Der Smartphone-Markt ist in Bewegung – alte Hersteller straucheln, die jungen Wilden triumphieren.
Der Smartphone-Markt wächst unendlich. So zumindest schien es noch vor wenigen Jahren, doch inzwischen kämpfen die großen Hersteller mit sinkenden Umsätzen, während kleine Anbieter aus China den Markt umkrempeln. Wohin geht die Reise?
So schnell können die Zeiten sich ändern. Vor einigen Jahren noch galt HTC nach Apple und Samsung als weltgrößter Smartphone-Hersteller. Doch dann geriet das Unternehmen plötzlich in Schieflage und befindet sich seit über drei Jahren in der größten Krise der Unternehmensgeschichte. Die Umsätze rutschen Quartal um Quartal ab und immer wieder müssen Mitarbeiter den Hut nehmen. Nun wäre es einfach, die Firmen- und Produktpolitik des taiwanischen Unternehmens für diese Situation verantwortlich zu machen und auch wenn das nicht ganz falsch ist, wird die Sicht der Situation nicht gerecht. Es handelt sich nicht um ein isoliertes Phänomen eines Unternehmens, sondern um ein größeres Problem, das den gesamten Smartphone-Markt derzeit betrifft.
Was ist denn aus den einst großen Mobiltelefon- und Smartphone-Herstellern geworden? BlackBerry hält sich seit Jahren tapfer am untersten Ende des Existenzminimums und versucht es immer wieder mit neuen Smartphones, die aber nie so richtig zünden wollen. Nokia ist nach jahrelangem Sinkflug inzwischen bruchgelandet und hat die Mobilfunksparte an Microsoft verkauft. Apple musste zwar was die Marktanteile angeht sehr viel an Android einbüßen, erfreut sich aber immer noch einer sehr profitablen Smartphone-Sparte mit stetig wachsenden Absatzzahlen. Okay, abgesehen von der eingebüßten Dominanz geht es Apple also gut. Und Android? Bei 80 % Marktanteil weltweit sollte man doch meinen, dass es den Herstellern hervorragend geht – allen voran Samsung. Doch weit gefehlt. Die meisten Hersteller sind zwar noch deutlich besser aufgestellt als HTC und BlackBerry, doch geht es ihnen schon lange nicht mehr so gut, wie einst, als der Smartphone-Markt noch von ungebremstem Wachstum geprägt war. Die Zeiten ändern sich halt und derzeit scheinbar besonders stark.
Wer den Markt schon länger beobachtet ist sicher auch schon zu dem Schluss gekommen, dass die Smartphones sich heutzutage alle nicht mehr großartig unterscheiden. Daran können verschiedene Materialien oder Individualisierungsoptionen auch nichts ändern. Aber nicht nur äußerlich tut sich nicht mehr viel, auch was die inneren Werte angeht, versuchen die Hersteller jedes Jahr nur noch ein bisschen mehr von allem draufzupacken. Doch für den Kunden ergibt sich dadurch die Situation, dass sich ein jährliches Upgrade nicht mehr lohnt. Warum viel Geld für etwas ausgeben, wenn das Vorhandene doch noch absolut ausreicht? Die meisten Verbesserungen im MHz-, MB, oder Megapixel-Bereich interessieren die meisten Nutzer nicht. Inzwischen ist ein Leistungs-Level erreicht, das der Normalnutzer so schnell nicht mehr ausreizt. Daher sind auch heute noch so viele Nutzer mit drei Jahre alten Smartphones wie dem Samsung Galaxy S3 zufrieden. Die logische Folge: Es werden immer weniger Geräte verkauft.
