100 Millionen Smartphones – so lautet die Verkaufsprognose für Huaweis Smartphone-Sparte in diesem Jahr.Im Westen kämpft der Tech-Gigant trotzdem noch um Anerkennung.
Firmenname: Huawei Technologies Co., Ltd
Gründung: 1987
Sitz: Shenzhen, China
Leitung: Ren Zhengfei, CEO
Mitarbeiter: ca. 170.000
Umsatz: 46,5 Mrd. EUR (2014)
Smartphone-Absatz: 100 Mio. (Schätzung 2015)
Während Konsumenten, Journalisten und sogar die firmeneigenen PR-Teams noch darüber verhandelten, wie der Markenname Huawei denn nun ins westliche Idiom zu übertragen sei, hat sich der chinesische Elektronikriese klammheimlich zu einem dominanten Player in der Welt von Smartphones und Tablets gemausert. Wie kam es dazu?
Die milden 80er
Die Geschichte des Konzerns beginnt im Jahr 1987 dort, wo auch heute noch die Firmenzentrale steht: Im südchinesischen Shenzhen. Direkt an der Grenze zum britischen Überseeterritorium Hongkong gelegen, stand das Städtchen zu jener Zeit am Beginn einer rasanten Entwicklung. Von einer 30.000 Einwohner zählenden Ansiedlung war es durch seinen Status als Sonderwirtschaftszone bereits auf über eine Million angewachsen. Das von Deng Xiaoping geförderte Reformklima der 80er-Jahre kommt Huaweis Firmengründer Ren Zhengfei zupass, der seinen Job als Offizier im Ingenieurkorps der chinesischen Volksbefreiungsarmee verloren hat. Rens junge Firma treibt zunächst Handel mit Telefonanlagen, die es aus dem benachbarten Hongkong importiert und an Kleinbetriebe und Hotels in China vermarktet. Schon bald richtet Huawei eine eigene Entwicklungsabteilung ein und schafft 1992 mit einer digitalen Telefonanlage den Durchbruch.
Hat man sich in jungen Jahren noch auf den ländlichen Markt in China konzentriert, so sackt Huawei 1997 den ersten Überseevertrag ein und startet im selben Jahr mit den ersten GSM-Produkten. Ab 2004 liefert Huawei Equipment an europäische Netzbetreiber: den niederländischen Betreiber Telfort, die British Telecom und schließlich an Vodafone. Europäische Konsumenten kommen mit Huawei zunächst nur durch “White-Label”-Produkte mit Netzbetreiber-Branding in Kontakt – etwa mit dem HSDPA-USB-Modem E220, das viele Anbieter mit ihren ersten massentauglichen 3G-Internetverträgen ausliefern. 2009 stellt Huawei sein erstes Android-Smartphone vor und liefert auch diese Geräte zuerst als White-Label aus (wie etwa das T-Mobile Pulse von 2009).
Zur IFA 2010 erscheint erstmals ein Smartphone unter eigenem Namen – das Einsteigergerät IDEOS. Der Aufstieg in die erste Smartphone-Liga dauert einige Jahre und ist dem Erfolg der Ascend-Reihe zu verdanken. Schon 2013 sehen erste Marktanalysen Huawei als drittgrößten Smartphone-Hersteller weltweit, was die Stückzahlen angeht – direkt nach Samsung und Apple.
Playing with the big boys
Im Jahr 2015 hat sich diese Position laut Analysten gefestigt: Huawei lässt den chinesischen Mitbewerber Lenovo hinter sich und behauptet den dritten Platz. In den großen europäischen Märkten (Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien) kann es laut Kantar Worldpanel sogar Platz zwei verbuchen. 27,4 Millionen Smartphones hat Huawei nach eigenen Angaben im dritten Quartal 2015 verkauft – 63% mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Spielverderber USA
Bis heute macht aber das Carrier-Business – also die Ausstattung von Mobilfunkern und Festnetzbetreibern mit Netzwerktechnik – das Gros des Geschäfts aus. Etwa zwei Drittel seines Gesamtumsatzes erwirtschaftet Huawei damit, beliefert 45 der Top 50 Telekom-Unternehmen weltweit und hat Aussicht auf einen regelrechten Boom mit der Einführung von 5G, an dessen Entwicklung und Normierung es stark beteiligt ist. Woran sich der chinesische Tech-Riese aber noch die Zähne ausbeißt, ist der US-Markt. Als Telekomausrüster ist Huawei in Bereichen tätig, die die strategische IT-Infrastruktur von Nationalstaaten betreffen. Der US-Regierung ist das nicht geheuer – sie übt Druck auf ihre Telekom-Anbieter aus, Huawei als Lieferant von Routern und anderem Equipment auszusperren. Ein Report des ständigen Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus aus dem Jahr 2012 bezeichnet Huawei und seinen chinesischen Mitbewerber ZTE als Gefahr für die nationale Sicherheit. Die Beziehungen der beiden Firmen zum chinesischen Staat, zum Militär und der Kommunistischen Partei seien zu unklar.
