CyanogenMod-Mastermind Steve Kondik über die Gründung des Unternehmens Cyanogen Inc., die Mobile-Branche im Allgemeinen, Sicherheits-Fragen und seinen Umgang mit Kritik. Die Geschichte von CyanogenMod sowie dessen Entwicklung könnt ihr unserem Report entnehmen.
Hallo Steve, lass uns gleich mit einer persönlichen Frage beginnen: Welches Smartphone verwendest du momentan im Alltag und welche Software läuft darauf?
Ich verwende verschiedene Geräte, aber momentan habe ich ein Oppo N1 und ein HTC One dabei, auf denen CyanogenMod (CM) läuft. Beide haben Ihre Vorteile und Cyanogen Inc. arbeitet eng mit Oppo zusammen, um im Dezember 2013 eine Version des N1 auf den Markt zu bringen, auf dem Cyanogen Mod ab Werk läuft. Ich bin schon sehr gespannt.
Was war der entscheidende Moment, der zur Gründung von Cyanogen Inc. geführt hat?
Kirt McMaster, der später unser CEO wurde, kontaktierte mich aus dem Nichts mit einigen wirklich verrückten Ideen. Wir alle haben immer gepredigt, dass Nutzer in der Lage sein sollten, selbst zu entscheiden, welches Betriebssystem auf ihren Smartphones laufen soll – abseits des berüchtigten „walled gardens“. Er hat also einige Ideen vorgeschlagen und mich damit auf den Gedanken gebracht, dass wir es wirklich durchziehen könnten. Ich habe dann Koushik Dutta, den Macher des populären ClockworkMods und ROM Managers, ins Team geholt und wir haben beschlossen, gemeinsam im Silicon Valley bei Investoren vorstellig zu werden. Ich wollte das schon vor langer Zeit tun, aber die Situation am Mobilfunk-Markt ist nun mal so, dass all unsere Pläne eher auf Vermutungen basieren: Was wäre, wenn du in einen Laden gehen, dort das Gerät deiner Wahl kaufen und dann an der Kasse eine beliebige Software-Plattform wählen könntest? Oder was wäre, wenn es eine extrem einfache Möglichkeit gäbe, das Ganze von zu Hause aus zu machen?
Wir wollen den CyanogenMod in das Produkt verwandeln,
das wir immer wollten.
Den Cyanogen Mod oder irgend eine andere Custom ROM zu installieren, ist ein mühsamer, mehrere Schritte erfordernder Prozess. Dennoch machen es Millionen von Menschen. Was passiert, wenn diese Barrieren entfernt werden? Das könnte unglaublich zerstörerisch sein und den Markt verändern. Uns geht es um ein Direct-to-Consumer, plattformübergreifendes, mobiles Betriebssystem. In der heutigen mobilen Welt ist der End-Nutzer nicht der Kunde. Der Kunde jedes großen OEM-Herstellers sind die Mobilfunkanbieter und das ist der Grund für die vielen miserablen Nutzererlebnisse, die wir auf zahlreichen aktuell erhältlichen Geräten sehen. Wir wollen das ändern. Im April haben wir mit der Arbeit begonnen. Viele Möglichkeiten haben sich seither aufgetan und die Zukunft sieht gut aus.
Kannst du uns das Geschäftsmodell etwas genauer erklären? Wie wollt ihr Geld verdienen? Die Software soll ja kostenlos bleiben, wollt ihr also wie beispielsweise Amazon oder Google digitalen Content verkaufen?
Wir haben uns noch für kein Geschäftsmodell entschieden, dafür ist es eindeutig zu früh. Das Problem ist, dass wir eine Reihe von Ideen haben. Unser primäres Ziel ist es, den CM in das Produkt zu verwandeln, das er für uns immer sein sollte und dass er für jedermann einfach zu bekommen sein soll. Wir kooperieren mit Hardware-Herstellern, um den CM auf Geräten vorinstalliert auszuliefern. Mit Hardware lässt sich in den USA jedoch schwer Geld verdienen, ohne sich mit Mobilfunkanbietern ins Bett zu legen – und das haben wir nicht vor.
Es gibt interessante Möglichkeiten, ebenso in neuen Märkten wie in etablierten, wo wir einzigartige Dienste anbieten können und davon verfolgen wir einige. Mit einigen unserer Projekte gibt es außerdem Überschneidungen im Business-Bereich. Eine ganze Menge ist also noch in der Schwebe. Wir müssen unser Produkt bauen, Informationen einholen und dann entscheiden, welche Richtung in Sachen Geschäftsmodell wir einschlagen wollen.
In welchen Bereichen von Android macht ihr deiner Meinung nach einen besseren Job als Google?
Eine Sache, die der CM voraus hat, ist unsere Community. Google hat AOSP, aber AOSP hat keine Gemeinschaft von Usern, die direkt in die Entwicklung des Produkts involviert ist. Ich glaube das ist der große Unterschied. Indem du mit deinen Nutzern in Kontakt bist, kannst du lernen, was sie brauchen und dadurch etwas Großartiges bauen. Und weil Entwickler neue Features direkt beisteuern können, sind wir immer erstaunt über die Dinge, die den Leuten einfallen.