Diese Situation betrifft aber nicht nur Nordamerika und die europäischen Märkte, auch der begehrte chinesische Markt schwächelt derzeit gewaltig. Hier werden immer weniger Erstgeräte gekauft und viel öfter nur noch Upgrades. Die Folge ist die gleiche, die Verkäufe und somit das Wachstum verlangsamen sich. Das ist vor allem für Hersteller wie Samsung, HTC und Apple ein Problem, die es allesamt bisher nicht geschafft haben, ihre westliche Dominanz auch auf China zu übertragen. Dort herrschen ganz andere, junge Unternehmen vor, wie Xiaomi, Oppo, OnePlus, Huawei oder Honor. Diese jungen Wilden schaffen es vor allem mit einem cleveren Geschäftsmodell die Käufer für sich zu begeistern. High-End-Smartphones werden per Direktvertrieb über das Internet an die junge Zielgruppe zum Preis von Mittelklasse-Geräten verkauft. Auf diesem Weg halten die Unternehmen die Kosten für Herstellung und Vertrieb gering – die Margen sind zwar auch minimal, aber das Geld verdienen die Unternehmen ohnehin durch andere, auf den Geräten vorinstallierte Dienste. Unternehmen wie Apple und Samsung, die vor allem an der verkauften Hardware verdienen und diese daher möglichst teuer verkaufen müssen, werden somit massiv unter Druck gesetzt. Viele dieser jungen Unternehmen drängen inzwischen auch auf den europäischen und nordamerikanischen Markt – und auch wenn die Verkaufszahlen hier noch sehr gering sind, beginnen sie doch langsam auch an den großen Namen zu nagen. Dies gelingt auch zunehmend kleineren Nischenherstellern wie Blackphone, Fairphone oder Nextbit.
Die Menge der erhältlichen Android-Smartphones ist beim besten Willen nicht überschaubar. Das Unternehmen OpenSignal versucht es zumindest und bringt jedes Jahr einen Fragmentierungsreport heraus. Dabei handelt es sich zwar nur um Geräte, auf denen die OpenSignal-App installiert wurde, aber beeindruckend ist es auch ohne Repräsentativität allemal. 2015 wurden 24.000 verschiedene Geräte von 1.300 Herstellern gezählt.
Wo kommen all diese kleinen Hersteller her? Google sei Dank, denn da Android Open Source ist, kann jeder das Betriebssystem nehmen und mit ein wenig Know-how auf jede Hardware installieren. Diese Offenheit hat Google ja letztendlich auch zum großen Erfolg verholfen, doch so langsam zeigen sich auch die daraus resultierenden Probleme.
…lautet eine alte englische Faustregel, doch Google hat diese leider nicht immer beherzigt, wenn es um Android geht. Denn da Google in der großen Update-Frage nicht vorsichtig war, haben die Nutzer nun das Nachsehen. Dabei ist gar nicht das Problem gemeint, dass Nutzer älterer Geräte irgendwann die neuen Features nicht mehr erhalten – das sieht bei iOS auch nicht anders aus – es geht vielmehr um Sicherheitsupdates.
Vor wenigen Wochen erst hat die Sicherheitslücke Stagefright das Ausmaß dieser Problematik erneut verdeutlicht. Mit einer einfachen MMS lassen sich rund 95 % aller Android-Geräte kapern. Google hat zwar einen Patch ausgeliefert, doch der war zunächst fehlerhaft – und selbst wenn er fehlerfrei gewesen wäre, die meisten Smartphones werden ihn ohnehin nie erhalten, da es sich für die Hersteller einfach wirtschaftlich nicht lohnt, den Code für uralte Geräte noch mal zu überarbeiten.
Hier rächt es sich nun also, dass Google einst die Kontrolle über Android den Herstellern übertragen hat. Denen kann man nicht vorwerfen, dass sie aus wirtschaftlichen Motiven handeln – dass Google die Sicherheit der Nutzer derart aufs Spiel setzt, kann man dem Unternehmen dagegen schon vorwerfen. Ob es Google gelingt, die Kontrolle über Android noch mal zurückzugewinnen wird spannend zu beobachten. Ebenso wie die restliche Entwicklung auf dem schnelllebigen Smartphone-Markt und ob HTC es schafft, das Ruder noch einmal rumzureißen – wäre schon schade um dieses Android-Urgestein.
