Vor wenigen Tagen hat Apple bekanntlich zwei neue iPhones vorgestellt. Dabei wurde mehrfach betont, dass das iPhone 5S nun einen 64-bit A7-Prozessor besitzt, der viele Vorteile gegenüber dem 32-bit Vorgänger haben soll. Samsung hat heute nachgezogen und angekündigt, dass künftige Prozessoren ebenfalls 64-bit sein werden. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings deutlich, dass dieser Schritt derzeit nicht die angepriesenen Vorteile bringt.
Wie von Apple gewohnt, war auch der Präsentations-Event zu den neuen iPhones von Superlativen und den üblichen Marketing-Übertreibungen gespickt – dabei hatten die beiden neuen iPhones nicht viel bemerkenswert Neues zu bieten. Ein Detail hat aber doch unsere Aufmerksamkeit erweckt, nämlich der neue A7-Prozessor, der entgegen dem Vorgänger oder der Konkurrenz nicht mehr auf 32-bit- sondern 64-bit -Architektur basiert. Unmittelbar nach dem Event haben wir nur mit den Schultern gezuckt – nachdem heute aber auch Samsung überraschend angekündigt hat, dass die kommenden Prozessoren auf 64-bit -Architektur aufgebaut werden sollen, wurden wir aber doch stutzig. Der Frage, ob diese Prozessorarchitektur in Smartphones und Tablets überhaupt einen Vorteil bringt und was die eigentlichen Gründe für diese Schritte sind, werden wir im Folgenden auf den Grund gehen.
Phil Schiller hatte bei der Präsentation des iPhone 5S durchaus mit der Behauptung Recht, dass der neue A7-Prozessor seinen Vorgänger, was die Leistung betrifft, um ein Vielfaches überbietet. Auch hat er Recht, wenn er behauptet, dass Apple die Konkurrenz im Rennen um den Schritt in die 64-bit-Ära geschlagen hat. Problematisch wurde es erst, als er diese beiden Punkte direkt miteinander in Verbindung gesetzt hat. Dass der A7-Prozessor doppelt so viel Rechen- und Grafikleistung bietet, hat nichts mit der doppelten bit-Anzahl zu tun.
64-bit-Architektur – was ist das?
Stark vereinfacht ausgedrückt bedeutet 64-bit, dass Prozessoren so ausgelegt sind, dass sie 64-bit, also 8 Byte, gleichzeitig (sprich während eines Taktes) verarbeiten können. Dadurch können größere Integer-Werte berechnet werden, was wiederum große Vorteile bei Verschlüsselungsmechanismen und grafischen Berechnungen hat. Auch können komplexere mathematische Funktionen berechnet werden, was für Smartphones derzeit schlicht nicht relevant ist. Für die reine Rechenleistung bringt die 64-bit-Architektur momentan also noch keine Vorteile.
Für den Normalnutzer ist der größte Nutzen mit Sicherheit, dass Computersysteme mehr als 4 GB RAM nutzen können. Eine Grenze, die inzwischen nur noch selten im Desktop- und Laptop-Bereich unterschritten wird. Im Server-Bereich gehört 64-bit schon seit langem zum Standard, da Server in der Regel immense Mengen an Arbeitsspeicher benötigen, um die großen Datenmengen für schnellen Zugriff zwischenspeichern zu können.
Auch wenn die Entwicklung im Smartphone-Bereich in der letzten Zeit stark zugenommen hat, wird es noch eine Weile dauern, bis wir das erste Smartphone mit mehr als 4 GB RAM zu Gesicht bekommen. Die Gründe dafür sind zum einen, dass derartig viel Speicher derzeit noch sehr teuer ist und zum anderen, dass mehr Speicher auch mehr Platz benötigt, da noch mehrere RAM-Bausteine kombiniert werden müssen, und mehr RAM-Chips letztendlich auch mehr Strom verbrauchen, was klar zu Lasten der Akkulaufzeit geht. Das iPhone 5S, mit dem 64-bit A7-Prozessor, besitzt tatsächlich nur 1 GB RAM, während im oberen Android-Segment längst 2 GB zum guten Ton gehören. Mit dem Samsung Galaxy Note 3 finden sich das erste Mal 3 GB RAM in einem Smartphone, das allerdings auch ausreichend groß ist um die Speicherchips zu beherbergen und mit 3.200 mAh auch einen überdurchschnittlich großen Akku besitzt.