Das Verhältnis zum Staat
Huawei weist diese Anschuldigungen auf das Schärfste zurück, moniert das Fehlen von Beweisen und bezeichnet den Report als China-Bashing. Angesprochen auf das Verhältnis zum Staat geben sich Unternehmensvertreter aber auch heute zugeknöpft. Man habe sich an chinesische Gesetze zu halten wie jedes andere dort ansässige Unternehmen auch, unterhalte darüber hinaus aber „keine besonderen Beziehungen“ zur chinesischen Regierung. Auch einen Seitenhieb auf die USA kann man sich nicht verkneifen – von Edward Snowden geleakte Dokumente hätten schließlich gezeigt, dass sich der US-Konkurrent Cisco genau jenes Verhaltens schuldig gemacht hat, dessen die US-Regierung Huawei verdächtigt: Für den Export bestimmte Router und anderes Netzwerkequipment des Herstellers wurde von der NSA abgefangen und mit Überwachungssoftware bespielt.
Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit
Bei einer Besichtigung des Huawei-Werks am Songshan Lake nahe Donguan, der Android Magazin im Zuge einer Pressereise beiwohnen darf, wird klar, dass Huawei den Fokus der Kommunikation nun ganz auf Sicherheit legt. Man zeigt uns die aufwendige Qualitäts- und Sicherheitskontrolle von zugelieferten Komponenten, bei der Chips und Leiterplatten mittels Röntgen und sogar Bohrkern-Analysen auf Mängel und Anzeichen von Fälschungen begutachtet werden.
Beim Upload von Firmware herrscht strikte Zugangskontrolle, die USB-Anschlüsse der PCs sind verschlossen. Auch Einblicke in die Arbeitsbedingungen ergeben sich: Die Angestellten arbeiten in der hellen, gut ventilierten Halle 40 Wochenstunden und nehmen 90 Minuten Mittagspause.
An einer Wand hängt etwas, das sich „Staff Grapery Performance Board“ nennt: Die Leistung der Mitarbeiter wird öffentlich in einer traubenförmigen Darstellung bewertet. Umgekehrt können die Angestellten ihre aktuelle Stimmungslage in Form von Smileys auf der Tafel ausdrücken. Mehr als 82.000 der 170.000 Beschäftigten sind auch Miteigentümer der Firma. Gründer Ren Zhengfei hält nur noch 1,4% der Anteile. Einen Börsengang schließt Ren vorerst aus, hat aber große Pläne für Huawei: Trotz der Schwierigkeiten im US-Geschäft will er den Umsatz bis 2018 fast verdoppeln.
1987 – Gründung
Als Import-Export-Firma in Shenzhen handelt Huawei mit Telefonanlagen aus dem benachbarten Hong Kong.
1990 – Erste eigene Produkte
Entwicklung von eigenen Telefonanlagen für Hotels und Kleinbetriebe.
1992 – Forschung und Entwicklung
Herstellung von Digital-Switches für das ländliche China.
1997 – Erste GSM-Sender
Huawei stellt die ersten GSM-Lösungen vor und expandiert in die chinesischen Metropol-Regionen.
2000 – Europa
Einrichtung eines Forschungs- und Entwicklungszentrums in Stockholm, Schweden.
2001 – Beitritt zur ITU
Huawei tritt der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) bei, die im Rahmen der UNO für Telekom-Normen zuständig ist.
2002 – Es klingelt (im Beutel)
Die weltweiten Umsätze steigen auf über eine halbe Milliarde US-Dollar.
2004 – Siemens
Joint Venture mit Siemens zur Entwicklung des 3G-Funkstandards TD-SCDMA
2005 – Weitere Expansion
Erstmals übersteigen die internationalen Umsätze jene auf dem chinesischen Heimmarkt
2006 – Huawei E220
Das USB-HSDPA-Modem E220 wird vorgestellt.
2007 – EU-Lückenschluss
Ab Ende 2007 verwenden alle größeren Mobilfunker Europas Huawei-Equipment.
2008 – Top Influencer
Das Magazin BusinessWeek reiht Huawei unter die einflussreichsten Unternehmen der Welt.
2009 – Erstes Android-Phone
Auf dem MWC in Barcelona präsentiert Huawei einen Prototypen seines ersten Android-Phones.
2010 – Huawei Ascend
Das erste Ascend-Smartphone wird für den US-Markt vorgestellt. Es läuft mit Android 2.1
2012 – Knatsch in the USA
Ein Bericht des US-Repräsentantenhauses bezeichnet Huawei und ZTE als „Gefahr für die Nationale Sicherheit.“
2013 – Huawei Honor
Huawei startet seine Günstigmarke Honor. Ein Jahr später schaffen es die Geräte nach Deutschland.
2014 – Treppchenplatz
Huawei wird zum drittgrößten Hersteller von Smartphones weltweit.
2014 – Top 100-Marke
Huawei ist die erste chinesische Marke unter den Top 100 in Interbrands „Best Global Brands“.
2015 – Huawei P8
Start des neuen Flaggschiff-Smartphones Huawei P8 und P8 Max.
2015 – Nexus 6P
Google wählt Huawei als Hardware-Partner für sein neues Phablet Nexus 6P.
11/2015 – Zweiter in Europa
Huawei überholt in den großen EU-Märkten HTC sowie Sony und belegt Platz 2 bei den Smartphone-Absätzen.