Dieses Streudiagramm von opensignal.com stellt die Aktualität der in einem Land verwendeten Android-Versionen in Beziehung zum jeweiligen Volkseinkommen (Pro-Kopf-BIP) dar. Wenig überraschend: In der Regel verwenden Nutzer in reicheren Ländern auch Smartphones mit neuerem Android. Interessant sind aber die Ausreißer wie Qatar (hohes BIP, trotzdem altes Android) und die Karibikinsel Santa Lucia (niedriges BIP, trotzdem neues Android).
Windows Phone ist seit der Einführung vor über fünf Jahren ein Sorgenkind auf dem Smartphone-Markt. Obwohl das Betriebssystem alles andere als schlecht ist und viele Dinge erfrischend anders macht als Android und iOS, nehmen die Kunden das Windows für die Hosentasche nur sehr zögerlich an. Da hilft auch die finanzielle Macht Microsofts, sowie der große Name des Unternehmens genauso wenig, wie die langjährige Partnerschaft mit dem zugstarken Hersteller Nokia. Inzwischen gehört die Mobilfunksparte von Nokia direkt zu Microsoft und der Konzern aus Redmond gibt noch lange nicht auf. Mit der nächsten Version wird das OS wieder in Windows Mobile 10 umbenannt und soll noch stärker mit der Desktop-Version von Windows 10 verzahnt sein. Besonders mit der „Continuum“-Funktion, die aus einem Smartphone mit Windows dank angeschlossenem Monitor, Maus und Tastatur einen vollwertigen Windows 10-Rechner macht, hat Microsoft ein höchst spannendes Feature in der Hinterhand. Nun fehlen Microsoft nur noch die zugstarken Hardware-Partner, denn nur mit den eigenen Lumia-Smartphones wird es sehr schwer, sich gegen die Konkurrenz zu behaupten.
„Wenn kein OEM sich meldet, um Windows Geräte herzustellen, werden wir es tun. Es wird Lumias geben.“ – Satya Nadella (CEO Microsoft)
Man kann das Smartphone derzeit nicht neu erfinden. Die Grundelemente sind immer gleich, man kann sie höchstens verbessern. Mit der Höher, Schneller, Weiter-Mentalität kann man sich aber nur schlecht von den Konkurrenten abheben, die alle den gleichen Weg gehen. Daher versuchen die Hersteller es mit besonderen Features. Dabei lassen sich die Mitarbeiter der Entwicklungsabteilungen teilweise Sachen einfallen, die zwischen cool und völlig kurios, genial und absolutes Gimmick fallen und entweder einen Kaufwunsch oder Lachkrampf auslösen.
Es war ein kurzes Vergnügen mit den 3D-Kameras. HTC hatte versucht die stereoskopische Kamera auf der Rückseite salonfähig zu machen, stellte die Versuche aber nach einem Gerät wieder ein.
Das Smartphone ist ein wichtiger Begleiter beim Fitnessprogramm – warum sollte man mit ihm dann nicht auch den Puls messen, dachte sich Samsung? Zu hohe Genauigkeit darf man aber nicht erwarten.
Smartphone-Kameras sind ein großes Verkaufsargument, Selfies werden immer beliebter, warum dann nicht die rückseitige Kamera einfach nach vorne rotieren um die Selfie-Qualität zu maximieren?
Smartphones sind zwar nur eines von vielen Produkten, das der koreanische Mischkonzern herstellt, dafür aber in den letzten Jahren eines der wichtigsten. Das Unternehmen ist bisher der einzige Hersteller, der es von den Verkaufszahlen mit Apple aufnehmen und den iPhone-Hersteller sogar überholen konnte – in letzter Zeit ist das Wachstum allerdings etwas zurückgegangen.
Apple hat das Smartphone… zwar nicht erfunden, aber mit dem iPhone zumindest revolutioniert. An den jährlichen iPhone-Iterationen muss sich die gesamte Konkurrenz bis heute messen und auch wenn andere Unternehmen in vielen Bereichen inzwischen vorbeigezogen sind, erfreut sich das iPhone nach wie vor ungebremster Beliebtheit.