Das iPhone 5S oder genauer kein derzeitiges Smartphone hat also einen Vorteil von einem 64-bit-Prozessor – am ehesten wäre ein solcher Vorteil noch bei Tablets vorstellbar, da diese mehr Platz für die Speicherbausteine und größere Akkus für deren Energieversorgung hätten.
Software muss ebenfalls angepasst werden
Hardware-seitig hat derzeit also kein Smartphone momentan einen Vorteil und hinzu kommt zudem noch, dass auch die Software auf die neue Architektur angepasst werden muss. Apple hat iOS7 zwar diesbezüglich angepasst, so dass das OS theoretisch die größeren RAM-Mengen nutzen könnte, aber auch die App-Entwickler müssen ihre Anwendungen daraufhin optimieren.
Glücklicherweise ist ein 64-bit-Betriebssystem in der Lage auch 32-bit-Apps auszuführen, wenn eine neue App allerdings an die neue Architektur angepasst wird, müssen die Entwickler auch 32-bit-Versionen programmieren, damit diese auf Geräten laufen, die noch nicht in der schönen neuen 64-bit-Welt angekommen sind. Diesen Mehraufwand wird derzeit also kaum jemand betreiben, da es sich schlicht noch nicht lohnt.
Die Ankündigung von Samsung ist insofern fraglich, dass Android derzeit noch gar nicht auf 64-bit optimiert ist und das Betriebssystem mit dem neuen Prozessor also gar nichts anfangen könnte. Dass Samsung einen ähnlichen Weg wie Intel geht, die Android in Eigenregie für die eigenen x86-Prozessoren umschreiben, ist anzuzweifeln, weil dadurch der ohnehin schon zu langsam Update-Prozess nochmals verzögert wird. Denkbar wäre allerdings, dass Google in eine der kommenden Android-Versionen die Unterstützung von 64-bit-Architektur integriert, allerdings ist dies reine Spekulation.
Warum der Aufwand, wenn der Nutzen fehlt?
Da wir nun geklärt haben, dass der Schritt in die 64-bit-Ära derzeit noch keine Vorteile bringt, bleibt natürlich die Frage, warum Apple diesen Aufwand überhaupt betreibt.
Zum einen ist 64-bit natürlich ein tolles Marketing-Schlagwort, dass die einstige Innovationskraft des Konzerns aus Cupertino wieder aufblitzen lässt, zumindest, solange man das Ganze nicht hinterfragt. Apple kann nun also wieder behaupten, der Konkurrenz einen großen Schritt voraus zu sein und die Tatsache dass Samsung mit der Ankündigung eigener 64-bit-Prozessoren folgt, zeigt, dass die Rechnung aufgeht. Die Behauptung von Schiller, dass Apple die mobile Computing-Welt von einem Tag auf den anderen von 32-bit in die 64-bit-Welt gebracht hat, während dieser Übergang im Desktop-Bereich mehrere Jahre gedauert hat, ist allerdings schlichtweg falsch. Der Übergang wird auch im Mobile-Bereich noch Jahre benötigen, Apple hat nur den ersten Schritt gemacht.
Faktisch ist dieser Schritt auch eher als langfristige Investition in die Zukunft zu sehen. So ist es, aufgrund der fehlenden Anwendungsbeispiele auf Smartphones, durchaus denkbar, dass Apple für iOS andere Pläne verfolgt. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass Apple in naher Zukunft die MacBooks und iMacs mit 64-bit-ARM-Prozessoren ausstattet, da diese gerade für professionelle Anwendungen zu wenig Leistung besitzen – PC-ähnliche Geräte mit iOS, die sich eher an Normalnutzer denn an Profis richten, sind dagegen viel eher denkbar, womit sich Apple zudem etwas mehr von Intel als Chip-Lieferant lösen könnte. Es bleibt also spannend, welche Strategie Apple auf lange Sicht mit diesem Schritt verfolgt und was die Konkurrenz von Samsung und Co unternimmt, um Schritt zu halten.
(via CNet)