Viele unserer Features landen lange Zeit später in den offiziellen Versionen von Android und sogar in iOS. Beispielsweise „Slide to dismiss“, „Quiet Hours“, „Immersive Mode“ und so weiter. Das ist eine gute Sache, denn das bedeutet, dass wir diese Features nicht länger pflegen müssen und uns auf neue Innovationen stürzen können (lacht).
BIO
Steve Kondik alias „Cyanogen“ ist seit seiner Kindheit fasziniert von Computern. Er brachte sich selbst Programmieren bei und hat das College nicht beendet.
Siehst du vor dem Hintergrund des ganzen NSA-Überwachungsskandals Handlungsbedarf beim CM? Und wie wird oder könnte diese Reaktion aussehen?
Kryptographie- bzw. Verschlüsselungs-Lösungen, die transparent und einfach zu nutzen sind, interessieren uns sehr. Wir haben aktuell eine Kooperation mit Open Whisper Systems, um eine Messaging-Plattform zu bauen. Diese soll gegen Man-in-the-Middle-Angriffe gewappnet sein und die Verschlüsselung soll dezent im Hintergrund ablaufen. Wir wollten zudem eine „Find my Phone“-Funktion im CM, aber wir haben uns die existierenden Lösungen angesehen und herausgefunden, dass diese allesamt völlig unsicher sind und die Anbieter dieser Dienste entweder deinen Standort speichern oder diesen gleich als Klartext erhalten. Unsere Lösung erstellt einen verschlüsselten Tunnel von deinem verlorenen Gerät zu deinem Browser, und zwar bevor irgendwelche Informationen versandt werden.
Menschen sollten keine Angst haben,
dass Technologie gegen sie arbeiten könnte.
Ich denke, dass es generell wichtig ist, dass sich Software-Firmen den Kopf über Sicherheits-Fragen wie diese zerbrechen. Wir haben keinerlei Interesse, die Daten unserer User für irgendwelche dubiosen Zwecke abzugreifen, deshalb wollen wir Lösungen bauen, die die Nutzer sowohl vor Angriffen von außen als auch vor uns selbst schützt. Es geht nicht so sehr um die NSA oder irgendeine repressive Regierung oder eine andere Instanz. Menschen sollten keine Angst haben, dass Technologie gegen Sie arbeiten könnte. Und alles was wir dazu positiv beitragen können, ist gut.
Wie hat die Cyanogen Mod-Community auf die Gründung von Cyanogen Inc. reagiert?
Die Reaktionen waren überwältigend positiv. Es ist eine großartige Geschichte: Cyanogen Mod ist noch immer sehr bodenständig und revolutionär in der Mobile-Branche. Natürlich gibt es immer Fragen zu den Motiven, wenn aus einem freien Projekt eine Firma wird, aber wir machen noch immer das Gleiche, was wir seit vier Jahren machen. Unsere User-Basis ist groß, aber es ist noch immer ein winziges Bruchstück der gesamten Android-Landschaft – und wir wollen diese Basis viel, viel größer werden lassen.
Da wir jetzt organisiert sind, können wir Dinge wie Sponsor-Veranstaltungen machen, können unsere User stärker informieren und generell noch mehr als bisher zurückgeben. Eine große Angst herrscht darüber, dass wir unser Lizenzmodell ändern oder unsere Arbeit nicht mehr als Open Source veröffentlichen könnten. Open Source ist jedoch der Schlüssel zu unserer Strategie. Wir sehen sie als Vorteil und haben keinerlei Pläne, dies zu ändern.
Was denkst du über Splittergruppen wie OmniRom, die behaupten, Cyanogen Mod habe den Bezug zur Basis verloren?
Die Omni-Situation fußt auf einem Missverständnis nach dem anderen, verknüpft mit philosophischen Meinungsverschiedenheiten. Wir haben uns nie davor gescheut zu sagen, dass wir uns organisieren und auf echter Hardware ausliefern wollen. Wir meinen es ernst und wollen unsere Ideen einem breiteren Publikum zeigen. Omni bevorzugt das GPLv3 Lizenzmodell und re-lizenziert die Arbeit von anderen unter GPLv3, inklusive großer Teile des CM. Ich denke, dass dadurch nicht nur Fragmentierung entsteht, sondern dass dieses Vorgehen auch sehr kurzsichtig ist. Aus philosophischer Sicht, ist es toll. In der Praxis glaube ich aber nicht, dass GPLv3 Sinn macht.
Die Macher des OmniRom scheinen keine Vision auf lange Sicht zu haben. Mobile ist eine unglaublich wettbewerbsintensive Branche. Keiner will ALLE seine Geheimnisse verraten und wir sollten das respektieren. Linus Torvalds hat GPLv3 für den Linux-Kernel abgelehnt, weil es seine Adaptierung einschränken würde. Und er hat recht: Ein GPLv3-Kernel würde nicht Android antreiben, Punkt. Bei Open Source geht es nicht mehr nur bloß darum, Microsoft zu hassen. Es ist eine Strategie und ein Entwicklungs-Prozess, und du musst es klug angehen. Wenn du wächst, werden diese Dinge wichtig. Du musst Führungskraft beweisen und schwierige Entscheidungen über die zukünftige Richtung deines Projektes treffen und nicht jeder wird damit einverstanden sein. Bei CM sind wir daran interessiert, eine Balance zwischen dem zu finden, was kommerziell nützlich sein könnte und dem Ethos, den wir seit Tag eins haben.