Während die Android-Hersteller kollektiv in der Krise stecken und mit rückläufigen Verkaufszahlen kämpfen, schafft Apple mit dem iPhone 6 und iPhone 6 Plus ein kleines Wunder auf dem Smartphone-Markt. Nach erwartungsgemäß hohen Verkäufen direkt nach dem Verkaufsstart, sind die Zahlen in den folgenden Quartalen nur unwesentlich gesunken. Wenngleich das auf den ersten Blick fantastisch klingt, könnte sich daraus in naher Zukunft allerdings ein Problem entwickeln, denn die wenigsten Käufer wollen schon wenige Monate nach dem Kauf eines Smartphones dieses durch ein neues ersetzen. Ob iPhone 6s und 6s Plus also den Aufwärtstrend der Vorgänger weiterführen kann, ist fraglich.
„Wir hatten ein fantastisches 3. Quartal mit 59% höheren Einnahmen aus iPhone-Verkäufen im Vergleich zum Vorjahr.“ – Tim Cook (CEO Apple)
Ähnlich wie Samsung ist LG ebenfalls ein Mischkonzern. Der Einstieg auf den Smartphone-Markt war eher holprig und mit einigen groben Patzern, besonders in Bezug auf Updates versehen. Von diesen Fehlern versucht das Unternehmen sich bis heute zu erholen. Die Tatsache, dass mit dem Nexus 5X bereits das dritte Smartphone in Kooperation mit Google entsteht, spricht aber für LG.
Der japanische Elektronikkonzern befindet sich seit Jahren in der Krise. Nachdem die Laptop-Sparte bereits abgestoßen wurde, schwächelt auch die Mobilfunksparte Sony Mobile. Dies liegt aber weniger an den Geräten, sondern eher an der chinesischen Konkurrenz. Auch wenn die Umsätze aus Verkäufen steigen, fährt die Mobilfunksparte trotzdem Verlust ein.
Das 1997 gegründete Unternehmen galt lange als der Pionier im Smartphone-Bereich. Nach vielen Windows-Mobile-Geräten folgte mit dem HTC Dream 2008 das allererste Android-Smartphone. Es folgte ein rasanter Aufstieg, auf den nun ein ebenso rasanter Fall folgt. Ob sich das taiwanische Unternehmen aus dieser Situation nochmals retten kann, ist unklar.
Eines der größten chinesischen Unternehmen stellt seit einigen Jahren auch Smartphones her und das mit immer gewaltigerem Erfolg. Inzwischen müssen sich die Geräte nicht mehr vor der Konkurrenz verstecken. Mit Honor wurde vor einem Jahr zudem eine Tochterfirma gegründet, die auf junge Leute abzielt und noch niedrigere Preise bietet.
Motorolas Geschichte ist etwas kurios. Das Unternehmen war mit Mobiltelefonen sehr erfolgreich, verpatzte den Wechsel auf Smartphones aber. Dann wurde das Unternehmen von Google gekauft und gehörig auf Vordermann gebracht. Google verkaufte Motorola dann an die Mannen von Lenovo, die nun die eigenen Smartphones einstellen und alles unter der Marke Motorola vermarken.
Der Rockstar unter den chinesischen Herstellern. Innerhalb nur weniger Jahre hat sich das Unternehmen vom Geheimtipp zum absoluten Marktführer gemausert. Ähnlichkeiten zu Apple im Führungsstil und Geräte-Design sind nicht ganz unabsichtlich, aber stark von der Presse übertrieben. Zumindest laut Xiaomi-Mitarbeiter und Ex-Android-Vice President bei Google, Hugo Barra.
Hierzulande wird ZTE immer nur als Hersteller von Billiggeräten wahrgenommen. Dieses Image wird den günstigen Geräten allerdings längst nicht mehr gerecht. Mit dem Axon Elite bringt das Unternehmen auch hierzulande ein sehr spannendes High-End-Smartphone zum Kampfpreis auf den Markt. In China gehört ZTE ohnehin schon lange zu den führenden Unternehmen.