primäre Ziel ist wohl der Tablet-Markt. In diesem Bereich führt in puncto Absatzzahlen noch der ungeliebte Konkurrent aus Cupertino. In weiterer Folge will Samsung aber auch mehr Augenmerk auf die sogenannte „weiße Ware“ legen. Gemeint sind damit Haushaltsgeräte und die Medizintechnik. Spätestens im Jahr 2015 will Samsung auch hier Marktführer sein, der Umsatz soll in den nächsten drei Jahren um ca. 50 Prozentpunkte steigen. Andere Unternehmen würden derartige Prognosen oder Ziele in den kühnsten Träumen nicht ausgeben, Samsung verfügt aber über einen unbestreitbaren Vorteil: Die Koreaner haben beinahe unbeschränktes Kapital. Durch den schwachen Won, einen über Jahrzehnte abgeschotteten Markt und potente staatliche Kredite verfügt das Unternehmen mittlerweile über Milliarden an verfügbarem Festkapital.
Hinzu kommt, dass auch Samsung – wie beinahe alle Elektronikunternehmen – äußerst günstig produzieren lässt. Immer wieder gerät die Gruppe mit Vorwürfen zur Kinderarbeit, schlechten Arbeitsbedingungen und Umweltverschmutzung in die Schlagzeilen – zuletzt vor rund vier Monaten. Damals warf die Menschenrechtsorganisation China Labor Watch der Konzernspitze vor, in den
chinesischen Produktionsstätten systematisch Kinder als Arbeitskräfte einzusetzen. Das Unternehmen habe laut der Organisation Verträge mit Schulen und Lehrkräften, die die Schüler zur Arbeit zwingen – bei einer Weigerung würden die Kinder keinen Abschluss bekommen. Auch bei den Zulieferern sollen die Arbeitsbedingungen nicht selten unmenschlich sein, nachweisen konnte man Samsung bisher allerdings nichts. Auf Nachfragen gibt es meist keine klare Antwort, man inspiziere die einzelnen Produktionsstätten aber regelmäßig, es wären keinerlei Verstöße bekannt. Das Gegenteil behauptet ein vor kurzem unter anderem von Greenpeace veröffentlichter Bericht, der „Public Eye Award“: Dieser wird an die „übelsten Unternehmen des Jahres“ verliehen, Samsung war in der Reihung nur wenig besser als Fukushima-Betreiber Tepco.
Samsung betreibt heute über 30 Tochtergesellschaften. In Zeiten der Asienkrise in den 1990er-Jahren zog sich Gruppe aus zahlreichen Geschäftsfeldern zurück, um die Kapitalbasis zu stärken. Seitdem ist Samsung Electronics das wichtigste Tochterunternehmen. Beispiele:
Schwerindustrie
Chemie
Andere
Everland, Samsung Life Ensurance…
Samsung wird auch in Zukunft an seinem erfolgreichen Geschäftsmodell nicht viel ändern, soviel steht fest. Die Taktik funktioniert, die Anwender lieben die Produkte, der Umsatz stimmt. Samsung will aber noch etwas erreichen, das die Branche bisher nur von Apple kannte: Die Identifizierung der Anwender mit einem Produkt. Dazu steht sogar die Neuausrichtung der Unternehmensidentität im Raum, Samsung will ebenso als Lifestyle-Marke assoziiert werden wie die Marke aus dem Silicon Valley. Sollten sich die ehrgeizigen Projekte als realisierbar herausstellen, wird Samsung für alle großen Elektronikkonzerne zur Gefahr – auch in Bereichen, von denen die Koreaner bisher ihre Finger gelassen haben. Die Pläne klingen – zumindest für Samsung – vielversprechend: Als gesichert gilt, dass die Koreaner vermehrt in die „weiße Ware“ investieren wollen, zudem sollen Umsatz und Gewinn der Smartphone-Abteilung durch innovative Technologien, unter anderem flexible Displays und Achtkern-Prozessoren, weiter gesteigert werden. Andere Unternehmen können Samsung den Wind kaum mehr aus den Segeln nehmen, gefährlich werden kann sich das Unternehmen nur mehr selbst, wenn die Negativ-Schlagzeilen überhand nehmen oder die Öffnung des Unternehmens für fremde Märkte nicht gelingt. In naher Zukunft werden die Koreaner ihre Erfolgsstory aber unbeirrt fortschreiben – es gibt schließlich noch genügend Geräte zu kopieren und zu verbessern.