Kommentar: Wieso die Kritik an Samsung überzogen ist

Samsung ist immer wieder Ziel beißenden Spotts. Als “Plastikbomber” sind die Produkte des Unternehmens verschrien. Doch der Kommentar zeigt, dass Äußerlichkeiten nicht alles sind und das südkoreanische Unternehmen in Wahrheit der innovativste Hersteller im Android-Lager ist. 

Don’t judge a book by its cover.

In manchen Sprichwörtern steckt viel Weisheit, so auch in diesem. Wir Menschen neigen dazu, vom Äußeren auf das Innere zu schließen. Oder, wie das englische Sprichwort besagt, vom Umschlag des Buches über den Inhalt zu urteilen.

Es ist derzeit sehr beliebt, auf Samsung einzuschlagen. Nicht ganz zu Unrecht, denn einerseits ist es normal, dass Unternehmen an der Spitze immer kritischer als ihre Mitbewerber beäugt werden. Apple kann hiervon ein Liedchen singen. Andererseits agiert das südkoreanische Unternehmen aber fast schon peinlich ungeschickt dabei, die eigenen Innovationen besser herauszustellen. Samsung, um das Sprichwort wieder aufzugreifen, ist hier der Autor, der seine neuen und spannenden Werke im selben und mittlerweile abgenutzten Umschlag herausbringt. Das Urteil, welches anhand diesen Umschlags gefällt wird, ist dann oftmals nicht schmeichelhaft. Diesen Vorwurf muss sich Samsung gefallen lassen, denn ich bin wohl nicht der einzige, der das Wort Galaxy nicht mehr hören kann:

Galaxy S3, Galaxy S4, Galaxy S4 Mini, Galaxy Tab, Galaxy Note, Galaxy Camera, Galaxy Active usw.

Doch es ist nicht nur der Name, sondern auch das Design und die verwendeten Materialien, an die sich die Kritik richtet. Wer kann denn schon aus der Ferne erkennen, ob es sich um ein Galaxy S4, Galaxy S3 oder Galaxy S4 Mini handelt? Selbst die Tablets aus dem Hause Samsung unterscheiden sich mittlerweile nur noch in der Größe, aber nicht mehr vom Design. Einheitsbrei wohin man nur schaut. Vom immer gleichen Plastikgehäuse ganz zu schweigen.

Samsung hat immer wieder den Mut, neue Dinge auszuprobieren: wie z.B. mit dem Galaxy S4 Zoom

Die Kritik an Samsung ist also definitiv berechtigt. Die Marke Galaxy wird inflationär benutzt, von Plastik als bevorzugtes Gehäusematerial hat man sich trotz aller Kritik immer noch nicht verabschiedet und dasselbe Design wird bis zum Erbrechen wiederverwendet.

Alles wahr. Aber auch alles rein äußerlich.

Denn so legitim die Kritik auch ist, richtet sie sich doch vornehmlich ans Äußere. An den Umschlag. Natürlich möchte niemand 600 Euro für ein Smartphone ausgeben, was dann im billigen Plastikgehäuse daherkommt. Oder wie Samsung sagen würde: “hochwertiges Polycarbonat”. Vor allem nicht dann, wenn die Konkurrenz längst auf wirklich hochwertige Materialien setzt. Das HTC One und Sony Xperia Z zeigen hier, wie man es richtig macht.

Dennoch, es ist nur eine Kritik an der Verpackung. Denn technisch gesehen ist Samsung nicht nur an der Spitze, das Unternehmen ist auch innovativ geblieben. Eine Rarität. Wenn ein Unternehmen es an die Spitze geschafft hat, so hört es in der Regel auf, innovativ zu sein und verteidigt nur noch sein altes Geschäftsmodell. Auch hiervon kann Apple ein Liedchen singen.

Doch Samsung ist innovativ geblieben.

Wenn es nach Steve Jobs gegangen wäre, würde der Stylus heute auf dem Friedhof der Technikgeschichte ruhen. Unvergessen sein “Who wants a Stylus”-Statement auf der Präsentation des ersten iPhones im Jahre 2007. Aber Samsung hat mit dem Galaxy Note dem kleinen Eingabestift nicht nur neues Leben eingehaucht, es hat auch ganz nebenbei die Gerätekategorie der Phablets erfunden. Und auf diesen Zug springen jetzt auch Hersteller wie Sony und HTC auf.

Klar kann man viele Software-Features von Samsung als nutzlose Gimmicks bezeichnen. Aber einerseits wird niemand gezwungen, so etwas wie Smart Scroll oder Smart Stay zu benutzen. Andererseits zeigt es, dass Samsung sich Gedanken darüber macht, wie man Software sinnvoll weiterentwickeln kann. Und aus solchen Entwicklungen stammen dann auch Features wie Multi-Window, was zum ersten mal wirklich produktives Multi-Tasking auf Android ermöglicht hat.

Das Ativ Q verbindet Windows und Android in einer nahtlosen Symbiose

Samsung ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern versucht immer wieder, neue Wege zu gehen und innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Perfektes Beispiel ist hier vielleicht das Ativ Q, welches mit einer UVP von 1599 Euro zwar etwas überteuert ist, aber Windows und Android auf eine Weise verbindet, die in dieser nahtlosen Symbiose bisher nicht möglich war.

Natürlich kann auch nicht alles ein Hit werden. Wird z.B. ein Galaxy S4 Zoom ein großer Verkaufserfolg? Daran zweifle ich. Aber es ist dennoch gut und wichtig, dass einen Hersteller gibt, der nicht nur den Mut hat, neues auszuprobieren, sondern auch die finanziellen Mittel, mal einen Flop hinzunehmen. Ein Unternehmen wie HTC kann sich das nicht leisten.

Es ist diese „trial and error“-Strategie, die Samsung so erfolgreich macht. Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren. Schauen, was Erfolg hat, und genau das dann weitermachen. Und wenn etwas keinen Erfolg hat? Aus Fehlern lernt man und macht es in Zukunft halt besser. In dieser Hinsicht ähnelt Samsung sehr Google, bevor Larry Page 2011 das Steuer übernommen hat und CEO wurde. Auch der Internetgigant hat einfach ausprobiert, ausprobiert und ausprobiert und Produkte und Services auf den Markt gebracht. Vieles wurde wieder eingestampft, ja. Aber aus solchen Experimenten sind z.B. auch so gigantische Erfolge wie Google Mail oder eben auch Android entstanden.

Samsung kann für vieles kritisiert werden, auch zurecht. Aber am Ende kommt es doch darauf an, wie innovativ und experimentierfreudig ein Unternehmen ist, oder? Hier muss man vor Samsung einfach den Hut ziehen. Immer gleiches Design hin oder her.

Aber Samsung, mal im Ernst: benutzt mal ein anderes Design! 😉